Mit der Erhebung von Steuern werden Einnahmen generiert, die es dem Staat erlauben, rechtlich gesetzte oder politisch gewollte Aufgaben zu finanzieren. Vor allem letztere fördert der Staat auch über die Ausgestaltung der Besteuerung selbst. Ein Beispiel sind die als Ökosteuer bekannt gewordenen Maßnahmen wie die Besteuerung des Strom- und Mineralölverbrauchs sowie Steuerverschonungen für regenerative Energiearten. Die Besteuerung des Energieverbrauchs soll Anreize für einen sparsamen Umgang mit Ressourcen setzen, die steuerlichen Entlastungen die Nutzung umweltfreundlicher Formen der Energiegewinnung fördern.
Auch die Alterssicherung gehört zu den Zwecken, die steuerlich gefördert werden.
Beide Regelungen sind Beispiele für die oft ungerechten, da ungleichen finanziellen Auswirkungen von Steuersubventionen. Sie zeigen zudem sehr deutlich, dass eine Förderung der Alterssicherung, die ihr Ziel tatsächlich erreichen soll, unterschiedlichen Einkommens- und Erwerbsverhältnissen gerecht werden muss. Vor allem zwischen Frauen und Männern bestehen erhebliche Unterschiede in Bezug auf Einkommen, Erwerbs- und Arbeitsmarktstrukturen. Auf die Relevanz einer geschlechtersensiblen Perspektive weist auch die Europäische Kommission hin: Sollen die im Vergleich zu Männern bereits jetzt geringeren Möglichkeiten von Frauen, privat vorzusorgen, nicht noch weiter verringert werden, müssen Gleichstellungsaspekte thematisiert werden.
Private Altersvorsorge mit der "Riester-Rente"
Die "Riester-Rente" soll Anreize für den Abschluss einer privaten kapitalgedeckten Altersvorsorge setzen und gilt als Instrument zugunsten von Geringverdienenden und Frauen. Tatsächlich haben in den vergangenen Jahren mehr Frauen als Männer einen "Riester-Vertrag" abgeschlossen.
Die Bewertung anhand von Förderquoten genügt jedoch nicht, weil damit die absolute Höhe der finanziellen Förderung aus dem Blick gerät. Die "Riester-Rente" besteht nämlich nicht nur aus der Zulagenförderung. Die in einen "Riester-Vertrag" eingezahlten Beiträge können zusätzlich als Sonderausgaben steuerlich abgesetzt werden, seit 2008 bis zu einem Betrag von 2100 Euro.
Einkommensabhängige Steuervergünstigungen
. Steuervergünstigungen wirken einkommensabhängig. Zum einen nützen Steuervergünstigungen generell immer nur denjenigen, die steuerpflichtig sind und ein Einkommen erwirtschaften, das über grundlegende Freibeträge wie beispielsweise den steuerfreien Grundfreibetrag von 8.004 Euro hinausgeht. Infolgedessen sind Steuervergünstigungen für Geringverdienende meist uninteressant. Zum anderen gilt: Je höher die absetzbaren Beträge sind, desto höher ist die Steuerersparnis. Die als Sonderausgaben absetzbaren Eigenbeiträge der "Riester-Rente" steigen mit der Höhe des Bruttoeinkommens. Somit wächst die steuerliche Entlastung mit dem Einkommen. Bis zu 2.100 Euro können zusätzlich auch diejenigen Eigenbeiträge geltend gemacht werden, die vier Prozent des Bruttoeinkommens überschreiten.
Der Umfang der steuerlichen Entlastung hängt außerdem nicht nur von der Beitragshöhe, sondern auch von der Art des Absetzbetrags ab. In Deutschland wird Einkommen – mit Ausnahme von Kapitaleinkünften – progressiv besteuert. Bei einem progressiven Steuertarif wächst mit der Höhe des zu versteuernden Einkommens der Anteil, der als Steuer an den Staat abzuführen ist. Jeder verdiente Euro wird also ein wenig mehr besteuert als der Euro zuvor. Umgekehrt folgt daraus: Selbst bei gleich hohen steuerlich absetzbaren Aufwendungen, die wie der Sonderausgabenabzug das zu versteuernde Einkommen mindern, führen diese bei hohen Einkommen zu größeren Ersparnissen als in niedrigen Einkommensgruppen. Dieser Effekt wird oft als zwangsläufiger Reflex der Progression bezeichnet. Die mit dem Einkommen steigende Entlastung ließe sich jedoch vermeiden, wenn Steuervergünstigungen progressionsunabhängig als pauschaler Abzug von der Steuerschuld absetzbar wären oder sogar als Transferleistung vergeben würden.
Auswertungen der Einkommensteuerstatistik belegen: Verdienen Frauen ähnlich viel wie Männer, machen sie annähernd gleich hohe Eigenbeiträge geltend. Im Durchschnitt verdienen Frauen jedoch weniger und profitieren infolgedessen zwar öfter von der Zulagenförderung, aber seltener und in geringerem Umfang von der steuerlichen Förderung.
Die Bezüge aus "Riester-Renten" müssen als Einkünfte versteuert werden, soweit die Aufwendungen in der Ansparphase gefördert wurden ("nachgelagerte Besteuerung"). Aufgrund des progressiven Steuertarifs dürfte der Steuersatz für diejenigen, die in der Ansparphase besonders von der steuerlichen Absetzbarkeit der Altersvorsorgebeiträge profitieren, in der Regel zwar höher sein als bei den "nur" Zulagegeförderten. Doch andererseits führt die Besteuerung der Ersparnisse bei der Auszahlung im Vergleich zur Besteuerung beim Ansparen zu einer geringeren Steuerbelastung, weil das Einkommen in der Nacherwerbsphase oft geringer ist. Außerdem werden die Zinsen und Zinseszinsen, die auf das angesparte Kapital entfallen, ebenfalls erst bei der Auszahlung besteuert. Das angesparte Kapital wird somit anders als bei regulären Ersparnissen nicht durch die Besteuerung der Zinserträge geschmälert. Die unversteuerte Ersparnisbildung lohnt sich also vor allem bei hohen Einzahlungen.
Zweck nur eingeschränkt verwirklicht.
Trotz der je nach Einkommenshöhe sehr unterschiedlich ausfallenden Förderung hat die Zahl der "Riester-Sparenden" in den vergangenen Jahren erheblich zugenommen.
Bislang liegen nur wenige Daten zu den Auswirkungen der Rentenreform auf die künftig zu erwartenden Alterseinkünfte vor. Die Wirkungen werden zwar anhand von Modellrechnungen evaluiert.
Damit wird auf unzutreffende normative Annahmen einer Standardrente Bezug genommen, eine Anforderung, die zunehmend weniger Männer, aber vor allem Frauen nicht erfüllen. Darüber hinaus gehen die Modelle davon aus, dass die Steuerentlastungen, die sich aus der Freistellung der Rentenversicherungsbeiträge ergeben, in eine zusätzliche Altersvorsorge investiert werden. Ebenso wie beim Sonderausgabenabzug hängt die Höhe der Entlastung aber vom Einkommen ab und nützt Geringverdienenden wenig.
Die Ergebnisse der Studie "Altersvorsorge in Deutschland" (2005) lassen vermuten, dass unter anderem die Alterseinkünfte von Frauen und Männern, die Anspruch auf die "Riester-Rente" haben, künftig noch stärker auseinanderfallen werden.
Betriebliche Altersversorgung über die "Eichel-Rente"
Während die "Riester-Rente" auf den Abschluss privater Altersvorsorgeformen zielt, soll die "Eichel-Rente" den Aufbau einer betrieblichen Altersversorgung unterstützen. Die betriebliche Alterssicherung wird über eine Anzahl verschiedener Steuervergünstigungen gefördert, die nach Art der Versorgungseinrichtung variieren. Die "Eichel-Rente" betrifft die Altersversorgung über Pensionsfonds und Pensionskassen, die nicht vom Arbeitgeber, sondern von externen Trägern vorgehalten werden. Seit 2005 ist zudem eine Direktversicherung förderfähig.
Die "Eichel-Rente" erlaubt es Beschäftigten, selbstfinanzierte oder arbeitgeberfinanzierte Beiträge, die eigentlich als Einkommen zu versteuern sind, steuerfrei in eine betriebliche Altersversorgung einzuzahlen – derzeit bis zu 2784 Euro jährlich. Dieser Betrag erhöht sich bei Versorgungszusagen, die ab 2005 geschlossen wurden, um 1800 Euro. Für die Steuerfreistellung kommt es nicht darauf an, ob die Beiträge für eine betriebliche Alterssicherung durch die Beschäftigten selbst (Entgeltumwandlung) oder durch den Arbeitgeber erbracht werden.
Faktische Zugangsbeschränkungen.
Grundsätzlich steht es allen Beschäftigten frei, Altersvorsorgebeiträge bis zu knapp 4600 Euro jährlich einzuzahlen und die damit einhergehende Steuerentlastung von über 2000 Euro auszuschöpfen. Dieser rechtliche Anspruch scheitert jedoch, wenn es an einer betrieblichen Altersversorgung fehlt. Die Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung variiert derzeit erheblich nach Wirtschaftszweig und Betriebsgröße. Gerade in weiblich dominierten Beschäftigungsfeldern wie beispielsweise im Gesundheits- und Sozialbereich gibt es häufig weder Pensionsfonds noch Pensionskassen. Ein ähnliches Bild zeigt sich für kleine Betriebe bis zu fünf Angestellten, in denen überproportional Frauen beschäftigt sind.
Hinzu kommt, dass nur diejenigen die "Eichel-Rente" in vollem Umfang nutzen können, die über entsprechende finanzielle Ressourcen verfügen beziehungsweise in Bereichen arbeiten, in denen der Arbeitgeber zur Altersvorsorge beiträgt. Infolgedessen schöpfen weibliche Beschäftigte die Steuerfreistellung seltener aus als männliche Beschäftigte: weil sie durchschnittlich weniger verdienen und damit weniger Geld für eine Alterssicherung aufwenden können sowie aufgrund der Arbeit in Branchen, in denen arbeitgeberfinanzierte Beiträge fehlen, nur sehr gering ausfallen oder der Höhe nach an Einkommen und Arbeitszeit anknüpfen.
Eingeschränkte Wirksamkeit durch unzureichende Durchsetzungsmechanismen.
Die "Eichel-Rente" wurde ebenfalls im Rahmen der Rentenreform eingeführt, ist aber nicht als Kompensation der Rentenlücke, sondern als flankierende steuerliche Maßnahme gedacht, die den Ausbau der betrieblichen Altersversorgung unterstützen soll.
Gerade in weiblich dominierten Betrieben und Branchen genügen steuerliche Anreize nicht. Es fehlt an wirkungsvollen Mechanismen, die es den Beschäftigten erleichtern, die Einrichtung einer betrieblichen Altersversorgung durchzusetzen – wie etwa Gewerkschaften oder Tarifverträge. In kleinen Betrieben mit weniger als fünf Beschäftigten gibt es in der Regel noch nicht einmal einen Betriebsrat.
Mit dem Rechtsanspruch auf die Umwandlung des eigenen Lohns in Altersvorsorgebeiträge oder mit der seit 2005 bestehenden Möglichkeit, vom Arbeitgeber den Abschluss einer Direktversicherung einzufordern, sind zwar Instrumente geschaffen worden, um die Positionen der Beschäftigten zu stärken. Dennoch ist es fraglich, ob diese individuellen Ansprüche genügen, um auch in den Branchen und Betrieben eine Altersversorgung aufzubauen, in denen es an kollektiven Durchsetzungsinstrumenten fehlt. Zudem geht es bei der "Eichel-Rente" um externe Versicherungsträger, die eigene wirtschaftliche Interessen verfolgen. Bei geringfügig Beschäftigten läuft der Anspruch auf Entgeltumwandlung ohnehin leer, weil dieser nur für sozialversicherungspflichtig Beschäftigte gilt.
Steuern als Steuerungsinstrument?
Die Beispiele zeigen, dass staatliche Ziele über steuerliche Anreizmechanismen verfolgt werden können. Allerdings erreicht diese Form der Förderung in der Regel nur steuerpflichtige Personen und hängt von der Höhe des Einkommens ab. Ausgleichszulagen wie bei der "Riester-Rente" sind im Einkommensteuerrecht selten, und selbst die "Riester-Zulage" fällt erheblich geringer aus als die steuerliche Entlastung aus dem Sonderausgabenabzug.
Der Kritik an Steuervergünstigungen, von denen Gutverdienende besonders profitieren, wird oft entgegengehalten: Wer viel Steuern zahlt, darf viel Steuern sparen. Diese Argumentation verkennt jedoch den Charakter von Steuersubventionen als indirekte Ausgaben. Würden die durch Steuervergünstigungen verlorenen Steuereinnahmen als direkte Leistung vergeben, wäre es schwieriger zu vermitteln, warum Gutverdienende mehr Geld für eine Altersvorsorge erhalten als Geringverdienende, zumal es gerade bei letzteren an einer ausreichenden Alterssicherung fehlt. Steuervergünstigungen weichen vom Prinzip einer gleichmäßigen Verteilung der Steuerbelastung ab. Diese Ausnahme muss – ebenso wie bei direkten Subventionen – durch den mit der Vergünstigung verfolgten Zweck gerechtfertigt sein.
Bei der "Riester-Rente" ließe sich zwar argumentieren, dass die Rentenlücke in hohen Einkommensgruppen größer ist als in niedrigen Einkommensgruppen. Die staatliche Förderung soll jedoch nur Anreize setzen, Eigenbeiträge einzuzahlen, und erst diese gleichen die Rentenlücke aus. Insofern stellt sich die Frage, ob dieser Zweck auch einkommensunabhängig erreicht werden kann, beispielsweise allein über eine Zulagenförderung.
Ein weiteres Problem von Steuervergünstigungen sind die bedingt durch Einkommens- und Erwerbsunterschiede sehr unterschiedlichen Auswirkungen für Frauen und Männer. Dagegen wird gern argumentiert: Das Steuerrecht an sich sei neutral, die Auswirkungen der Besteuerung reflektierten lediglich bereits bestehende Einkommens- oder Erwerbsdifferenzen. Die Besteuerung ist jedoch keineswegs geschlechtsneutral. Steuerrechtliche Normen bedienen in vielfältiger Weise ausgewählte Lebensrealitäten, die sehr viel öfter den traditionellen Lebensrealitäten von Männern entsprechen. Ein Grund dafür ist – ebenso wie bei direkten Fördermaßnahmen – der angestrebte Zweck. Mit der "Eichel-Rente" werden beispielsweise bereits deshalb mehr Männer erreicht, weil es um die betriebliche Alterssicherung geht und die Beschäftigtenquote von Frauen geringer ist. Ein zweiter Grund ist die Ausgestaltung von Steuervergünstigungen wie etwa progressionsabhängige Abzüge von der Bemessungsgrundlage oder Absetzbeträge, die Frauen einkommensbedingt seltener ausschöpfen. Steuervergünstigungen sind nur dann gute Steuerungsinstrumente, wenn sie geeignet sind, den angestrebten Zweck zu verwirklichen – und zwar unter Berücksichtigung differenzierter Lebensrealitäten.
Gerade im Steuerrecht sind im Vorfeld neuer Regelungen oft nur Prognosen zu deren Wirksamkeit möglich. Die Auswirkungen müssen daher regelmäßig evaluiert werden – nicht nur anhand von Förderquoten, sondern in Bezug auf Verteilungswirkungen und Wirksamkeit. Im Rahmen solcher Analysen finden sich oft (gleichstellungs-)gerechtere und wirksamere Alternativen. Die Förderung der betrieblichen Altersversorgung könnte beispielsweise mehr Beschäftigte erreichen, wenn es überbetriebliche Pensionskassen oder Pensionsfonds geben würde. Um ungerechte Verteilungseffekte zu vermeiden, kann zudem geprüft werden, ob Absetzbeträge tatsächlich so hoch sein müssen, dass etwa Frauen diese seltener ausschöpfen können. Nicht zuletzt ist immer zu überlegen, ob eine Förderung im Steuerrecht selbst der richtige Weg ist. Der Übergang von der gesetzlichen – zumindest teilweise über Steuereinnahmen bezuschusste Renten – zu einer steuerlich geförderten Altersvorsorge scheint eher zu stärkeren Ungleichheiten bei der Alterssicherung zu führen.