In dem vorliegenden Beitrag möchte ich zentrale Thesen aus dem Forschungsprojekt "Warum werden manche Männer Väter, andere nicht? Bedingungen von Vaterschaft heute“ Zur Auflösung der Fußnote[1] mit Ergebnissen aus meinem Dissertationsprojekt Zur Auflösung der Fußnote[2] zum Thema Vater-Kind-Beziehungen miteinander verbinden. Das Ziel dabei ist, die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, unter denen Väterlichkeit Zur Auflösung der Fußnote[3] heute stattfindet, und die damit im Zusammenhang stehenden normativen Ansprüche an Männer als Väter zu umreißen.
Lange Zeit konzentrierte sich die sozialwissenschaftliche Forschung zu Familiengründung, zu Ursachen von Kinderlosigkeit und zu Fragen rund um den Kinderwunsch, aber auch zu familiären Beziehungen ausschließlich auf Frauen, sprich Mütter. Männer, beziehungsweise Väter, werden in diesen Zusammenhängen erst in den vergangenen Jahren untersucht. Zur Auflösung der Fußnote[4] Gleichwohl wird dabei oft Mutterschaft als Orientierungspunkt für Väterlichkeit genutzt, wodurch die tägliche und emotionale Praxis von Vätern weniger als etwas Eigenständiges, sondern vielmehr als eine Art Ko-Elternschaft betrachtet wird. Während Müttern eine "natürliche“ und damit umfassende Kompetenz zugeschrieben wird, die Bedürfnisse von Kindern erkennen und befriedigen zu können, werden Väter als defizitärer Mutterersatz betrachtet. Daran zeigt sich, dass diese Themenfelder nicht nur im Alltagsbewusstsein, sondern auch in der Wissenschaft primär in den Kontext von "Weiblichkeit“ gebracht und in diesem verstanden werden. Somit erscheint es mehr als angebracht, die Bedeutung von "Männlichkeit“ stärker in den Fokus zu nehmen und dabei die Familien- und die Geschlechterforschung möglichst miteinander zu verbinden. Denn während das Erkenntnisinteresse der Geschlechter- beziehungsweise Männlichkeitsforschung auf die Konstruktion von Männlichkeit sowie die Entwicklung einer männlichen Identität zielt, ist die Verknüpfung mit Väterlichkeit in diesem Forschungszweig noch wenig untersucht. Umgekehrt wird der Bedeutung von "Männlichkeit“ in der Familien- und Väterforschung bisher noch wenig Beachtung geschenkt.
Nicht zuletzt daran zeigt sich auch, dass Vaterschaft stets doppelt verschränkt ist: einerseits mit den vorherrschenden normativen Vorstellungen und Praxen von Mutterschaft, andererseits mit den Normen von Männlichkeit.
Zur Auflösung der Fußnote[5] Die Schwierigkeit besteht nun in der Unklarheit darüber, wie Männer eigentlich Väter sein sollen beziehungsweise was Väterlichkeit genau beinhaltet;
Zur Auflösung der Fußnote[6] hat sich doch gezeigt, dass Vorstellungen von Väterlichkeit nicht immer mit Vorstellungen von Männlichkeit übereinstimmen.
Zur Auflösung der Fußnote[7] Die Frage, ob beides immer in Einklang gebracht werden muss oder unverbunden nebeneinander stehen bleiben kann, ist derzeit eine der meist diskutierten in der Väterforschung.
Familiengründung und Kinderwunsch bei Männern
Wer sich anschaut, wie Männer Väter werden, sieht, dass der Prozess einer Familiengründung auch für Männer durchaus komplex ist. Entgegen der landläufigen Meinung werden sie keineswegs "einfach so“ Vater. Vielmehr spielen individuell ganz unterschiedliche Ausgangsbedingungen eine Rolle bei der Frage, ob man(n) Vater werden will oder nicht. Neben den biografischen Erfahrungen in der Herkunftsfamilie sind das jeweilige Lebensalter und die aktuelle Lebensphase inklusive der damit einhergehenden sozioökonomischen Situation von zentraler Bedeutung. Wie sich gezeigt hat, sind daneben aber auch die Vorstellungen und Praxen von Männlichkeit und Väterlichkeit, über die jeder Mann verfügt, wichtige Faktoren. Eine entscheidende Voraussetzung für Vaterschaft/Väterlichkeit besteht letztlich darin, "parat zu werden“; Zur Auflösung der Fußnote[8] sprich, eine Bereitschaft herzustellen, sich auf das Vaterwerden einzulassen. Dass man(n) sich hierfür einerseits mit den eigenen Erwartungen, Ängsten, Unsicherheiten, Hoffnungen und Wünschen, andererseits mit den Bildern und Vorstellungen vom Vatersein auseinandersetzen muss, macht die Sache nicht einfacher. Und auch wenn dieser Prozess in vielen Fällen eher unbewusst abläuft, steht am Ende die Entscheidung für oder gegen ein Kind. Männer, die ungewollt Vater werden, stehen vor der Herausforderung, sich nachträglich "parat zu machen“.
Bei der Analyse des Kinderwunsches hat sich anhand des empirischen Materials Zur Auflösung der Fußnote[9] gezeigt, dass interessanterweise zwischen einem eigenständigen Kinderwunsch und dem Wunsch nach einer Familie unterschieden werden muss. Es gibt also Männer, die zwar keinen genuinen Kinderwunsch haben, sich sehr wohl aber eine Familie wünschen. Dieser "Familienwunsch“ zielt mehr auf die Lebensform Familie, unter der Frau und Kinder dann subsumiert werden. In diesem Bild kommt den Männern dabei der Status des Familienvaters zu. Damit einher geht eine eher als theoretisch-abstrakt zu bezeichnende Vorstellung der Vater-Kind-Beziehung, in der das väterliche Engagement vorwiegend situativ ist und sich auf außeralltägliche Aktivitäten stützt.
Bei Männern, bei denen im Sinne des Wortes von einem Kinderwunsch gesprochen werden kann, zeigt sich, dass dieser eigenständig – also unabhängig von einer Partnerin – und intrinsisch motiviert ist. Die Vorstellung von der Vater-Kind-Beziehung zeichnet sich durch eine Bilateralität aus, in der das Kind als individuelles Gegenüber gemeint ist. Diese Väter stellen die Beziehung zu ihrem Kind entweder über alltägliche (und damit wiederkehrende) oder außeralltägliche (gleichwohl aber regelmäßig stattfindende) Momente der Zweisamkeit her. Das heißt, je klarer der Kinderwunsch eines Mannes ist, desto engagierter setzt er sich für die (Herstellung der) Vater-Kind-Beziehung ein.
Doch weder ein vorhandener Familien- noch ein Kinderwunsch führt automatisch zu einer Familiengründung. Auffällig ist jedoch, wie viel einfacher eine solche verläuft, wenn auf Seiten des Mannes ein originärer Wunsch der einen oder anderen Spielart vorhanden ist. In den Fällen, in denen beides nicht zutrifft, verlaufen die Familiengründungsprozesse zumeist schwieriger und konfliktreicher.
Heutiges Ideal des guten Vaters
Wenn Männer sich nicht bereits in der Phase des Paratwerdens mit dem aktuellen Väterideal auseinandersetzen (müssen), so doch spätestens ab dem Zeitpunkt, an dem sie Vater geworden sind. In der Diskussion um heutige Väter taucht häufig der Begriff "neue Väter“ auf. Das Attribut "neu“ rekurriert dabei auf eine "alte“ Form von Väterlichkeit, von der sich eine neue überhaupt erst abzeichnen kann. In dieser als "neu“ bezeichneten Form wird der Vater als liebevoll, antiautoritär und in das Familienleben integriert beschrieben. Zur Auflösung der Fußnote[10] Doch wird immer wieder darauf hingewiesen, dass die im Ideal des "neuen Vaters“ konstatierten Veränderungen jedoch vor allem auf der Ebene von Einstellungen zu Väterlichkeit, weniger auf der Ebene der individuellen Alltagspraxis zu finden sind. Das heißt, die Aussage, ein "neuer“ und engagierter Vater sein zu wollen, muss keineswegs ein familiale Aufgabenteilung nach sich ziehen, in der der Vater zu gleichen Teilen Betreuungsaufgaben wahrnimmt wie die Mutter. Zur Auflösung der Fußnote[11] Was aber wird dann unter "neuer Vater“ verstanden?
Wesentlich für das heutige Idealbild des Vaters ist, dass die alte Form von Väterlichkeit mit der Figur des "abwesenden Ernährers“ – oft auch in deutlicher Abgrenzung vom eigenen Vater – abgelehnt wird. Dies ist, wie gesagt, sogar dann der Fall, wenn die Aufgabenteilung des Paares der traditionellen Form (der Mann als der Ernährer, die Frau als die Hauptverantwortliche für Familie und Haushalt) entspricht. Daran zeigt sich, dass sich das Ideal des "guten“ Vaters in den vergangenen Jahren durchaus gewandelt hat. Auch wenn sich das Arbeitsarrangement äußerlich nicht groß von dem der eigenen Eltern entfernt hat, haben heutige Väter andere Vorstellungen und damit andere Ansprüche an sich als Vater.
Ein erster wesentlicher Aspekt ist dabei die Zeit. Ein im heutigen Sinn "guter Vater“ ist einer, der Zeit mit seinen Kindern verbringt. Das heißt, obwohl viele der jetzigen Väter dies bei ihren eigenen Vätern anders erlebt haben, hinterfragen sie den einseitigen Lebensschwerpunkt "Berufsleben“ und äußern vermehrt den Wunsch, am Alltag und am Heranwachsen ihrer Kinder teilzuhaben. Zur Auflösung der Fußnote[12] Doch auch hier sind mit "Zeit verbringen“ nicht automatisch fürsorgliche Tätigkeiten beziehungsweise Aktivitäten mit dem Kind gemeint. Vielmehr kann darunter auch "einfach da sein“ im Sinne physischer Präsenz verstanden werden.
Der Wunsch nach Anwesenheit in der Familie verweist auf einen zweiten wichtigen Aspekt des heutigen Vaterideals: das Bedürfnis nach einer emotionalen Vater-Kind-Beziehung. Wesentlich hierfür ist die Fähigkeit der Väter, ihre Emotionen dem Kind gegenüber auch ausdrücken zu können. Interessanterweise verlieren eher traditionell männlich besetzte Werte wie Ordnung, Regeln, Autorität und Gehorsam an Bedeutung, wenn Väter sich ihren Kindern vermehrt liebevoll zuwenden.
Vater-Kind-Beziehung
Dass Zeit und Nähe wesentliche Bestandteile des Idealbildes eines "guten Vaters“ sind, scheint nicht von ungefähr zu kommen. Beides braucht es, damit eine Beziehung entstehen kann. Es ist von heute aus nicht leicht zu bestimmen, inwieweit das Verhältnis zwischen Vater und Kind immer schon dem Anspruch unterlag, in irgendeiner Form "gut“ zu sein. Zur Auflösung der Fußnote[13] Geht man aber davon aus, dass Väter bislang vor allem in ihrer Funktion als Versorger und Ernährer der Familie beziehungsweise als "Assistent“ der Mutter wahrgenommen wurden, dann kann durchaus von einem Wandel des väterlichen Ideals gesprochen werden, wenn Väter heutzutage nicht mehr nur an ihrer Berufstätigkeit gemessen werden, sondern auch daran, ob sie eine gute Vater-Kind-Beziehung haben. Denn ganz unabhängig davon, wie vielfältig die Vorstellungen und die Gestaltungspraxen einer Vater-Kind-Beziehung sind, alle – in beiden Studien untersuchten Väter – teilen das Ideal einer guten Beziehung zwischen Vater und Kind.
Gelingt es den Vätern, im Zusammensein mit dem Kind ihre je individuelle Vorstellung von einer Beziehung umzusetzen, dann beurteilen sie diese als "gut“. Das heißt, ein wichtiger Bestandteil des Ideals ist somit auch der Selbstanspruch, "Beziehungsarbeit“ leisten zu wollen – wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß und mit unterschiedlichen Schwerpunkten.
Zur Auflösung der Fußnote[14] Dass Väter um die Herstellung wie auch die Ausgestaltung ihres Verhältnisses zum Kind besorgt sind, ist ein weiteres deutliches Anzeichen für ein verändertes Ideal von Väterlichkeit. Mittlerweile hat auch die Forschung die große Bedeutung der Vater-Kind-Beziehung erkannt. Lange Zeit stand dort die Annahme im Vordergrund, dass aus mehr Engagement bei der Fürsorgearbeit bessere Beziehungen erwachsen. Inzwischen geht man aber davon aus, dass gute Beziehungen innerhalb des Familiengefüges vielmehr eine Voraussetzung für ein umfangreiches Engagement von Vätern an Haus- und Familienarbeit bilden.
Konflikt zwischen alten und neuen Idealen
Insgesamt zeigt sich an diesen Ausführungen die wachsende Bedeutung von Betreuung und Erziehung von Kindern als väterliche Aufgabe, und zwar einerseits als zunehmend individuelles Bedürfnis von Männern, andererseits als gesellschaftlicher Anspruch, der verstärkt an Männer adressiert wird. Fürsorglichkeit und Emotionalität werden immer wichtigere Bestandteile von Väterlichkeit und damit auch von Männlichkeit. Gleichzeitig sind sie auch der Grund für ein Spannungsfeld, in dem sich immer mehr Väter wiederfinden.
Denn noch immer stellt die Erwerbsarbeit einen zentralen Bezugspunkt für die Vorstellungen von Männlichkeit dar; das heißt, trotz der sich veränderten Haltung zum Bild des Alleinernährers und dem neuen Ideal, ein aktiver Beziehungspartner für sein Kind sein zu wollen, ist Erwerbsarbeit hauptidentitätsstiftend für Männer. Eine Lebensführung, die auf Berufsarbeit ausgerichtet ist, wird nicht nur gesellschaftlich gefordert, sondern von den meisten Männern auch selbst gewünscht. Auch wenn sie jeweils noch nicht wissen, ob sie später tatsächlich einmal Kinder haben werden oder haben wollen, ist es für Männer wichtig, ausweisen zu können, dass sie im Zweifelsfall eine Familie ernähren können. Männer, die versuchen, eine Form von Väterlichkeit zu leben, die einer tradierten Geschlechternorm entgegensteht (geteilte Verantwortung für Familieneinkommen und Fürsorgearbeit), sehen sich oft großen strukturellen Widerständen ausgesetzt. Das vorherrschende und durchaus widersprüchliche Ideal lässt sich somit als "emotional involvierter, präsenter Ernährer-Vater“ umschreiben.
Zur Auflösung der Fußnote[15]
Diese Gemengelage aus alten und neuen Normen und Praxen von Männlichkeit und Väterlichkeit stellt Männer beziehungsweise Väter vor neue Herausforderungen im Prozess der (Nicht-) Familiengründung. Der Wunsch, alt und neu auf produktive Weise zu vereinbaren, setzt viele unter Druck. Als Folge davon haben nun auch Männer zunehmend ein Vereinbarkeitsproblem. Doch anders als die meisten Frauen stehen sie nicht vor der Frage, wie sie Familie mit Beruf vereinbaren, sondern wie sie ihre (Vollzeit-) Berufstätigkeit mit ihren Vorstellungen von Familie und Väterlichkeit verbinden.
Männer, die gegenwärtig Vater sind oder werden, sehen sich mit der Aufgabe konfrontiert, ihr eigenes Vatersein zu konzipieren und zu leben, ohne auf ein klares Vorbild zurückgreifen und dieses gut erprobt übernehmen zu können. Dies bedingt Fähigkeiten wie beispielsweise Reflektions- und Kommunikationsvermögen, die nicht jedem Mann oder Vater selbstverständlich zur Verfügung stehen. Zur Auflösung der Fußnote[16] Gleichzeitig verbirgt sich genau hier die Chance, Väterlichkeit in Zukunft stärker von der Engführung an Mutterschaft zu lösen und Vorstellungen von einer gleichberechtigten Erziehungs- und Fürsorgeverantwortung zu entwickeln, welche die Unterscheidung in einen wichtigen und weniger wichtigen Elternteil hinfällig macht.