Die Gedanken der Amerikaner, die am Neujahrstag 1913 das zurückliegende Jahr Revue passieren ließen, wanderten wahrscheinlich zum Untergang der "Titanic" im April. Vielleicht spielten sie in der Erinnerung auch die World Series nach, das Finale der Baseball-Profiliga, in dem die Boston Red Sox nur knapp gegen die New York Giants gewannen. Verfechter des Frauenwahlrechts freuten sich mit Sicherheit über dessen Einführung in drei weiteren Bundesstaaten – nun durften Frauen in insgesamt neun Bundesstaaten, allesamt im Westen des Landes, wählen. Die meisten aber dachten gewiss an die Präsidentschaftswahlen im November und die anstehende Amtseinführung Woodrow Wilsons, des ersten Präsidenten der Demokratischen Partei seit 1892.
Bei den Wahlen am 5. November 1912 hatten die US-Bürger eine ungewöhnliche Auswahl gehabt: Der bisherige Amtsinhaber William Howard Taft war von den Republikanern auf einem von erbittertem Streit geprägten Parteitag nominiert worden. Enttäuscht und verärgert hatten daraufhin die Unterstützer Theodore Roosevelts – von 1901 bis 1909 republikanischer Präsident des Landes – die Progressive Party gegründet und ihn als ihren Kandidaten gekürt. Die Demokraten, über diese Spaltung der Republikaner hoch erfreut, hatten gleichwohl 46 Wahlgänge benötigt, um ihren Kandidaten Woodrow Wilson, den Gouverneur von New Jersey, zu nominieren.
Zugleich stellte die wachsende ethnische Vielfalt eine Herausforderung dar. 1910 waren 53,8 Prozent der US-Einwohner Weiße, die – ebenso wie ihre Eltern – in den USA geboren waren (der bis dahin niedrigste Prozentsatz dieser Bevölkerungsgruppe); 35 Prozent waren ausländische Weiße oder stammten von ausländischen weißen Eltern ab. Von den europäischen Immigranten und ihren Kindern stammten 27 Prozent aus Deutschland, 19 Prozent aus Großbritannien oder Kanada, 14 Prozent aus Irland, 9 Prozent aus Russland, je 8 Prozent aus Skandinavien und Österreich-Ungarn sowie 7 Prozent aus Italien. Erst in jüngster Zeit trafen vermehrt Immigranten aus Süd- und Osteuropa ein. Elf Prozent der US-Einwohner waren Afroamerikaner – die meisten von ihnen lebten im Süden, wo die Beziehungen zwischen der schwarzen und der weißen Bevölkerung einen Tiefpunkt erreicht hatten.
Roosevelts erste Präsidentschaft
Theodore Roosevelt, der aus einer wohlhabenden Familie stammte, in Harvard studiert und sich schon früh als erfolgreicher Autor etabliert hatte (allein bis 1900 schrieb er 19 Bücher), war der charismatischste der Kandidaten. 1901 war er schon einmal Präsident geworden, nachdem Präsident William McKinley nur sechs Monate nach Beginn seiner zweiten Amtszeit einem Attentat zum Opfer gefallen war. McKinley hatte sich in seiner ersten Amtszeit auf einen kurzen, erfolgreichen Krieg gegen Spanien konzentriert, der den Vereinigten Staaten ein Reich bescherte, das sich von Puerto Rico in der Karibik bis zu den Philippinen im westlichen Pazifik erstreckte. Mit den Philippinen waren die USA zu einem mächtigen Akteur im ostasiatischen Mächtespiel geworden, und McKinleys Regierung hatte diese neue Rolle zügig gesichert – zunächst durch eine "Politik der offenen Tür" (Open Door Notes 1899 und 1900) und dann durch die Beteiligung am internationalen Militäreinsatz zur Niederschlagung des Boxeraufstands in China (1900). Die weltpolitische Rolle der USA hatte sich somit zwischen 1898 und Mitte 1900 dramatisch verändert.
Bei einigen dieser Entwicklungen hatte Roosevelt eine zentrale Rolle gespielt. Zwei Monate vor Beginn des spanisch-amerikanischen Kriegs hatte er als stellvertretender Marineminister den Kommandeur des US-Asiengeschwaders Commodore George Dewey angewiesen, im Fall eines Kriegs gegen Spanien nach Manila vorzudringen und die spanische Flotte zu vernichten. Der Krieg kam und Dewey folgte dem Befehl – und erhob damit den US-Anspruch auf die Philippinen. Inzwischen hatte Roosevelt sein Amt in der Marine niedergelegt und ein Kavallerieregiment aus Freiwilligen gebildet, um auf Kuba zu kämpfen. Sämtliche Schlagzeilen galten ihm, nachdem er einen Vorstoß bis zu den San Juan Heights angeführt hatte; von dort aus konnte man in den Hafen von Santiago blicken, in dem die spanische Flotte festsaß. Die Presse nannte Roosevelt den "Held der Schlacht von San Juan Hill". 1898 wurde er zum Gouverneur von New York gewählt, zwei Jahre später zum Vizepräsidenten.
Karikaturisten begeisterte Roosevelt mit seinem Kneifer, struppigem Schnurrbart und einem viel Zahn zeigenden Grinsen; die amerikanische Öffentlichkeit durch seine kühne Politik. Die Präsidentschaft betrachtete er als eine "erstklassige Plattform" (bully pulpit) und reiste oft zu Vorträgen durchs Land. Kurz nachdem er das Amt übernommen hatte, forderte er J.P. Morgan, den mächtigsten Bankier des Landes, und andere Industriemagnaten heraus, indem er den Generalstaatsanwalt anwies, eine Eisenbahnfusion zu blockieren, da sie gegen den Sherman Antitrust Act verstieß.
Gleichermaßen kühn dehnte Roosevelt in internationalen Angelegenheiten die Macht der USA in der Karibik sowie in Ostasien aus. Sein konsequentestes – und umstrittenstes – Projekt wurde der Panamakanal: Zunächst versuchte er, mit Kolumbien einen Vertrag zu schließen, doch die Verhandlungen wurden abgebrochen. Kurze Zeit später startete Philippe-Jean Bunau-Varilla, der Aktionär einer bankrotten französischen Baufirma, die bereits Jahre zuvor mit einem Kanalbauprojekt gescheitert war, eine Revolution, um Panama von Kolumbien zu lösen. Die US Navy hinderte kolumbianische Truppen daran, nach Panama einzumarschieren und trug so zum Erfolg des Unternehmens bei. Bunau-Varilla kam als Panamas Gesandter in die USA und handelte rasch einen Vertrag aus, der es den Amerikanern gestattete, den Kanal zu bauen und zu kontrollieren. Roosevelt selbst betrachtete dies als wichtigsten Erfolg seiner Amtszeit – auch wenn die "New York Times" den Kanal als "schäbiges Unternehmen" bezeichnete.
Zugleich versuchte Roosevelt, die Vorherrschaft in der Karibik zu erlangen, um Bedrohungen des Kanals durch andere Nationen auszuschließen. So etablierte er auf Kuba, das von McKinley zu einem US-Protektorat gemacht worden war, einen Marinestützpunkt. Panama wurde zum zweiten Protektorat. 1904 verkündete Roosevelt als Ergänzung zur Monroe-Doktrin,
Als Japan 1905 in den Krieg mit Russland eintrat, bot sich Roosevelt als Vermittler an; für seine Bemühungen erhielt er im Jahr darauf den Friedensnobelpreis. Auf der Friedenskonferenz suchte er die Gebietszugeständnisse an Japan zu begrenzen, um so die bestehende Machtbalance im ostasiatischen Raum aufrechtzuerhalten. Roosevelt zitierte mehrfach, was er für ein afrikanisches Sprichwort hielt: "Speak softly and carry a big stick"; so umschrieb er seine außenpolitische Strategie, Diplomatie mit der Fähigkeit zu verbinden, Macht anzuwenden. Während seiner Amtszeit wurde die US-Flotte um zwölf Kriegsschiffe erweitert. Als die japanische Presse 1907 den USA mit militanter Rhetorik entgegentrat, sandte Roosevelt die amerikanische Flotte in weißem Anstrich um die Welt, um so ihre friedliche Absicht zu demonstrieren – zugleich aber auch Amerikas Fähigkeit, seine Marine weltweit zum Einsatz zu bringen.
Republikaner zwischen konservativem und progressivem Flügel
Als Roosevelts zweite Amtszeit zu Ende ging, unterstützte er William Howard Taft als seinen Nachfolger und begab sich anschließend auf Großwildjagd nach Afrika. Taft, der Sohn einer prominenten republikanischen Familie in Ohio, hatte sein Studium an der Yale University mit Auszeichnung beendet und diente unter der Harrison-Regierung, bevor er Bundesrichter wurde. McKinley ernannte ihn 1900 zum ersten Gouverneur der Philippinen, unter Roosevelt wurde er 1904 zum Kriegsminister. 1908 wurde Taft zum Präsidenten gewählt. In der noch immer zwischen konservativem und progressivem Flügel zerrissenen Republikanischen Partei fand er sich mehr und mehr im konservativen Lager wieder; Roosevelt indes fand bei der Rückkehr von seinen Reisen die Progressiven in Unordnung vor.
Im Februar 1912 kündigte Roosevelt an, bei der Präsidentschaftsnominierung der Republikaner gegen Taft anzutreten. Von den zwölf Staaten, in denen die Delegierten des Parteitags durch direkte Vorwahlen bestimmt wurden, gewann Roosevelt neun, Taft nur einen. Doch Taft kontrollierte den Parteiapparat, und andere Staaten wählten meist seine Anhänger zu Parteitagsdelegierten. Er wurde im ersten Wahlgang erneut nominiert – mit einem Programm, das sich gegen "besondere Privilegien und Monopole" wendete, weiterhin Schutzzölle befürwortete und sich für neue Marineschiffe aussprach, ansonsten aber nicht mehr zu globalen Fragen enthielt.
Roosevelts Anhänger beschuldigten Taft, er habe die Nominierung erschwindelt und gründeten die Progressive Party. Jane Addams unterstützte Roosevelts Nominierung; sie war die erste Frau, der eine so prominente Rolle bei einem Parteitag zuteil wurde, und wohl die bekannteste Frau Amerikas – zu einer Zeit, als Frauen und Frauenorganisationen sich immer häufiger in öffentlichen Angelegenheiten zu Wort meldeten. Als Tochter einer reichen Familie aus Illinois hatte sie eine Zeit lang das Leben einer wohlhabenden jungen Frau geführt; doch inspiriert durch idealistische Universitätsabsolventen in London – die in der Toynbee Hall, dem ersten settlement house, Nachbarschaftshilfe in Londons Armenvierteln leisteten – gründete sie 1889 zusammen mit ihrer Kommilitonin Ellen Gates Starr in einem Arbeiter- und Immigrantenviertel in Chicago das Hull House. Dort lebten sie zusammen mit wechselnden Unterstützern, meist jungen, idealistischen Collegeabsolventinnen, und boten verschiedene Dienste wie Kinderbetreuung oder Bildungsprogramme für Erwachsene an. Vom Gesetzgeber forderten die Hull-House-Aktivistinnen Gesundheits- und Sicherheitsregeln für Arbeiter, die Abschaffung der Kinderarbeit sowie weitere Reformen. Die Nachbarschaftszentren verbreiteten sich, und der Name Jane Addams wurde in der Folge zum Synonym einer Bewegung für soziale Reformen. Ein Historiker bezeichnete die settlement houses gar als "Speerspitze für Reformen".
Addams sah die neue Progressive Party als Teil einer weltweiten Bewegung für soziale Gerechtigkeit. Unter der Überschrift "Soziale und industrielle Gerechtigkeit" verfassten sie und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter einen Abschnitt des Parteiprogramms, in dem sie – teilweise unter Berufung auf europäische Modelle – eine Sozialversicherung "gegen die Risiken durch Krankheit, Gelegenheitsarbeiten und Alter" propagierten. Das Programm forderte zudem Sicherheits- und Gesundheitsstandards in der Industrie, das Verbot von Kinderarbeit, Mindestlöhne für Frauen, eine Sechstagewoche, Gewerkschaften, das Frauenwahlrecht, eine staatliche Gesundheitsfürsorge, Einkommen- und Erbschaftsteuern sowie "strenge bundesweite Regeln für in mehreren Staaten tätige Unternehmen".
Zu globalen Fragen sagte das Parteiprogramm der Progressiven indes kaum etwas, abgesehen von der Klage über "das Fortbestehen der barbarischen Kriegsführung zwischen Ländern in unserer Zivilisation – mit einer enormen Verschwendung von Ressourcen selbst in Friedenszeiten und der daraus resultierenden Verelendung der arbeitenden Massen". Während das Programm "gerichtliche und andere friedliche Mittel zur Lösung internationaler Differenzen" propagierte und "internationale Abkommen zur Begrenzung von Marinestreitkräften" befürwortete, offenbarte es zugleich Roosevelts Einfluss, indem es den Bau von jährlich zwei weiteren Kriegsschiffen zusicherte.
Wilsons Weg zur Präsidentschaft
So wie sich die Republikaner unter Taft in einen konservativen und einen progressiven Flügel gespalten hatten, standen auch die Demokraten vor Zerreißproben. Eine ihrer Hochburgen lag im Süden; dort stand die Partei für die Vorherrschaft der Weißen. Immigrantengruppen, die moralische Reformen wie etwa ein Verbot alkoholischer Getränke ablehnten, bildeten eine weitere Basis. Zudem stützten sich die Demokraten auf die politischen Apparate in den Großstädten des Nordens, deren Macht aus ihrer Unterstützung in armen Arbeiter- und Immigrantenvierteln resultierte. Im Westen umfasste die Demokratische Partei auch Reste der Populisten-Bewegung der 1890er Jahre. So sehr die Hoffnung auf einen Sieg sie einte, so zerrissen waren die Parteitagsdelegierten zwischen verschiedenen Kandidaten, von denen keiner eine Mehrheit, geschweige denn die erforderliche Zweidrittelmehrheit hinter sich hatte. Als die New Yorker Delegation für Champ Clark aus Missouri stimmte, veranlasste dies den dreifachen Präsidentschaftskandidaten und wohl populärsten Demokraten bei Lokalpolitikern, William Jennings Bryan, zu einem wahlentscheidenden Entschluss – nämlich dazu, Woodrow Wilson zu unterstützen, da er meinte, die New Yorker Delegation werde von der Wall Street kontrolliert.
Bryan verfasste zu großen Teilen das Parteiprogramm, das die Zerschlagung der Monopole und anderer Großunternehmen forderte, das Recht der Arbeiter auf Gewerkschaftsbildung unterstützte und für die Unabhängigkeit der Philippinen eintrat. Mit all diesen Themen war Bryan vertraut; bereits als demokratischer Präsidentschaftskandidat in den Jahren 1896, 1900 und 1908 hatte er sich als Verfechter strenger wirtschaftlicher Regulierung durch Bundesgesetze zugunsten der Farmer und Arbeiter sowie als Gegner imperialistischer Ambitionen hervorgetan.
Woodrow Wilson, der demokratische Präsidentschaftskandidat, war dagegen erst spät in die Politik eingetreten. Im Süden geboren und aufgewachsen, war er geprägt von Erinnerungen an den Bürgerkrieg und die anschließende Reconstruction. Er hatte ein Studium an der Princeton University absolviert, anschließend an der Johns Hopkins Universität in Baltimore promoviert und war 1902 Präsident der Fakultät in Princeton geworden. Seine Schriften und öffentlichen Vorträge waren konservativ geprägt, was die demokratischen Bosse alter Schule in New Jersey dazu veranlasste, ihn 1910 als Gouverneur zu nominieren. Einmal im Amt, überraschte er sie indes mit progressiven Reformen.
Im Wahlkampf des Jahres 1912 erhielten Wilson und Roosevelt die größte Aufmerksamkeit. Beide kritisierten die Monopole und die mächtigen Wirtschaftsinteressen; Roosevelt befürwortete Regulierung, während Wilson die Monopole zerschlagen und den Wettbewerb wieder herstellen wollte. Eugene Debs, der Kandidat der Sozialisten, machte sich für die Verstaatlichung großer Unternehmen und für einen Schutz der Arbeiter stark. Taft führte einen glanzlosen Wahlkampf. Die Weltpolitik spielte bei keinem Kandidaten eine große Rolle. W.E.B. Du Bois, ein prominenter Afroamerikaner, unterstützte aus Enttäuschung über Roosevelt und Taft den Demokraten Wilson, einige weitere afroamerikanische Politiker folgten ihm darin. In Milwaukee wurde Roosevelt angeschossen; sein Brillenetui und ein zusammengefaltetes Redemanuskript dämpften den Schuss jedoch ab, und so verwundete die Kugel nur eine Rippe. Am Wahltag erhielt Wilson beinahe alle erwarteten demokratischen Stimmen, 42 Prozent der gesamten Wählerstimmen. Roosevelt und Taft teilten sich den erwarteten Stimmenanteil der Republikaner, Roosevelt erhielt 27, Taft 23 Prozent. Debs erhielt sechs Prozent.
1913
Wilsons Regierungsbildung verfolgten die Amerikaner mit großem Interesse; Ablenkung bot Mitte Februar 1913 jedoch eine Kunstausstellung in der National Guard Armory in New York. Die sogenannte Armory Show präsentierte moderne Werke europäischer Maler, darunter Picasso, Matisse, Duchamp und Kandinsky. Die meisten Kritiker und Rezensenten sahen die Künstler als geisteskrank oder anarchistisch an; einer von ihnen verglich ein kubistisches Gemälde gar mit der "Explosion in einer Schindelfabrik".
Bryan wurde Wilsons Außenminister; beide waren außenpolitisch eher unerfahren. So konzentrierte sich der Präsident 1913 vor allem auf innenpolitische Fragen. Der Kongress verfügte die erste Einkommensteuer seit 1894 und senkte die Zolltarife beträchtlich. Bei der Entwicklung der Notenbank, des Federal Reserve Systems, arbeiteten Wilson und Bryan eng mit dem Kongress zusammen. Die Enttäuschung und den Ärger von Du Bois und anderen Führern der Afroamerikaner zog die Regierung auf sich, als viele ihrer Bevollmächtigten vor allem im Süden begannen, in Bundeseinrichtungen die Rassentrennung einzuführen und Afroamerikaner auch in anderer Weise zu diskriminieren.
Eine wesentliche Ablenkung von innenpolitischen Angelegenheiten kam 1913 vonseiten Mexikos. Im Februar stürzten konservative Kräfte und Armeeoffiziere den reformorientierten Präsidenten Francisco Madero und richteten ihn hin. Wilson verweigerte dem neuen, als undemokratisch angesehenen Regime die diplomatische Anerkennung und erklärte: "I am going to teach the South American republics to elect good men."
Mit seinem Amtsantritt als Außenminister hatte Bryan allerdings angedeutet, dass er Konflikte mit anderen Ländern nicht kriegerisch, sondern durch Vereinbarungen beilegen wolle. Bryan und Wilson waren beide gläubige Presbyterianer und standen mit ihrer Erwartung an die Länder, Alternativen zum Krieg zu finden, nicht allein. Die meisten Amerikaner teilten wohl ohnehin Roosevelts Ansicht, dass Kriege immer unwahrscheinlicher würden: "Da die Nationen immer zivilisierter werden, haben wir jeden Grund, nicht nur zu hoffen, sondern zu glauben, dass (Kriege) immer seltener werden."
Andrew Carnegie – der Stahlmagnat, der seinen Ruhestand mit der Verteilung seiner Millionen verbrachte – hatte 1910 die Carnegie-Stiftung für internationalen Frieden ins Leben gerufen. Er glaubte daran, dass internationale Gesetze und mächtige internationale Organisationen Kriege aus der Welt schaffen könnten, und verpflichtete die Stiftungstreuhänder, "die Abschaffung internationaler Kriege – des übelsten Schandflecks unserer Zivilisation – voranzutreiben".
Abweichende Perspektiven auf den Weltfrieden boten indes Jane Addams und der Präsident der Stanford University, David Starr Jordan, an: Addams betonte, Frieden sei nur zu erzielen, wenn "der Mensch darauf verzichtete, Gewinn aus Unterdrückung zu erzielen und sich der Sache der Armen annähme" – sodass "Frieden nicht länger die Abwesenheit von Krieg bedeuten würde, sondern die Entfaltung weltweiter Prozesse, welche die Entwicklung menschlichen Lebens begünstigen".
Getragen von solch einem Optimismus über eine Verbannung des Kriegs trieb Bryan seine Pläne für weltweite Schlichtungsverträge voran. Seinem Vertragsentwurf stimmte zunächst Wilson, später auch der Senats-ausschuss für Auslandsbeziehungen zu. Am 24. April 1913 veröffentlichte das Außenministerium der Vereinigten Staaten "Präsident Wilsons Friedensangebot" an alle 40 Nationen, mit denen die USA diplomatische Beziehungen unterhielten. Jedes der Länder wurde eingeladen, einen Vertrag mit den USA einzugehen, in dem beide Seiten vereinbarten, für den Fall, dass Konflikte nicht auf diplomatischem Wege gelöst werden konnten, für eine bestimmte Zeit (eine "Abkühlungsphase") – in der eine internationale Kommission die Lage untersuchen und eine Empfehlung aussprechen sollte – auf einen Krieg zu verzichten. Insgesamt 30 Länder unterzeichneten einen solchen Vertrag, 22 davon wurden ratifiziert.
Besonders stolz zeigte sich Bryan, als an einem Tag Großbritannien, Frankreich, Spanien und China unterschrieben – diese Länder machten mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung aus. Es war der 15. September 1914 – sechs Wochen nach den Eröffnungssalven des Ersten Weltkriegs.