Der Zerfall des ehemaligen Jugoslawiens zeichnete sich bereits in den 1980er Jahren mit der Verschiebung der Machtstrukturen innerhalb des Bundespräsidiums der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien (SFRJ) und der Entlegitimierung des politischen Systems ab.
Verlorene Jahre
Am 25. Juni 1991 wurde im Sabor, dem kroatischen Parlament, die staatliche Unabhängigkeit Kroatiens verkündet. Bereits im Mai 1991 sprach sich die überwiegende Zahl der Bürger bei einem Referendum für eine Trennung vom ehemaligen Jugoslawien aus. Von den insgesamt 84 Prozent der stimmberechtigten Bürger, die sich an diesem Referendum beteiligten, votierten gut 93 Prozent für die Unabhängigkeit. Sie erteilten den verantwortlichen Akteuren somit einen klaren Auftrag, politische Maßnahmen in Richtung der staatlichen Unabhängigkeit einzuleiten. Parallel dazu waren die Blicke auf Westeuropa gerichtet, denn der Ausgang des Referendums wurde auch als Bestätigung der europäischen Orientierung des Landes verstanden. Der Übergang zu Marktwirtschaft und Demokratie sollte mit der internationalen Anerkennung und anschließend der Eingliederung in die damalige Europäische Gemeinschaft einhergehen. In Zagreb überwog die Meinung, dass der Zeitpunkt für eine Rückkehr in den Kreis der europäischen (Staaten-)Familie gekommen sei. Auch wenn Kroatien als Teilrepublik des blockfreien sozialistischen Jugoslawiens durch die durchlässigeren Grenzen nicht völlig abgeschottet war, bestand doch eine Trennung von den Entwicklungen und Strukturen des demokratischen Europas und der Europäischen Gemeinschaft (EG). Für die Kroaten, die sich in kultureller und geschichtlicher Hinsicht als fester Bestandteil dieser Wertegemeinschaft sehen, war es daher logisch und notwendig, Teil der Europäischen Gemeinschaft zu werden.
Zwar erfolgte am 15. Januar 1992 die Anerkennung der staatlichen Unabhängigkeit durch die EG-Mitgliedsstaaten, die anschließende Aufnahme Kroatiens in den Kreis der Beitrittskandidaten blieb jedoch – anders als im Fall der Nachbarrepublik Slowenien – aus. Verantwortlich dafür waren auf der einen Seite die spezifischen Begleitumstände der kroatischen Systemtransformation, also die Gleichzeitigkeit von Staatsbildung, Transformation und Krieg. Die militärische Bedrohung unmittelbar nach Ausrufung der staatlichen Unabhängigkeit von Seiten der – inzwischen serbisch dominierten – Jugoslawischen Volksarmee (JNA) führte zu einer Mobilisierung und Homogenisierung der Gesellschaft. Zugleich wurde die demokratische Entwicklung des Landes beeinträchtigt, indem soziale, politische und ideologische Konflikte verdrängt und zugleich intransparente Netzwerke und informelle Herrschaftspraktiken gefördert wurden.
Andererseits stand der autoritäre Führungsstil des ersten Präsidenten Franjo Tuđman sowie Kroatiens ambivalentes Verhältnis zu Bosnien-Herzegowina einer weiteren Annäherung an Brüssel im Weg. Die Beziehungen zur EG waren spätestens seit dem Ausbruch der kriegerischen Handlungen in Bosnien-Herzegowina zwischen Bosniaken und den bosnischen Kroaten im Frühjahr 1993 angespannt. Sie kühlten sich weiter ab, nachdem die kroatische Führung im Sommer 1995 mit der militärischen Aktion Oluja (Sturm) die zuvor von Serben besetzten Gebiete der selbsternannten "Republik Serbische Krajina" rückeroberte. Die bereits beschlossene Aufnahme des Landes in das PHARE-Programm der EG zur Unterstützung des Beitrittsprozesses wurde daraufhin kurzerhand ausgesetzt, Verhandlungen über ein Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der EG und Kroatien abgebrochen. Zudem wurden bereits bewilligte Kredite seitens des IWF (Internationaler Währungsfonds) eingefroren, und die für September 1995 vorgesehene Aufnahme in den Europarat ausgesetzt. Zwar wurde Kroatien nach Beendigung der Konflikte und der friedlichen Reintegration Ostslawoniens Mitglied im Europarat, doch Verhandlungen über weitergehende institutionelle Beziehungen fanden in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre nicht statt. Immer wieder wurde seitens der internationalen Staatengemeinschaft auf Missstände bei Demokratisierung, Rechtsstaatlichkeit und Achtung der Menschen- und Minderheitenrechte verwiesen. Die zahlreichen Korrekturversuche von außen stießen in Zagreb jedoch auf Ablehnung, mit der Folge, dass in offiziellen Stellungnahmen Brüssels Kroatien noch nicht einmal als potenzieller Beitrittskandidat erwähnt wurde. Nach Einschätzung des damaligen kroatischen Außenministers Mate Granić resultierte die zunehmende Beratungsresistenz Franjo Tuđmans aus seiner Enttäuschung über mangelnde Unterstützung seitens der EG während des Krieges, sie ging aber auch Hand in Hand mit einer schweren Erkrankung, die ab 1996 bis zu seinem Tod 1999 zunehmend seine Auffassungsgabe beeinträchtigte.
Wendepunkt
Am 3. Januar 2000 wählten die Bürger die regierende HDZ ab. Sieger der Parlamentswahl wurde eine breite Koalition aus der SDP (die Nachfolgepartei des Bundes der Kommunisten Kroatiens) und den Liberalen unter der Führung von Ivica Raćan. Einen Monat später ging Stjepan Mesić bei den Präsidentschaftswahlen als Sieger hervor. Mit dem Regierungswechsel ging eine umfassende Neuausrichtung des Landes in der Außenpolitik einher. Der Schwerpunkt lag sowohl auf einer Befriedung in der unmittelbaren Nachbarschaft als auch auf einer Intensivierung der euro-atlantischen Beziehungen. Der Politikwechsel Anfang 2000 war zugleich auch der Wendepunkt in den Beziehungen zur EU und eröffnete Kroatien eine klare europäische Perspektive. Die EU stellte die dafür notwendigen Weichen und erklärte ihre Bereitschaft, das Land bei entsprechenden Transformationsfortschritten zu unterstützen. Bereits im Februar 2000 wurde kurzfristig eine consultative task force für Kroatien formiert mit der Aufgabe, die aktuelle Lage vor Ort zu sondieren. Nur einen Monat später wurde das Büro des EU-Sondergesandten in Zagreb zur Vertretung der Europäischen Kommission aufgewertet und im Mai 2000 bestätigte die EU-Kommission in ihrem Durchführbarkeitsbericht für Kroatien, dass die Verhandlungen über ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen (SAA) aufgenommen werden könnten. Die Grundlagen dazu wurden in den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Feira im Juni 2000 gelegt. Der Europäische Rat bekräftigte darin seine Unterstützung für die demokratischen und wirtschaftlichen Reformen in Kroatien.
Im Vergleich zu den 1990er Jahren war Kroatien bis dahin ein bemerkenswerter Aufholprozess in Richtung EU gelungen, der sich in zunehmender politischer Stabilisierung manifestierte und im offiziellen Beitrittsgesuch im Februar 2003 seinen Ausdruck fand. Dementsprechend wurde Kroatien in der Thessaloniki-Erklärung vom Juni 2003 die EU-Beitrittsperspektive eröffnet. Am 9. Oktober 2003 überreichte die kroatische Regierung der Europäischen Kommission einen Katalog mit über 4.000 beantworteten Fragen. Zu diesem Zeitpunkt wurde ein schneller Abschluss der Beitrittsverhandlungen als möglich erachtet, um gemeinsam mit Bulgarien und Rumänien schon 2007 der EU beitreten zu können. Grundlage für diese positive Entwicklung war – neben der Tatsache, dass die politischen Akteure nun Zugang zu zahlreichen internationalen Programmen und Projekten zur Unterstützung der Reformmaßnahmen hatten, nicht zuletzt eine pro-europäische Orientierung über die Grenzen der politischen Lager hinweg. So konnte dieser Kurs auch nach dem erneuten Regierungswechsel im Dezember 2003 beibehalten werden, bei dem die reformierte HDZ unter der Führung von Ivo Sanader das Ruder übernahm.
Verzögerungen, Hindernisse und Blockaden
Seitens der EU wurde der 17. März 2005 als Termin für die Eröffnung der Beitrittsverhandlungen unter der Bedingung festgelegt, dass Kroatien volle Kooperationsbereitschaft mit dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) zeige. Volle Kooperation bedeutete zu diesem Zeitpunkt vor allem die Auslieferung von Ante Gotovina, bzw. der Nachweis, dass eine Auslieferung des flüchtigen Generals unmöglich sei. Gotovina wurde im Zusammenhang mit der Militäraktion Oluja wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt. Die damalige Chefanklägerin Carla del Ponte hatte die kroatische Regierung, später auch die katholische Kirche beschuldigt, dem General Zuflucht zu gewähren.
Weitere Verzögerungen ergaben sich durch einen Konflikt mit Slowenien. Nachdem das Nachbarland bereits Ende 2007 im Vorfeld der eigenen EU-Ratspräsidentschaft eine mögliche Verlangsamung der Beitrittsgespräche mit Kroatien wegen der Ausrufung der Wirtschafts- und Fischereischutzzone androhte, blockierte Ljubljana seit Dezember 2008 zehn Monate lang die Öffnung der letzten elf Verhandlungskapitel aufgrund der rechtlich ungeklärten Grenzfrage mit Kroatien, insbesondere hinsichtlich der Hoheitsgewässer in der Adria.
Kurz vor dem Ziel warf Slowenien abermals sein Gewicht als EU-Mitglied in die Waagschale, indem es den seit 1991 schwelenden Konflikt um die Deviseneinlagen bei der Ljubljanska Banka zum Anlass nahm, die notwendige Ratifizierung des EU-Beitrittsvertrags hinauszuzögern. Bis heute ist der Verbleib der (Devisen-)Spareinlagen von etwa 132.000 kroatischen Bürgern bei der Zagreber Filiale der Ljubljanska Banka ungeklärt, die nach dem Zerfall Jugoslawiens von slowenischer Seite einbehalten wurden. Slowenien hatte Anfang 2013 durchblicken lassen, dass es den Beitrittsvertrag im Parlament nicht ratifizieren würde, wenn Kroatien nicht zumindest auf einen Teil der Forderungen verzichte. Trotz einiger gescheiterter Versuche zu einem tragfähigen Kompromiss zu kommen, gelang es Slowenien und Kroatien – unter Einbeziehung der beiden Ministerpräsidenten – im März schließlich doch noch eine gemeinsame Lösung zu finden, die einerseits die drohende Blockade abwendet, auf der anderen Seite beide Kontrahenten das Gesicht wahren lässt. Die kroatische Regierung verpflichtet sich dabei die Ermächtigung für die Klage der kroatischen Banken gegenüber Slowenien zunächst einmal auszusetzten, um den Fall "Ljubljanska banka" möglichst im Rahmen des noch ausstehenden Teilungsprozesses und der damit verbundenen materiellen Hinterlassenschaften des ehemaligen Jugoslawien zu lösen. Neben Slowenien haben noch weitere vier EU-Mitgliedstaaten, darunter Deutschland, den Vertrag noch nicht ratifiziert.
Verlauf der Beitrittsverhandlungen
Mit der Anpassung des institutionellen Rahmens an die Vorgaben der Europäischen Union begann die kroatische Administration bereits vor Beginn der eigentlichen Beitrittsverhandlungen. Bis Ende 2004 passierten zahlreiche Gesetzesvorlagen das kroatische Parlament. Dazu wurden Finanzmittel aus den EU-Programmen PHARE und ISPA in Anspruch genommen, zumal am 1. Februar 2005 das SAA mit der EU in Kraft trat. Ab 2007 wurden diese Programme dann durch das Instrument für Heranführungshilfe (IPA) ersetzt. Die Zeit in der Warteschleife von März bis Oktober 2005 nutzte Kroatien, um sich auf die Beitrittsverhandlungen vorzubereiten. Die einzelnen Arbeitsgruppen innerhalb des inzwischen auf 35 Kapitel angewachsenen Verhandlungsrahmens wurden formiert und zeitgleich weitere Teile des EU-Besitzstands in das gesetzliche Rahmenwerk implementiert. Aufgrund der negativen Erfahrungen mit den beiden 2007 zur EU beigetretenen Transformationsstaaten Bulgarien und Rumänien wurden die Verhandlungen mit Kroatien erstmals und konsequent nach dem neuen Benchmarksystem durchgeführt, welches für jedes der 35 Verhandlungskapitel klare Öffnungs- und Schließungskriterien vorsieht. Nun ging es nicht nur darum, die Gesetzgebung der EU einzuführen, sondern zugleich auch Kapazitäten in der Verwaltung zu schaffen, um diese Gesetze und das Regelwerk auch erfolgreich umsetzen zu können. Neu war auch der Ansatz, die Verhandlungen "ergebnisoffen" zu führen. Am Ende des Weges musste also nicht zwingend eine Vollmitgliedschaft stehen.
Nach Aufnahme der Beitrittsverhandlungen im Oktober 2005 ging die Arbeit zügig voran. Das sogenannte Screening begann am 20. Oktober 2005 und konnte 12 Monate später beendet werden. Die eigentlichen Verhandlungen begannen am 12. Juni 2006 mit der Eröffnung des Kapitels Wissenschaft und Forschung. Aufgrund des Konfliktes mit Slowenien konnten die letzten drei Verhandlungskapitel mit den Themenbereichen Wettbewerb, Justizwesen und Außen- und Sicherheitspolitik erst am 30. Juni 2010 eröffnet werden. Am 30. Juni 2011 wurden alle Kapitel erfolgreich abgeschlossen und die Beitrittsverhandlungen beendet. Am 12. Oktober 2011 gab die EU-Kommission in ihrer Stellungnahme ein positives Votum ab und vermerkte, dass Kroatien einen "hohen Vorbereitungsstand für die Mitgliedschaft erreicht" habe.
Die Arbeit ist allerdings noch nicht abgeschlossen, denn auch nach dem Abschluss der Beitrittsverhandlungen steht Kroatien unter Beobachtung der EU-Kommission. In ihren Berichten an den Rat und das Europäische Parlament nimmt sie vor allem die Effizienz der Justiz, die Bearbeitung der Fälle von Kriegsverbrechen und die Korruptionsbekämpfung ins Visier. Darüber hinaus stehen noch der Schutz der Außengrenzen, die polizeiliche Zusammenarbeit, die Bekämpfung der organisierten Kriminalität und die Restrukturierung der Schiffsbau- und Stahlindustrie auf der Liste.
Spürbarer Rückgang der EU-Euphorie
Im Vergleich zu den 1990er Jahren ist in Kroatien im Vorfeld des EU-Beitritts weniger EU-Euphorie zu vernehmen. Insgesamt weist die Zustimmung zur EU über die vergangenen 20 Jahre eine hohe Volatilität auf. Gab es vor Beginn der Beitrittsverhandlungen eine hohe Zustimmung von etwa 80 Prozent, fiel diese Anfang 2005 rapide ab, als Brüssel wegen der Causa Gotovina den Beginn der Verhandlungen kurzerhand aussetzte. Große Teile der Bevölkerung befürchteten mit dieser Entscheidung aufs Abstellgleis geraten zu sein, um der EU möglicherweise erst viel später, zusammen mit den übrigen Ländern des westlichen Balkans, beitreten zu können. Obwohl das sogenannte Regatta-Prinzip, zumindest offiziell nie infrage gestellt wurde, war es in kroatischen Medien unter der Überschrift "Regatta versus Konvoi" immer wieder Gegenstand heftiger Debatten.
Die Gründe für den Skeptizismus gegenüber der EU mögen komplexer Natur sein. Hier ist vor allem die Sorge um den Verlust der nationalen Souveränität und Identität zu nennen. Dazu hat die EU selbst in den vergangenen Jahren einiges an Glanz verloren, als Beispiele dienen die Euro-Krise sowie die Rettungsmaßnahmen rund um Griechenland. Die Erweiterungsmüdigkeit innerhalb der EU selbst ist spätestens seit den gescheiterten Referenden zur EU-Verfassung in Frankreich und den Niederlanden im Frühjahr 2005 spürbar. Häufig ist von der Schwerfälligkeit und den institutionellen Schwächen innerhalb der EU die Rede, von mangelnder Demokratie und der EU als bürokratischem Koloss. Inzwischen erscheint aber insbesondere die angespannte wirtschaftliche Lage für die latente Unzufriedenheit in der kroatischen Bevölkerung verantwortlich zu sein. Steigende Preise für lebensnotwendige Güter belasten das verfügbare Einkommen spürbar. Hinzu kommt die Sorge vor einem Arbeitsplatzverlust. Seit 2012 ist ein deutlicher Anstieg der Arbeitslosigkeit zu verzeichnen, die inzwischen die Zahl von 350.000 übersteigt. Die derzeitige Mitte-links-Regierung unter Zoran Milanović hat bislang wenige Antworten auf drängende Probleme wie die aktuelle Wirtschaftskrise, die geringe Wettbewerbsfähigkeit, das ungünstige Investitionsklima sowie die drohende Abwanderung hochqualifizierter junger Kräfte. Die aktuelle Stimmungslage wird nicht zuletzt durch die hohe Verschuldung des Landes und die damit verbunden Herabstufung der Bonität auf Ramsch-Niveau durch einige Rating-Agenturen negativ beeinflusst.
Resümee und Ausblick
Kroatien hat sich seit dem Zusammenbruch des alten Systems viel Zeit gelassen, um direkten Kurs auf die EU zu nehmen. Der spät eingeleitete Annäherungsprozess hat sich sowohl auf den Transformationsprozess selbst, als auch insgesamt auf die wirtschaftliche Entwicklung des Landes negativ ausgewirkt. Die Beitrittsverhandlungen verliefen zudem alles andere als geradlinig. Gleichzeitig wurden die Aufnahmekriterien der EU mit jeder Erweiterungsrunde anspruchsvoller, die Hürden einer Vollmitgliedschaft höher, während die Aufnahmebereitschaft innerhalb der EU spürbar nachgelassen hat. Rückblickend war der Beitrittsprozess für Kroatien wichtig und hat das Land nachhaltig verändert. Er hat die verantwortlichen Akteure immer wieder dazu angetrieben, notwendige Reformen im Land einzuleiten. Manches konnte nur mit Druck von außen, das heißt aus Brüssel, verändert werden. Der begonnene Kampf gegen die Korruption und viele institutionelle Verbesserungen wären womöglich ausgeblieben. Die Resultate im Bereich der Modernisierung der Verwaltung und dem Ausbau der Infrastruktur konnten nicht zuletzt mit Strukturhilfen aus Brüssel bewerkstelligt werden.
Bis zum eigentlichen Beitrittstermin hat Zagreb noch einige Punkte abzuarbeiten, die beim letzten Bericht der EU-Kommission vermerkt wurden. Sind diese erfüllt, sollte die EU alles daran setzen, den beschlossenen Beitritt am 1. Juli 2013 auch umzusetzen und Kroatien als 28. Mitglied willkommen zu heißen. Ein anderer Ausgang wäre den Bürgern in Kroatien nur schwer zu vermitteln. Vor allem würde es die Zustimmung zur EU nicht befördern, wenn trotz der geleisteten Arbeit, durchgeführten Reformen und abgeschlossenen Beitrittsverhandlungen abermals bilaterale Streitpunkte den avisierten Beitritt verzögern würden. Hier müssen die zuständigen Europäischen Institutionen sowie das Europäische Parlament klare Position beziehen und alle EU-Mitglieder an die bestehenden Verträge im Beitrittsprozess erinnern. Alles andere wäre kein gutes Signal für Südosteuropa.
Einige Anpassungen sind bereits im Vorfeld des EU-Beitritts in Kroatien spürbar, manches wird sich erst nach erfolgtem EU-Beitritt ändern. Allerdings werden die Kroaten nach dem EU-Beitritt nicht automatisch ein besseres Leben führen und höhere Einkommen generieren. Der Unterschied zwischen dem Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in Kroatien und dem EU-weiten Durchschnitt ist nach wie vor groß und die Wettbewerbsfähigkeit der kroatischen Wirtschaft gering. Sie wird mit dem Beitritt zum EU-Binnenmarkt zusätzlichem Wettbewerb ausgesetzt werden. Gleichzeitig werden die Auslandsinvestitionen durch die EU-Mitgliedschaft nicht wesentlich zunehmen, denn das Investitionsklima ist insgesamt noch verbesserungswürdig. Sollen die Erwartungen, die mit dem EU-Beitritt verbunden sind, nicht enttäuscht werden, wird sich nach den zahlreichen institutionellen Änderungen vor allem die Mentalität und die Arbeitsweise in Kroatien drastisch ändern müssen. Insbesondere dann, wenn man in Kroatien auch nur einen ähnlichen Lebensstandard erreichen will, wie ihn der durchschnittliche EU-Bürger heute hat. Die Mitgliedschaft in der EU kann dazu einen wichtigen Impuls liefern.