Identifikation auf einer kognitiven Ebene:
Die Bindung an die Nation ist auf dieser Ebene das Ergebnis eines gedanklichen Abwägungsprozesses. Identifikation mit der Nation entsteht dann, wenn es "gute Gründe" gibt, die aus Sicht des Einzelnen für Deutschland sprechen. Dazu zählen vor allem die Leistungen und Errungenschaften, die ein gutes Leben im Alltag ermöglichen. Daneben spielt die Funktionsfähigkeit des Staates und seiner Institutionen genauso eine Rolle wie besondere historische Leistungen.
Identifikation auf einer kulturellen Ebene:
Eine weitere Quelle der Bindung bildet die Sozialisation in ein kulturelles Geflecht aus Werten, Normen und Institutionen. Das Umfeld, in dem man lebt, erscheint als ein Netz von Selbstverständlichkeiten, an denen man sich orientiert und die ein Gefühl von Vertrautheit schaffen. Obwohl sich moderne Gesellschaften gerade durch die Vielfalt der Lebensentwürfe, persönlichen Werthaltungen, Einstellungen und Meinungen auszeichnen, existiert dennoch auf kultureller Ebene eine gewisse Vorstellung von Gemeinsamkeiten in Bezug auf "selbstverständliche" Prinzipien und Werte.
Identifikation auf einer affektiv-emotionalen Ebene:
Schließlich können Verbundenheitsgefühle auf einer nicht weiter erklärbaren, affektiv-emotionalen Ebene entstehen. Zugehörigkeitsgefühle brauchen nicht zwingend "gute Gründe" oder eine Idee von kultureller Gemeinsamkeit. Die deutschen Dichter und Denker bilden für viele eine Identitätsbrücke zur Geschichte der Nation. 46,3 Prozent sehen hier starke bis sehr starke Anknüpfungspunkte für ihre deutsche Identität. Auch die Leistungen Deutschlands in Politik, Wirtschaft und Sport bilden wichtige Bezugspunkte. 44 Prozent finden hier starke bis sehr starke Anknüpfungspunkte für eine positiv besetzte deutsche Identität. Im ländlichen Raum ist das Nationalgefühl der Deutschen am stärksten. Das vergleichsweise starke Nationalgefühl im ländlichen Raum geht in besonderem Maß mit Befürchtungen einher, dass das Deutsch-Sein durch die Zuwanderung erodiert. 62 Prozent der in dörflichen Verhältnissen lebenden Deutschen befürchten eine Erosion des Deutsch-Seins aufgrund zunehmender Migration, während es in den Großstädten nur 48 Prozent der Bevölkerung sind. In den kleinstädtisch geprägten Regionen und in den Großstädten existieren diese Befürchtungen ebenfalls, sie sind hier jedoch weniger intensiv ausgeprägt und treffen auf eine stärkere Gegenmeinung.
Diese Furcht erklärt sich aus den Quellen der Verbundenheit: Im ländlichen Raum spielen die kognitiven Identitätsanker eine sehr viel geringere Rolle als in den urbaneren Regionen. Während nur 42 Prozent der Landbewohner ihr Deutsch-Sein aus der Verlässlichkeit des deutschen Gemeinwesens speisen, erreichen hier die Bewohner mittelgroßer Städte einen Spitzenwert von 61 Prozent. Für 70 Prozent der Landbewohner beruht ihre starke bis sehr starke Verbundenheit mit ihrer deutschen Identität hingegen auf Traditionen und Brauchtum, entsteht also eher auf emotionaler Ebene und vor allem aus kultureller Vertrautheit. In diesem Umfeld wird das Fremde und Unbekannte offensichtlich eher als Bedrohung empfunden.
Auszüge aus: Identity Foundation (Hrsg.), Die Identität der Deutschen, Düsseldorf 2009.