In Deutschland wird die öffentliche Diskussion zum Thema Altersarmut sehr emotional geführt, oftmals ohne genau zu sagen, was unter Altersarmut verstanden wird oder ohne zwischen dem heutigen Stand der Altersarmut und einer möglichen, in der Zukunft drohenden Zunahme der Altersarmut zu unterscheiden und den Nachweis anzuführen, dass Altersarmut tatsächlich zunehmen wird. Mittlerweile gibt es viele Vorschläge zur Bekämpfung von Altersarmut. Im Folgenden werden die gängigen Definitionen von Altersarmut aufgezeigt, die derzeitige Altersarmutssituation in Deutschland dargestellt, die Gründe für eine mögliche Zunahme der Altersarmut genannt und einige Politikvorschläge diskutiert. Nach einer ersten Definition ist Altersarmut gegeben, wenn eine Person nicht über genügend Geldmittel verfügt, um im Alter ihr Leben zu bestreiten. Altersarmut in diesem engen Sinne eines nicht existenzsichernden Einkommens kann es jedoch streng genommen in Deutschland nicht geben, da 2001 die Grundsicherung im Alter geschaffen wurde, die allen bei Bedürftigkeit ein existenzsicherndes Einkommen gewährt. Hilfebedürftige Ältere haben demnach einen Anspruch auf Unterstützung, wenn sie ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen bewältigen können, wobei der Anspruch auf Grundsicherung auch vom Einkommen und Vermögen des Partners abhängig ist. Der Bruttobedarf variiert stark mit dem Wohnort, im Durchschnitt liegt er für Personen im Alter ab 65 bei 698 Euro monatlich.
Nach einer zweiten Definition betrifft Altersarmut diejenigen Personen, die auf diese Grundsicherung im Alter angewiesen sind. Ende 2011 waren 2,58 Prozent der über 65-Jährigen (etwa 436.000 Personen) in diesem Sinne altersarm. Im Vergleich zum Vorjahr entspricht dies einer Zunahme von 5,9 Prozent. In Westdeutschland ist der Anteil der Empfänger von Grundsicherung im Alter mit 2,8 Prozent um ein Prozentpunkt höher als in Ostdeutschland. Es sind mehr Frauen (2,9 Prozent) als Männer (2,2 Prozent) betroffen. Am höchsten ist der Anteil in den Stadtstaaten Berlin (5,0), Bremen (5,3) und Hamburg (5,8).
Eine dritte Definition von Altersarmut verwendet den Begriff der relativen Armut. Als Referenzpunkt wird dabei der Median des Nettoeinkommens
Insgesamt kann derzeit also nach allen drei Definitionen kein im EU-weiten Vergleich besonders hervorragendes Altersarmutsproblem in Deutschland konstatiert werden. Das Armutsproblem Deutschlands ist eher in der Gruppe der jungen Menschen zu finden: 22,4 Prozent der 18- bis 25-Jährigen und 37,1 Prozent der Kinder alleinerziehender Eltern sind armutsgefährdet.
Mögliche Gründe einer zunehmenden Altersarmut
Allgemein steigt das Risiko der Altersarmut, wenn nicht genügend Rentenansprüche in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) oder im Rahmen anderer Altersvorsorgeformen erworben wurden. Die Gefahr der Altersarmut erhöht sich, wenn das Einkommen im Erwerbsleben gering ist oder gar kein eigenes Einkommen vorhanden ist. Entsprechend kann man zunächst folgende Gründe für Armut im Alter identifizieren.
Unterbrochene Erwerbsbiografien.
Wird die Erwerbstätigkeit beispielsweise durch Arbeitslosigkeit oder Kindererziehung unterbrochen, werden weniger oder keine Beiträge in die GRV einbezahlt. Das führt zu geringeren Rentenansprüchen und damit zu einer geringeren Altersrente. Da die vergangenen 25 Jahre in Deutschland durch eine hohe Arbeitslosigkeit geprägt waren, werden zukünftig in den Erwerbsbiografien der Neurentner längere Phasen der Arbeitslosigkeit enthalten sein als bei früheren Rentnergenerationen. Verschärft wird dieses Problem durch die Einführung von "Hartz IV", da die Rentenbeiträge für die Empfänger von Arbeitslosengeld II (ALG II) nach Maßgabe eines sehr geringen Einkommens entrichtet wurden und seit 2011 gar keine Beiträge mehr für ALG-II-Bezieher gezahlt werden.
Das Risiko der Altersarmut ist vor allem für
alleinerziehende Frauen
groß – trotz rentenerhöhender Berücksichtigung der Kindererziehung in der GRV von mittlerweile drei Entgeltpunkten pro Kind und "kindbezogener Höherbewertung von Pflichtbeitragszeiten". Ein gegenläufiger Effekt ergibt sich allerdings aus der in den vergangenen Jahren gestiegenen Erwerbsbeteiligung der Frauen. Sie führt zu einer besseren Einkommenssituation künftiger Rentnerhaushalte.
Zunahme der Anzahl der Geringverdiener (Ausbau des Niedriglohnsektors).
Die GRV ist grundsätzlich so organisiert, dass unterdurchschnittliche Einkommen in der Erwerbszeit auch unterdurchschnittliche Renteneinkommen zur Folge haben. In den vergangenen Jahren ist eine zunehmende Anzahl von Niedrigeinkommensbeziehern zu verzeichnen. Während 1995 noch rund 17 Prozent der Beschäftigten im Niedriglohnsektor arbeiteten, waren es 2010 rund 23 Prozent.
Neue Formen der Selbstständigkeit.
In den vergangenen Jahren hat die Anzahl der "Solo-Selbstständigen" (Selbstständige, die keine Mitarbeiter beschäftigen) stark zugenommen. Ihre Anzahl hat sich laut Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes seit 1993 von 1,4 Millionen auf 2,4 Millionen Personen erhöht. Die "Solo-Selbstständigen" sind in der Regel nicht rentenversicherungspflichtig und haben oftmals geringe Einkommen, die es nicht oder kaum erlauben, eine umfassende Altersvorsorge zu betreiben. Die Wahrscheinlichkeit, im Alter auf die Grundsicherung angewiesen zu sein, ist für diesen Personenkreis entsprechend groß. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass die Ausweitung des Niedriglohnsektors und der "Solo-Selbstständigkeit" auch dazu beitrugen, armutsfördernde Langzeitarbeitslosigkeit und Nichterwerbstätigkeit zu vermeiden.
Erwerbsminderung.
Eine volle (teilweise) Erwerbsminderungsrente der GRV wird dann ausgezahlt, wenn der Versicherte die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren erfüllt, in den letzten 60 Monaten vor Erwerbsminderung mindestens 36 Monate Pflichtbeiträge eingezahlt hat und dauerhaft weniger als drei (sechs) Stunden pro Tag arbeitsfähig ist. In den vergangenen Jahren ist ein Rückgang des durchschnittlichen Renteneintrittsalters in die Erwerbsminderungsrente zu beobachten. Zurückzuführen auf das Berechnungsverfahren der Erwerbsminderungsrente gehen damit sinkende Renten im Rentenzugang einher. Niedrige Erwerbsminderungsrenten sind deshalb problematisch, weil ihre Bezieher eingeschränkt sind, durch Arbeit ihre finanzielle Situation zu verbessern. Somit ist das (Alters-)Armutsrisiko bei den Erwerbsminderungsrentnern und -rentnerinnen besonders hoch.
Ein weiterer Grund für eine zunehmende Altersarmut wird von vielen in den
Rentenreformen
der Jahre 2001 ("Riester-Reform"), 2004 (Nachhaltigkeitsreform) und 2007 ("Rente mit 67") gesehen. So wurde ein Teil des staatlichen Zwangssystems durch ein zwar massiv gefördertes, aber auf Freiwilligkeit und Eigenverantwortung beruhendes privates System ersetzt: In der gesetzlichen Rente wurden der "Riester-Faktor" und der Nachhaltigkeitsfaktor eingeführt, die dafür sorgen, dass die Rentenanpassungen zukünftig im Vergleich zur Lohnentwicklung geringer ausfallen. Das Bruttorentenniveau (Bruttostandardrente im Verhältnis zum Durchschnittseinkommen) wird entsprechend bis 2030 von etwa 48 Prozent auf etwa 40 Prozent sinken. Die gesetzlichen Renten fallen damit um 16 Prozent niedriger aus als ohne diese Reformen. Diese entstehende Rentenlücke soll durch den Ausbau der privaten kapitalgedeckten Altersvorsorge ("Riester-Rente") geschlossen werden. Wird diese Eigenverantwortung jedoch nicht wahrgenommen, bleibt die Rentenlücke bestehen und die Gefahr der Altersarmut steigt. Untersuchungen zur Verbreitung der "Riester-Rente" zeigen, dass gerade unter Haushalten mit niedrigem Einkommen der Anteil der Haushalte mit "Riester-Rente" gering ist.
Die mangelnde Bereitschaft, einen "Riester-Vertrag" abzuschließen, kann unterschiedliche Gründe haben. Diese können in den Produkten selbst liegen, da sie oft schwer verständlich und ihre Kosten intransparent und hoch sind. Es kann an einer mangelnden Information über die Förderung, aber auch daran liegen, dass Bezieher von Niedrigeinkommen von den Finanzdienstleistern seltener "Riester-Renten" angeboten bekommen als Personen mit mittleren und hohen Einkommen. Ein anderer Grund könnte sein, dass sich die "Riester-Rente" für Geringverdiener (scheinbar) nicht lohnt, weil sie – genauso wie alle anderen Einkommen – bei der Grundsicherung im Alter eins zu eins angerechnet werden. Diejenigen Personen, die also schon wissen, dass sie mit ihrem Renteneinkommen weit unter dem Grundsicherungsniveau liegen werden, haben somit keinen Anreiz zum "Riester-Sparen", da ihr Gesamteinkommen nie höher als die ohnehin vom Staat garantierte Grundsicherung sein wird.
Auch die graduelle Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters auf 67 Jahre bis 2029 ("Rente mit 67") wird oft als ein Grund für eine zukünftige Zunahme der Altersarmut genannt. Argumentiert wird dabei, dass durch die Anhebung der Regelaltersgrenze die Abschläge höher und damit die Renten geringer ausfallen und deshalb die Gefahr der Altersarmut steigt. Diese Argumentation greift jedoch zu kurz, da sie das Ziel für die Anhebung des Rentenalters, nämlich eine Verlängerung der Erwerbszeit, völlig negiert. Die bei unveränderten Renteneintrittsverhalten drohenden höheren Abschläge sollen ja gerade den finanziellen Anreiz setzen, den Renteneintritt aufzuschieben und die Erwerbsphase zu verlängern. Die längere Lebensarbeitszeit führt zum Erwerb von höheren Rentenansprüchen, was die Versorgungssituation im Ruhestand verbessert. Mithin ist die "Rente mit 67" eher eine Maßnahme zur Vermeidung von Altersarmut.
Schließlich gibt es noch den
Sondereffekt hoher Ostrenten
. Die meisten derzeitigen Rentner in Ostdeutschland haben ihre Erwerbszeit in der DDR verbracht und deshalb durchgängige und sehr lange Erwerbsbiografien. Zudem wurden die Ostrentenansprüche im Zuge der Vereinigung großzügig berechnet. In dem Maße, wie dieser Sondereffekt wegfällt, weil Personen mit kürzeren oder keinen DDR-Erwerbszeiten in Rente gehen, werden auch die Altersarmutsquoten im Osten steigen.
Es gibt also Indizien, die auf eine Zunahme der Altersarmut in der Zukunft hinweisen. Wie stark diese Zunahme tatsächlich sein wird, kann man jedoch nicht mit Sicherheit sagen. Für eine Abschätzung der zukünftigen Altersarmut sind nicht nur Prognosen der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in der Zukunft notwendig, sondern neben Informationen über die Einkommen aus der gesetzlichen Rente auch Informationen über Einkommen aus anderen Quellen (wie "Riester-Rente", Lebensversicherungen, Betriebsrente, Vermietung und Verpachtung, Kapitaleinkommen) sowie über das Vermögen (wie Immobilien). Zudem reicht es nicht, die individuellen Einkommen zu betrachten, da Altersarmut auch von der Haushaltssituation abhängig ist, also vom Einkommen und der Vermögenssituation der jeweiligen Partner. Hier bedarf es zusätzlich Prognosen bezüglich der Haushaltsstruktur, aber auch der Einkommensstruktur. Insgesamt ist die Abschätzung zukünftiger Altersarmut schwierig. Entsprechend liegen wenige wissenschaftliche Studien vor;
Bedeutend ist auch, was heute hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung erwartet wird – denn die Erwartungen beeinflussen ökonomische Entscheidungen. Umfragen können helfen, die Meinungen, Einstellungen und Erwartungen in der Bevölkerung zu identifizieren. Direkt gefragt nach einer Einschätzung der Altersarmut in Deutschland in den nächsten 20 Jahren, geben etwa 86 Prozent der deutschen Haushalte an, mit einer Zunahme der Altersarmut zu rechnen. Fast 38 Prozent erwarten mit einer Wahrscheinlichkeit von 70 Prozent und mehr, in Zukunft auf Grundsicherungsleistungen angewiesen zu sein. Dies ist ein sehr hoher Anteil im Vergleich zu der jetzigen Situation, in der etwa 2,6 Prozent der über 65-Jährigen tatsächlich Grundsicherung im Alter beziehen.
Fehleinschätzung und Pessimismus sind deshalb problematisch, weil sie das Verhalten der Menschen beeinflussen. So könnte jemand zum Beispiel deshalb nicht oder wenig für das Alter vorsorgen, weil er fälschlicherweise erwartet, im Alter mit seinem Einkommen nicht über das Grundsicherungsniveau hinauszukommen. Für eine Person, die den Bezug der Grundsicherung erwartet, lohnt sich oft auch der Erwerb zusätzlicher Rentenansprüche durch eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung nicht, wenn die erwartete gesetzliche Rente weit unterhalb des Grundsicherungsniveaus liegt. Im schlimmsten Fall wirken Fehleinschätzung und Pessimismus also wie sich selbst erfüllende negative Erwartungen. Daher ist es wichtig, Fehleinschätzungen durch Informationen und Aufklärung über die Höhe und Bezugsregeln von Grundsicherung zu begegnen. Zudem gilt es, das Vertrauen in die gesamtwirtschaftliche Entwicklung im Allgemeinen und in das Rentensystem im Besonderen zu bewahren. Die aktuelle politische Diskussion um die Altersarmut wirkt jedoch in die entgegengesetzte Richtung. Politischer Handlungsbedarf ergibt sich somit nicht nur hinsichtlich der Vermeidung von Altersarmut, sondern auch bei der Vermeidung von Fehleinschätzungen und Pessimismus.
Vermeidung von Altersarmut
Grundsätzlich können politische Maßnahmen in kurative und präventive Maßnahmen unterschieden werden. Präventive Maßnahmen sind solche, die verhindern, dass Altersarmut überhaupt erst entsteht. Hier gilt es, am Bildungssystem, der allgemeinen Wirtschaftspolitik, der Integrationspolitik und der Arbeitsmarktpolitik anzusetzen. Das beste Mittel gegen Altersarmut ist die Erwerbstätigkeit. Die Wahrscheinlichkeit erwerbstätig zu sein, ist umso höher, je besser ausgebildet eine Person ist, je beschäftigungsfreundlicher der Arbeitsmarkt gestaltet und je besser das gesamtwirtschaftliche Umfeld ist. Erwerbstätigkeit führt dazu, dass Altersvorsorge in der GRV betrieben wird oder Mittel vorhanden sind, selbst für das Alter vorzusorgen. Deshalb ist jegliche Politik, die für einen hohen Beschäftigungsstand und eine hohe Erwerbsbeteiligung sorgt, auch Armutsvermeidungspolitik.
Insbesondere Bildung spielt eine entscheidende Rolle. Personen ohne Schulabschluss können in der Regel nur für niedrig bezahlte Arbeiten eingesetzt werden und haben ein weit höheres Arbeitslosigkeitsrisiko. Menschen, die heute ohne Abschluss die Schule verlassen, sind häufig die durch Altersarmut Gefährdeten von Übermorgen.
Das Einkommen kann auch durch die Erhöhung des Arbeitsvolumens eines Beschäftigten gesteigert werden. Dabei geht es nicht um eine Erhöhung der individuellen Wochenarbeitszeit, sondern um eine Ausweitung der Erwerbsphasen bezogen auf das gesamte Leben. Da insbesondere Frauen aufgrund der Kindererziehung unterbrochene Erwerbsbiografien aufweisen, sind sie besonders gefährdet, ein niedriges Alterseinkommen zu erzielen. Generell gilt es, die Frauenerwerbsquote und die Erwerbsquote von Müttern zu erhöhen. Maßnahmen wie beispielsweise die Einrichtung von mehr Krippenplätzen und Ganztagsschulen oder die Abschaffung des Ehegattensplittings können hier positiv wirken, da sie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf stärken und/oder mehr Anreize zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit setzen. Darüber hinaus ist es wichtig, die Erwerbsphase zu verlängern. Dies kann durch zwei verschiedene Maßnahmen, die an den "Rändern des Erwerbslebens" ansetzen, erreicht werden. Zum einen durch kürzere Ausbildungszeiten, die einen früheren Einstieg ins Erwerbsleben ermöglichen, und zum anderen durch eine höhere Erwerbsbeteiligung der Älteren. In beiden Handlungsfeldern spielt wieder die Bildungspolitik eine entscheidende Rolle: durch Optimierung der Schul-, Berufs- und Universitätsausbildung und Schaffen von Anreizen zur Weiterbildung älterer Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. Die längeren Beitragszeiten durch früheren Erwerbseintritt und späteren Erwerbsaustritt führen tendenziell zu höheren Renten und verringern das Risiko der Altersarmut.
In der derzeitigen politischen Diskussion um die Altersarmut geht es jedoch kaum um präventive Maßnahmen. Vielmehr gibt es mannigfache Vorschläge wie die Altersarmut kurativ bekämpft werden kann. Teilweise haben diese Vorschläge schon ihren Platz im "Rentenpaket" des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) gefunden.
Die meisten Vorschläge (wie Zuschussrente, Solidarrente, Garantierente oder Lebensleistungsrente) zielen darauf, niedrige Renten innerhalb des Rentensystems aufzuwerten. Ausgangspunkt ist der Befund, dass eine Person trotz langen Erwerbslebens im Niedriglohnsektor unter Umständen nur eine Rente in Höhe der Grundsicherung erhält, das heißt so viel wie eine Person, die nie ins Rentensystem eingezahlt hat. Diesem Gerechtigkeitsdefizit soll Rechnung getragen werden, indem unter bestimmten Bedingungen (wie eine Mindestanzahl von Beitragsjahren und zusätzliches "Riester-Sparen") niedrige gesetzliche Renten so angehoben werden, dass sie über dem Grundsicherungsniveau liegen. Die Vorschläge haben alle gemeinsam, dass sie im Bereich niedriger gesetzlicher Renten das "Äquivalenzprinzip" durchbrechen, nach dem es einen festen Zusammenhang zwischen der Höhe der im Erwerbsleben gezahlten Beiträge und der Rentenhöhe gibt – wie es im mittlerweile in dieser Form verworfenen Vorschlag der Zuschussrente der Fall war: So konnte dort ein Geringverdiener A, der sein ganzes Erwerbsleben in Vollzeit einer niedrig entlohnten Beschäftigung nachgegangen ist, die gleiche Rente erhalten wie ein Geringverdiener B, der die gleiche Beschäftigung als Halbtagstätigkeit ausgeübt hat; A hätte zwar doppelt so hohe Beiträge bezahlt, aber die gleiche Rente wie B erhalten. Dies widerspricht sicherlich gewissen Gerechtigkeitsvorstellungen. Letztlich verlagern Konzepte zur Rentenaufwertung das Gerechtigkeitsproblem von der Grundsicherung ins Rentensystem. Dort betrifft es bedeutend mehr Personen als bei der bedarfsgeprüften Grundsicherung im Alter. Zudem können die Vorschläge zur Aufwertung niedriger Renten auch negative Arbeitsanreize erzeugen: So hat Person B aus obigem Beispiel mit Blick auf die Rentenhöhe keinen Anreiz, die Arbeitszeit auszuweiten und Person A hat eher einen Anreiz die Arbeitszeit zu reduzieren, weil ihre Rente trotzdem gleich bleibt. Nach wie vor sind Konzepte zur Aufwertung von niedrigen gesetzlichen Renten innerhalb des Rentensystems Gegenstand der politischen Debatten wie beispielsweise die vom Koalitionsausschuss beschlossene Lebensleistungsrente. Ihre genaue Ausgestaltung ist indes unklar und damit auch die Frage, wie stark die skizzierten Ungleichbehandlungen und negativen Arbeitsanreize auftreten könnten.
Maßnahmen außerhalb des Rentensystems setzen bei der Grundsicherung an. Meist geht es darum, die Einkommensanrechnung zu lockern, also Freibeträge einzuführen (wie für die "Riester-Rente" oder für Hinzuverdienste). Dies hätte den Vorteil, dass sich das "Riester-Sparen" auch für Geringverdiener lohnen und es mehr Beschäftigungswillige im Alter geben würde. Vorschläge, die sich auf bestimmte Personengruppen beziehen, sind die Versicherungspflicht für bisher nicht obligatorisch abgesicherte Selbstständige und Leistungsverbesserungen für Erwerbsminderungsrentner.
Fazit
Die Altersarmut in Deutschland ist prozentual gesehen im EU-weiten Vergleich relativ gering. Ob und wie stark sie zunehmen wird, ist heute noch unklar. Für eine Zunahme sprechen die Ausweitung des Niedriglohnsektors, unterbrochene Erwerbsbiografien, eine geringe Verbreitung der "Riester-Rente" insbesondere unter Niedrigeinkommensbeziehern, die zunehmende Anzahl der "Solo-Selbstständigen" und der Wegfall des "Sondereffekts Ost". Dagegen sprechen die zunehmende Erwerbsbeteiligung von Frauen und Älteren sowie eine generell zunehmende Vorsorge auf privater Ebene und im Bereich der Betriebsrenten.
Es gibt zahlreiche Vorschläge zur Bekämpfung der Altersarmut. Prävention steht dabei nicht im Vordergrund – dies würde voraussetzen, am Arbeitsmarkt und vor allem am Bildungssystem anzusetzen. Vielmehr zielen die meisten Vorschläge darauf, kurativ die Alterseinkommen zu erhöhen. Diese Vorschläge sind teuer und erzeugen an anderer Stelle neue Probleme. Bestenfalls die Versicherungspflicht für nicht obligatorisch abgesicherte Selbstständige ist überlegenswert, genauso wie begrenzte Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente. Insgesamt sollten jedoch der generelle Blick verlagert und politische Maßnahmen ins Auge gefasst werden, die an der Ursache ansetzen und nicht an den Symptomen.