Politische Beredsamkeit ist die Fähigkeit, sich in politischen Diskursen mit Redebeiträgen erfolgreich, also überzeugend, einbringen zu können. Die Kriterien des rednerischen Erfolges wie auch das begriffliche Instrumentarium für die oratorische Praxis liefert die Rhetorik. Rhetorische Kenntnisse und Fähigkeiten sind dort überflüssig, wo es unbestrittene Kriterien des Wahren und Richtigen gibt, wo also Rechnen und Messen sowie logische Schlussverfahren offene Fragen zur Entscheidung bringen. Überall aber, wo der Gegenstand umstritten ist, wo es um Probleme der praktischen Vernunft geht, wo etwas, was nicht von vornherein feststeht, entschieden werden muss, wie etwa in der Politik, wo also Fragen des Glaubens und Meinens berührt sind, helfen nur rhetorische Überzeugungsmittel.
Die Rhetorik ist deshalb bedeutsam, weil politisches Handeln unlösbar mit sprachlichen Kommunikationsprozessen verbunden ist: Politik wird durch oder mit Sprache entworfen, vorbereitet und ausgelöst; sie wird von Sprache begleitet, beeinflusst und gesteuert, durch sie beschrieben, erläutert, motiviert, gerechtfertigt, verantwortet, kontrolliert, kritisiert sowie beurteilt und gegebenenfalls verurteilt. Politik geht zwar nicht in Sprache auf. Sie ist aber ein wichtiges Arbeitswerkzeug der Politikerinnen und Politiker. Sie ist das Element, in dem sich ihr Beruf vollzieht. Was sie auch tun: Stets arbeiten sie mit dem geschriebenen oder gehörten Wort, ihr Leben ist Lesen, Reden und Schreiben, ihre Arbeitstage bestehen aus Beratungen, Sitzungen, Debatten und öffentlichen Reden.
Sprache tritt im Politischen in Form der Rhetorik in Erscheinung, das heißt: Wenn im politischen Raum kommuniziert wird, dann ist diese Kommunikation von rhetorischen Momenten durchdrungen.
Wenn der Erfolg in der Politik weitgehend von Reden bestimmt wird, dann bedeutet dies für die Politiker, dass von ihnen Beredsamkeit verlangt wird. Zwar ist staatsmännische Größe auch ohne Beredsamkeit denkbar, aber zu allen Zeiten hatten Politiker Vorteile, wenn sie des Wortes mächtig waren. Gerade für die Demokratie gilt, dass sie ohne Redekunst verdorrt. Wie sollen Bürgerinnen und Bürger Interesse an politischen Themen gewinnen, wenn die Politiker nicht beredt sind? Deshalb ahmen Politiker, die Rhetorik verachten, weil sie sich ausschließlich als Spezialisten für bestimmte Politikfelder verstehen, lediglich die Denkmuster der Bürokratie nach.
Für Politiker gibt es in der Demokratie eine Fülle von Redegelegenheiten, die, abhängig vom gewählten Schwerpunkt, als Überzeugungs-, als Lob-, als Informations- oder als Gelegenheitsreden klassifiziert werden können. Ein genauer Blick zeigt, dass Politiker insgesamt acht politische Redeformen bewältigen müssen. Es sind dies die Kandidatenrede, die Wahlkampfrede, die Grundsatzrede, die Kundgebungsrede, die Debattenrede, die Orientierungsrede, der Fachvortrag und das Grußwort.
Müssen Bürger reden können?
Die Demokratie eröffnet ihren Bürgern eine Vielzahl von Partizipationsmöglichkeiten. Partizipation heißt generell, sich in der politischen Öffentlichkeit zu beteiligen und um die Durchsetzung eigener Positionen und Interessen zu streiten. Es gibt sogar Stimmen, die für eine Ausdehnung der Partizipation plädieren und in Konkurrenz zu den repräsentativen Institutionen eine Art "Bürgermacht" etablieren wollen. Es versteht sich, dass unter dieser Voraussetzung die Intensität kommunikativer Aktivitäten zunehmen wird. Denn Beteiligungsverfahren wie Zukunftswerkstätten, Planungszellen und Bürgerforen verlangen intensive Aushandlungsprozesse. Dies erfordert, mit anderen zu sprechen, in öffentlichen Debatten etwas zu klären und sich mit Standpunkten von Opponenten auseinanderzusetzen.
Man kann solchen Visionen mit Skepsis gegenüberstehen und auf die empirische Wirklichkeit verweisen, die keine Belege dafür liefert, dass sich alle Bürger dauerhaft begeistert politisch engagieren. Es spricht stattdessen viel für die Existenz verschiedener Bürgertypen. So gibt es politisch Desinteressierte, mehr oder minder passive Zuschauer sowie politische Interventions- und Aktivbürger. Nur die Vertreter der beiden letzten Bürgertypen sind partizipatorisch aktiv und geraten somit in Situationen, vor anderen aufzutreten und sich sprachlich artikulieren zu müssen.
In einer bekannten Didaktik der politischen Bildung heißt es hierzu, der Bürger solle befähigt werden, eigene Meinungen und Urteile in kontroversen Diskussionen sachlich zu vertreten, auch wenn er sich in der Minderheitsposition befinde. Er solle Argumente präzise formulieren und gezielte Redebeiträge vor größeren Gruppen leisten können. Ja, er solle sogar öffentliche politische Reden halten können.
Aus der Sicht der Bürger ist die Fähigkeit zum Diskutieren, Debattieren und Reden wichtig, weil sie so etwas wie eine kritische Mündigkeit etabliert. Derart Mündige sind nämlich in der Lage, die eigene Befindlichkeit zu artikulieren, Fragen zu stellen und Anliegen vorzutragen. Sie können weiterhin ihre eigene Auffassung in der kommunikativen Auseinandersetzung mit den Auffassungen anderer einsetzen. Sie können sich ferner mit Aussicht auf Erfolg in die Politik einmischen. Und sie lassen sich von den Reden anderer nicht mehr so leicht blenden und verführen. Denn die eigene Redefähigkeit vermag die demagogischen Wirkungsmöglichkeiten anderer zu mindern.
Aus der Sicht der Demokratie ist das Ensemble kommunikativer Fähigkeiten wichtig, weil sie von Menschen lebt, die bereit und in der Lage sind, ihre Meinung zu artikulieren und für eine Position einzutreten. Hierfür ist vor allem eine solide Redefähigkeit unerlässlich. Auch heute noch gilt, was im 19. Jahrhundert einmal gesagt wurde: "Ein Volk, das nicht reden kann, kann auch nicht handeln."
Es gibt noch ein weiteres Element der kommunikativen Handlungsfähigkeit, das leicht übersehen wird. Gemeint ist die Fähigkeit, politische Reden angemessen analysieren zu können und damit zu einem vertieften Verständnis dieser Reden zu gelangen.
Die Beredsamkeit der Bürger in der Demokratie setzt sich also aus vier Facetten zusammen: Diskutieren und Debattieren sowie Reden halten und Reden verstehen.
Politisch diskutieren und debattieren können
Eine Diskussion ist ein thematisch gebundenes, ansonsten offenes Gespräch zwischen zwei oder mehreren Diskutanten, das zumeist vor einem Publikum stattfindet. Teilnehmer einer politischen Diskussion sind in der Regel Vertreter unterschiedlicher Positionen. Daher ist der Diskussionsgegenstand fast immer umstritten. Der Diskutant muss daher damit rechnen, dass er auf Gegner treffen wird, welche die Geltungsansprüche seiner Position infrage stellen werden. Im Verlauf einer politischen Diskussion werden folglich Meinungsverschiedenheiten ausgetragen, was entsprechend zu einer durchweg angespannten Atmosphäre führt.
Diskutieren ist ein zielgerichtetes Handeln, dessen oberstes Ziel es ist, beim Publikum Zustimmung für die eigene Position zu finden. Zur Diskussionsfähigkeit gehört es, Diskussionstechniken im Sinne argumentativer Verfahrensweisen anwenden zu können. Dabei sind diejenigen Techniken anerkennungswürdig, die, obgleich auf den Gegner gerichtet, zu einer sachlichen Auseinandersetzung mit dem Kontrahenten führen. Unakzeptabel sind hingegen die Techniken, die eine angemessene Behandlung des Diskussionsgegenstandes verhindern oder gar die Integrität der anderen Diskussionsteilnehmer infrage stellen. Zur Illustrierung sollen drei annehmbare und drei unakzeptable Diskussionstechniken knapp skizziert werden.
Eine erste vertretbare Vorgehensweise ist das Bestreiten von Tatsachen. Die eine Seite bestreitet das Vorliegen von Sachverhalten, welche die andere Seite als Behauptung oder als Begründung für eine Behauptung anführt. Dies zwingt die Gegenseite, sich um Beweise für Dinge zu bemühen, die in ihren Augen völlig offenkundig sind.
Eine zweite angängige Technik bezieht sich auf den Streit um die zutreffende Ursache. Es geht hier um die Kausalität, also um Ursachen und Wirkungen eines Geschehens. Die Technik besteht darin, einen bestimmten ursächlichen Zusammenhang zu behaupten oder zu bestreiten. Die einwandfreie Klärung eines ursächlichen Zusammenhanges ist tatsächlich ein schwieriges Problem, so dass sich über Kausalitäten immer trefflich streiten lässt.
Ein statthaftes Verfahren sind auch Analogieschlüsse. Analogieschlüsse basieren auf der Ähnlichkeit von Sachverhalten. Analogieschlüsse werden von Diskutanten aufgestellt, die geltend machen wollen, dass gleiche – im Grunde nur ähnliche – Fälle gleich zu behandeln sind. Der Diskussionsgegner kann einen Analogieschluss mit der Behauptung angreifen, dass der Vergleich hinke, da die Unterschiede zwischen den Fällen größer seien als die Übereinstimmungen.
Ein problematischer Kunstgriff ist dagegen die Umkehrung der Beweislast. Sie besteht darin, die Beweispflicht auf die Gegenseite abzuwälzen. Diese soll beweisen, dass der Kontrahent nicht im Recht ist. Damit wird eine grundsätzliche Argumentationsregel außer Kraft gesetzt: Hiernach muss derjenige, der etwas behauptet, Tatsachen beibringen, die seine Behauptung zu stützen vermögen.
Nicht akzeptabel ist auch das Entstellen der gegnerischen Äußerung. Eine Äußerung der Gegenseite wird aufgegriffen, erweitert und in einer Weise vergröbert, dass sie angreifbar oder unsinnig erscheint. Ganz ähnlich verläuft der Mechanismus, wenn der Gegenseite negative Absichten unterstellt werden, obwohl von dieser überhaupt keine betreffenden Äußerungen vorliegen.
Abzulehnen ist auch das Persönlichwerden, die sogenannte Ad-personam-Technik. In diesem Fall wird nicht die gegnerische Sache angegriffen, sondern die Person, die sie vertritt. Persönliche Attacken können ein gutes Argument jedoch nie ersetzen.
Die Diskussionstechniken gelten im Wesentlichen auch für das Debattieren. Im Unterschied zur Diskussion bezieht sich die Debatte aber thematisch streng auf eine Entscheidungsfrage. Die Positionen der Debattanten sind von vornherein auf Zustimmung oder Ablehnung programmiert. Höchst selten gibt es vermittelnde Positionen. Es herrscht eine klare Kampfatmosphäre. In einem Schlagabtausch versucht jede Seite, die Überlegenheit ihrer Auffassung im Verhältnis zur anderen Sichtweise zu demonstrieren. Es gilt, den Gegner rhetorisch zu schlagen und in den Augen des Publikums als Sieger hervorzugehen.
Politische Reden halten können
Im Unterschied zu professionellen Politikern eröffnen sich den Bürgern nur relativ wenige Gelegenheiten, politische Reden zu halten. Am ehesten ergibt sich ein Anlass zu reden noch für Aktivbürger, mithin für Personen, die in Parteien organisiert sind und Mandate in kommunalen Vertretungskörperschaften wahrnehmen. Reden auf Parteitagen und in Ratssitzungen sind für diesen Personenkreis nichts Außergewöhnliches. Redegelegenheiten gibt es auch für diejenigen, die als Interventionsbürger agieren, die sich also bei einem sie berührenden politischen Thema veranlasst sehen, das Wort zu ergreifen. Dies kann organisationsintern innerhalb einer Bürgerinitiative oder einer zivilgesellschaftlichen Organisation geschehen. Zu Reden kann es aber auch in der Öffentlichkeit, etwa einer Einwohner- oder Bürgerversammlung oder einer Kundgebung, kommen.
Für die Bürger kommen in erster Linie die "kleinen Redeformen" in Betracht (kurze Reden in Versammlungen oder Diskussionsbeiträge in Veranstaltungen). Sobald sich aber ein Bürger für ein Amt in einer Organisation oder für ein öffentliches Mandat bewirbt, steht er vor der Situation, eine Kandidatenrede zu halten. In politisch bewegten Zeiten können Interventions- und Aktivbürger auch in die Lage kommen, Kundgebungsreden zu halten.
Wenn die Bürger in ihren Reden nicht scheitern wollen, sind sie gut beraten, die Erkenntnisse der Rhetorik zu beachten, die zu einem ganz erheblichen Teil aus der Antike stammen. Was neben Aristoteles vor allem Cicero, Quintilian und die von einem unbekannten Autor vor über 2000 Jahren verfasste "Rhetorik an Herennius" hinsichtlich der Grundlagen rhetorischer Kommunikation herausgestellt haben, kann großenteils auch für die Gegenwart Gültigkeit beanspruchen.
Weniger vorbildhaft für die Gegenwart sind die in der Antike entwickelten Redegattungen der politischen Beratungsrede, der Gerichtsrede und der Lob- und Tadelrede. Zu sehr haben sich die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse gewandelt, als dass man heute noch von einer ungeschmälerten Gültigkeit des antiken Gattungsschemas ausgehen könnte. Angesichts der Vielfalt von Redeanlässen ist es angemessener, Überzeugungsreden, Informationsreden, Lobreden und Gelegenheitsreden zu unterscheiden.
Reden einordnen können
Die Bürger können den Redeleistungen der professionellen Politiker nur gerecht werden, wenn sie sich die Bedingungen vor Augen führen, unter denen Politiker kommunikativ handeln. Die Politolinguistik hat hierzu viel Erhellendes beigetragen. Sie unterscheidet zunächst einmal drei politische Kommunikationsstile.
Die politische Arbeitskommunikation wird genutzt, wenn Politiker unter Ausschluss der Öffentlichkeit um die Lösung von Problemen ringen. Die Kommunikation ist streng sachbezogen. Es fehlen polemische Angriffe gegen den politischen Gegner. Die Öffentlichkeit nimmt diesen Kommunikationsstil kaum wahr, weil er hinter verschlossenen Türen praktiziert wird.
Die politische Darstellungskommunikation wird verwendet, wenn es darum geht, die Öffentlichkeit über einen politischen Gegenstand zu informieren. Sie zielt also auf öffentliche Wirkung ab. Ihr Kennzeichen ist, dass sie den Gebrauch der Fachterminologie vermeidet und die Komplexität des betreffenden Gegenstandes reduziert. Weiterhin ist sie nicht völlig ideologiefrei, da unter den Bedingungen einer Parteiendemokratie der Darstellende seine eigene politische Position ins rechte Licht zu rücken versucht.
Die politische Durchsetzungskommunikation ist auf den politischen Kampf optimiert. Wer diese Sprache benutzt, handelt nicht verständigungsorientiert, sondern strategisch: Er wendet ein Repertoire rhetorischer Mittel an, das den Zweck hat, der eigenen Position zum Sieg über die politischen Widersacher zu verhelfen. Das Repertoire reicht vom beschönigenden Euphemismus über die polemische Übertreibung und die bewusst eingesetzte Tabuverletzung bis hin zur rhetorischen Degradierung des Gegners. Anwendung findet dieser Kommunikationsstil im Wahlkampf, in parlamentarischen Debatten und in konfrontativ angelegten politischen Fernsehsendungen. Sie kommt in abgeschwächter Form zum Tragen, wenn Politiker in ihren Parteien um Ämter und Kandidaturen für Wahlmandate konkurrieren.
In politischen Reden, die der Logik der Durchsetzungskommunikation folgen, lässt sich der Einsatz bestimmter rhetorischer Mittel beobachten. Diese Mittel können drei übergeordneten Absichten zugeordnet werden, nämlich der Aufwertung der eigenen Position, der Abwertung der gegnerischen Position oder der Beschwichtigung des Publikums. Die Aufwertung hat den Zweck, die eigene Position in so günstigem Licht erscheinen zu lassen, dass die Adressaten ihr zustimmen "müssen". Die Abwertung hat den Zweck, die Position des Gegners in einem so schlechten Licht darzustellen, dass das Publikum sie grundlegend ablehnt. Die Beschwichtigung hat den Zweck, aufkommenden Unmut über die vom Redner vertretene Politik zu besänftigen und womöglich vorhandenes Misstrauen ihm oder seiner Partei gegenüber abzubauen.
Politiker sprechen unter vier Bedingungen, von deren Berücksichtigung der Erfolg ihrer Reden nicht unwesentlich abhängt. Die erste Bedingung ist die Mehrfachadressierung. Damit ist gemeint, dass im Zeitalter medialer Öffentlichkeit Äußerungen zwangsläufig an mehrere Adressaten gerichtet sind. Im Falle einer Rede richtet sich der Politiker explizit nur an die physisch Anwesenden. Diese bilden die interne Öffentlichkeit. Er richtet sich implizit aber auch an das über die Medien präsente Massenpublikum. Dieses bildet die externe Öffentlichkeit. Diese Situation stellt eine große Herausforderung dar, denn der Redner muss beachten, dass die interne Öffentlichkeit seinen Äußerungen eine andere Bedeutung zuschreiben kann als die externe Öffentlichkeit.
Die zweite, mit der Mehrfachadressierung zusammenhängende Bedingung besteht in der Heterogenität der Adressaten. Politiker müssen einen hohen Grad unterschiedlicher Einstellungen, Erwartungen und Kenntnisstände ihrer Adressaten in Rechnung stellen. Ferner müssen sie davon ausgehen, dass ihre Botschaften bei manchen Hoffnungen auslösen, während sie bei anderen zu Befürchtungen führen. Weil schließlich ganz verschiedene Gruppen – politisch interessierte Laien, sachverständige Interessenvertreter, kritische Journalisten – ihre Rede hören werden, stehen sie vor der zusätzlichen Herausforderung, den richtigen Ton zu finden.
Die dritte Bedingung ist ein Dilemma, das sich aus der Prozessualität von Politik ergibt: nämlich sich über einen Gegenstand äußern zu sollen, obwohl es hierfür noch zu früh ist. So erwartet die Öffentlichkeit häufig Auskunft zu Sachverhalten, über die der Meinungs- und Willensbildungsprozess innerhalb von Partei, Fraktion oder Regierung noch gar nicht abgeschlossen ist. Erwartet wird also die Bekanntgabe eines Resultates, das es noch gar nicht gibt. Angesichts dieser Situation ist es klug für Politiker, sich nicht allzu sehr festzulegen, sich also nur allgemein auszudrücken.
Die vierte Bedingung schließlich besteht in der Repräsentanz von Politikeräußerungen. In der Parteiendemokratie treten Politiker nicht als Individuen mit individuellen Meinungen auf. Vielmehr äußern sie sich als Repräsentanten einer Partei, einer Fraktion, der Regierung oder – im Falle des Staatsoberhauptes – des Staates. Das bedeutet, dass sie nicht wirklich frei sind in dem, was sie sagen. Sie müssen in ihren Reden Rücksicht nehmen auf die Sprachregelungen der Organisation oder Institution, in deren Namen sie sprechen.
Schluss
Das Wort "Rhetorik" hat einen unguten Klang, jedenfalls in der Umgangssprache. Rhetorik riecht nach Populismus, wenn nicht nach Demagogie. Hierzu passt, dass die Vorstellung der Schein- und Lügenkunst der Rhetorik weit verbreitet ist.
Die Rhetorik begleitet nun aber nicht nur generell die Politik, sie ist, wie Walter Jens es bildlich ausdrückte, darüber hinaus eine Tochter der Republik und untrennbar mit dem Schicksal der Demokratie verbunden.