Transparenz gehört zu den derzeit am häufigsten gebrauchten Schlagworten. Zum einen fordern Bürgerinnen und Bürger sie immer vehementer ein, etwa wenn es um Nebeneinkünfte von Abgeordneten, geplante Großprojekte oder den Einfluss von Lobbygruppen auf Gesetzgebungsprozesse geht. Zum anderen ist Transparenz aber auch (wieder) zu einem Thema geworden, das einen ganz individuell betrifft: Noch nie war es technisch so einfach, selbst größte Mengen an Daten zu sammeln und zu verarbeiten. Und da jeder, der sich im Internet und Sozialen Netzwerken bewegt, eine Vielzahl an Spuren hinterlässt, ist einerseits das in den 1980er Jahren viel bemühte Schreckensbild des "gläsernen Bürgers" wieder akut und wird andererseits diskutiert, ob das bisherige Konzept von Privatsphäre nicht überholt sei (Stichwort post privacy).
Bezahlen wir die Bequemlichkeit, die Onlinedienste uns bieten, mit einem Verlust an informationeller Selbstbestimmung? Was ist im digitalen Zeitalter "öffentlich", was "privat"? Deutet sich hier ein möglicherweise tiefgreifender sozialer Wandel an? Stehen wir vor einem Zeitalter der Transparenz? Was würde das bedeuten – für die Politik, für die Gesellschaft, für das Individuum?
Zu diesen Fragen startete "Aus Politik und Zeitgeschichte" im Herbst 2012 zum zweiten Mal einen Call for Papers. Aus den erfreulich vielen sehr guten Exposé-Einsendungen wählte die Redaktion in anonymisierter Auswahl sechs Autor(inn)en aus, deren Beiträge in diesem Heft versammelt sind. Zusätzlich wurde Frank Rieger um einen Essay als Einleitung gebeten; der zweite "geladene Gast" ist Peter Schaar, der diese Ausgabe mit seiner Antwort auf die Frage "Hat der Staat eine eigene Privatsphäre?" schließt.