Einleitung
Unterschiedliche Disziplinen weisen seit vielen Jahren immer wieder auf die Bedeutung der frühen Phase in der Entwicklung von Kindern hin. Diese Erkenntnis wurde in den vergangenen Jahren zunehmend auch öffentlich diskutiert. Immer wieder fordern unterschiedliche internationale und nationale Akteure, dieser frühen Bildungsphase mehr Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Auch in der Ökonomie werden seit einigen Jahren Themen der frühkindlichen Bildung vermehrt diskutiert. Dies hängt unter anderem damit zusammen, dass sich international renommierte Ökonomen wie der Nobelpreisträger James Heckman mit diesem Thema befassen. Die Ökonomie analysiert, inwiefern es sensible Perioden gibt, in denen bestimmte Inputs geleistet werden müssen, um spätere Fähigkeiten zu entwickeln. Dabei weist Heckman mit seinen Koautoren darauf hin, dass Fähigkeiten selbstproduktiv sind, das heißt, eine in der frühen Kindheit erworbene Fähigkeit erhöht die Wirkung späterer Inputs. Immer wieder verweisen Bildungsökonomen auf die hohe Rendite frühkindlicher Bildungsinvestitionen im Vergleich zu Bildungsinvestitionen im späteren Lebenszyklus. Dieser Zusammenhang wird insbesondere aufgrund US-amerikanischer Forschungsergebnisse für Kinder aus bildungsbenachteiligten Familien konstatiert. Aus einer Lebensverlaufsperspektive scheint es demnach besonders effizient, vor allem bei Kindern aus benachteiligten Familien Bildungsinvestitionen im frühen Kindesalter zu tätigen. Darüber hinaus erhöhen diese Investitionen die Chancengleichheit in einer Gesellschaft und sind demnach auch vor dem Hintergrund von Gerechtigkeitsüberlegungen sinnvoll.
Im Zuge der öffentlichen Diskussion kommt der frühkindlichen Bildung in Deutschland ein zunehmender Stellenwert zu - sie ist ein Ziel der nachhaltigen Familienpolitik, wie sie von der Bundesregierung unter Führung der Großen Koalition (2005-2009) explizit gemacht worden ist. Mit dem Ausbau der öffentlich finanzierten Betreuungsinfrastruktur, die schon im Kinderförderungsgesetz (KiföG) 2009 fixiert wurde, soll neben dem Ziel der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch die frühkindliche Förderung verbessert werden. Im Jahr 2013 soll für 35 Prozent der Kinder unter drei Jahren ein Platz in einer öffentlich geförderten Kindertagesbetreuung bereitstehen und im selben Jahr auch ein Rechtsanspruch auf einen Platz in der Kindertagesbetreuung für Kinder ab dem zweiten Lebensjahr in Kraft treten. Für Kinder ab dem vierten Lebensjahr existiert dieser Anspruch bereits seit 1996. Frühkindliche Bildung und Betreuung in Deutschland werden demnach in naher Zukunft für Eltern von Kindern ab dem zweiten Lebensjahr bis zur Einschulung mit einem Rechtsanspruch versehen sein.
Im Folgenden soll nach einer Beschreibung des frühkindlichen Bildungs- und Betreuungssystems im europäischen Kontext eine ökonomische Perspektive auf das gegenwärtige deutsche System angelegt und dieses kritisch analysiert werden. Im Anschluss an die jeweiligen Befunde werden entsprechende Reformoptionen skizziert.
Europäische Einordnung
Bei einer Betrachtung unterschiedlicher Ländergruppen ist insgesamt festzuhalten, dass sich die Bildungs- und Betreuungsverhältnisse für Kinder zwischen den europäischen Staaten erheblich unterscheiden. Dies macht sich in unterschiedlichen Kennziffern bemerkbar. Zum einen geben die Länder unterschiedlich viel für die frühkindliche Bildung und Betreuung aus. Dänemark liegt hier mit zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) an der Spitze, während Deutschland mit unter 0,5 Prozent eher am unteren Rand einzuordnen ist. Zum anderen sind Unterschiede insbesondere in der Inanspruchnahme in den ersten Lebensjahren zu finden. Wie Abbildung 1 (s. Abbildung 1 in der PDF-Version) zeigt, nutzen im Mittel der hier erfassten EU-Staaten etwa 45 Prozent der Kinder von null bis zwei Jahren formelle Betreuungseinrichtungen wie zum Beispiel eine Kindertageseinrichtung. In Dänemark sind es über 65 Prozent der Kinder der jeweiligen Altersgruppe. Auch in Schweden, Norwegen, Belgien und in den Niederlanden liegen die Nutzungsquoten im formellen Bereich über dem EU-Durchschnitt. Deutschland weist mit Österreich eine der niedrigsten Nutzungsquoten im formellen Bereich auf, die etwas unter 20 Prozent bzw. in Österreich knapp über zehn Prozent liegen. Im Bereich der informellen Betreuung, das heißt der Nutzung einer Betreuung durch Verwandte oder andere nicht institutionell gebundenen Betreuungspersonen, weisen Italien, die Niederlande oder auch das Vereinigte Königreich relativ hohe Nutzungsquoten auf. In Deutschland liegt die Quote etwas über zehn Prozent und damit höher als in den skandinavischen Ländern.
Bei den Kindern im Alter von drei bis fünf Jahren liegt Deutschland mit seiner Nutzungsquote im Bereich formeller Bildung und Betreuung etwas über dem EU-Durchschnitt von etwa 90 Prozent (s. Abbildung 2 in der PDF-Version). Andere Länder wie Frankreich oder Belgien erreichen hier allerdings nahezu 100 Prozent. Im Bereich der informellen Betreuung liegt Deutschland bei dieser Altersgruppe mit unter 20 Prozent eher im Mittelfeld. Es gibt auch hier europäische Nachbarländer mit einem höheren Anteil (wie die Niederlande) und Länder, wo auch bei dieser Altersgruppe die informelle Betreuung kaum in Anspruch genommen wird (etwa in Skandinavien).
Im Bereich der Betreuung von Kindern unter drei Jahren hat Deutschland demnach auch im europäischen Vergleich einen Nachholbedarf. Darüber hinaus wurden zwischen den europäischen Ländern große Unterschiede in der Qualität festgestellt, unter anderem aufgrund der sehr unterschiedlichen Rahmenbedingungen der Qualitätsregulierung. Die internationalen Vergleiche sind zwar aufschlussreich, aber aus ihnen wird nicht ersichtlich, dass es schon innerhalb Deutschlands sehr starke regionale und sozioökonomische Differenzen bei der Nutzung frühkindlicher Bildungs- und Betreuungsangebote gibt.
Regionale Unterschiede
Zwischen den einzelnen Bundesländern gibt es erhebliche Unterschiede. Dies trifft insbesondere für die Gruppe der unter Dreijährigen zu. Die Nutzungsquoten im Osten sind wesentlich höher und lagen im März 2011 zwischen 42 Prozent in Berlin und 56 Prozent in Sachsen-Anhalt. Im Westen sind sie mit 16 Prozent in Nordrhein-Westfalen und nahezu 32 Prozent in Hamburg geringer. In einigen westlichen Bundesländern müssen bis 2013 also erhebliche Anstrengungen dahingehend erfolgen, das Ausbauziel von 35 Prozent zu erreichen. Über diese Differenzen zwischen den Bundesländern hinaus existieren erhebliche regionale Differenzen auf noch kleinräumigerer Ebene. Auf Kreisebene variierten die Betreuungsquoten für Kinder unter drei Jahren im März 2011 zwischen neun und 61 Prozent. Knapp ein Viertel der Kreise in Westdeutschland weisen eine Betreuungsquote von weniger als 15 Prozent auf. Etwa 18 Prozent haben eine Quote zwischen 25 und 35 Prozent. Bei mehr als der Hälfte der ostdeutschen Kreise lag die Betreuungsquote bei 50 Prozent und mehr.
Deutlich weniger Unterschiede gibt es bei der frühkindlichen Betreuung und Bildung von Kindern im sogenannten Kindergartenalter (ab drei Jahren). Hier dominieren vielmehr die Differenzen, was das Angebot und die Nutzung ganztägiger Angebote angeht. Über die Jahre hat der Anteil der ganztägig betreuten Kinder in Westdeutschland zwar von knapp 18 Prozent (2006) auf 30 Prozent (2011) zugenommen, dennoch wird nach wie vor die große Mehrheit nicht ganztägig betreut. Ungeachtet dessen zeigen sich auch im Westen erhebliche Unterschiede zwischen den Bundesländern. Deutlich über dem westdeutschen Durchschnitt liegen Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz mit jeweils fast 40 Prozent, Hessen mit 43 Prozent sowie Hamburg mit 45 Prozent, während in Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Baden-Württemberg vergleichsweise wenige Ganztagsplätze bereitgestellt werden.
Diese regionalen Differenzen sind Spiegelbild von Unterschieden in der Nachfrage, aber auch im Angebot der Leistungen. Unterschiede in den Angeboten sind der Finanzkraft der Gebietskörperschaften, aber auch der politischen Prioritätensetzung einzelner Länder und insbesondere einzelner Kommunen geschuldet. Denn es ist ihre Aufgabe, die öffentlichen Mittel für den frühkindlichen Bereich zur Verfügung zu stellen. Mit dem Tagesbetreuungsausbaugesetz (TAG, 2005) und noch nachdrücklicher mit dem Kinderförderungsgesetz 2008 hat der Bund sich erstmals an der Finanzierung von Kindertageseinrichtungen beteiligt, wobei unterschiedliche Finanzierungswege in Abhängigkeit der Investitions- und Betriebskosten gefunden wurden - von der Schaffung eines Sondervermögens bis hin zu einem höheren Anteil der Länder an der Umsatzsteuer. Aus ökonomischer Perspektive ist eine Beteiligung des Bundes sinnvoll und angebracht, denn auch der Bund hat einen hohen Nutzen aus einer frühkindlichen Förderung. Allerdings ist mit dem deutschen Ansatz eines erhöhten Umsatzsteueranteils für die Länder nicht explizit sichergestellt, dass die Länder diese Gelder tatsächlich in den Ausbau von Kindertageseinrichtungen investieren - dies bleibt grundsätzlich immer noch ihrer politischen Prioritätensetzung überlassen. Demzufolge wäre eine alternative Bundesbeteiligung vorzuziehen, die dies explizit und nachhaltig sicherstellt.
Im Sommer 2007 wurde überlegt, ob der Bund sich über zweckgebundene Transfers an den Kosten für den "Kita-Ausbau" beteiligt. So sind Ansätze im Sinne eines Geldleistungsgesetzes möglich. Hier sei auch an Bundesleistungen wie das BAföG (Bundesausbildungsförderungsgesetz) erinnert, das einen zweckgebundenen Transfer darstellt, den der Bund im Bildungsbereich anbietet. Losgelöst von dem Kreditcharakter, der dem BAföG eigen ist, könnte auch hinsichtlich der Bundesbeteiligung im frühkindlichen Bereich über einen solchen zweckgebundenen Transfer systematisch nachgedacht werden, auch wenn hier die deutsche Finanzverfassung enge Grenzen setzt. In jedem Fall sollten Anstrengungen dahingehend unternommen werden, eine Bundesbeteiligung nachhaltig zu sichern.
Sozioökonomische Unterschiede
Neben den großen regionalen Differenzen sind auch sozioökonomisch bedingte Unterschiede in der Nutzung der Kinderbetreuungsangebote festzuhalten. In jüngster Vergangenheit wird der Befund, dass insbesondere in den frühen Jahren Kinder mit Migrationshintergrund in Kindertageseinrichtungen unterrepräsentiert sind, vermehrt diskutiert. Auch hier gibt es Unterschiede zwischen den Bundesländern: Daten der amtlichen Statistik zeigen für Kinder unter drei Jahren, dass im Jahr 2010 die gesamtdeutsche Nutzungsquote bei Kindern mit Migrationshintergrund nur zwölf Prozent betrug, während sie bei Kindern ohne Migrationshintergrund bei nahezu einem Drittel lag. Neuere Untersuchungen im Rahmen der NUBBEK-Studie zeigen allerdings, dass diese Unterschiede teilweise verschwinden, wenn andere sozioökonomische Faktoren berücksichtigt werden: Türkischstämmige Familien, in denen die Mütter erwerbstätig sind, die einen höheren Bildungsabschluss aufweisen und die weniger traditionelle Rolleneinstellungen pflegen, unterscheiden sich nicht bei der Nutzung von institutionellen Betreuungsangeboten von vergleichbaren Familien ohne Migrationshintergrund.
Weitere Untersuchungen zeigen, dass Kinder mit einem relativ niedrigen Familieneinkommen oder auch Kinder aus bildungsfernen Gruppen in frühen Jahren die Kindertagesbetreuung mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit nutzen. Auch andere frühkindliche Angebote, etwa im Bereich Sport oder Musik, werden von diesen Kindern seltener wahrgenommen. Sofern diesen Angeboten eine positive Wirkung zugesprochen wird, profitieren Kinder aus einer sozioökonomisch schlechter gestellten Familie demnach in einem geringeren Umfang von öffentlich oder privat finanzierten Förderangeboten. Aus ökonomischer Perspektive sind diese sozioökonomischen Differenzen nicht wünschenswert, zumal nicht davon auszugehen ist, dass sie allein auf Unterschiede in den Präferenzen und damit in der Nachfrage nach frühkindlichen Bildungs- und Betreuungsangeboten zurückzuführen sind (sondern sicher auch auf die Ausgestaltung von Bedarfskriterien). Die selektive Nutzung ist umso bemerkenswerter, als Hinweise existieren, dass insbesondere Kinder aus bildungsbenachteiligten Gruppen von einer frühkindlichen Bildung und Betreuung profitieren können. Wenn aus bildungsökonomischen Überlegungen heraus nicht nachfragebedingte Unterschiede in der Nutzung reduziert werden sollten, könnte eine zielgruppenspezifischere Förderung der richtige Weg sein. Dies soll nicht bedeuten, dass der deutsche Ansatz einer Kindertageseinrichtung für alle Kinder obsolet wäre. Im Gegenteil, es geht um einen Ansatz, der als target within universal (zielgruppenspezifische Ausrichtung bei einem universellen Ansatz) bezeichnet werden kann. Wie eine solche größere zielgruppenspezifische Förderung gestaltet sein sollte, ist eine Frage, die es mit der Expertise unterschiedlicher Disziplinen zu klären gilt. Eine alleinige Abschaffung von Kita-Gebühren, soviel ist vorab klar, kann hier allerdings wenig bewirken. Kinder aus sozioökonomisch benachteiligten Gruppen zahlen ohnehin oft geringere oder keine Gebühren.
Pädagogische Qualität
Aus der Forschung ist bekannt, dass die Rendite frühkindlicher Bildungsinvestitionen nur dann besonders hoch ist, wenn eine gute pädagogische Qualität gesichert ist. Die NUBBEK-Studie kommt zum Ergebnis, dass über 80 Prozent der außerfamiliären Betreuungsformen hinsichtlich der pädagogischen Prozessqualität im mittleren Bereich liegen. Eine gute pädagogische Prozessqualität kommt dabei in jedem der Betreuungssettings in weniger als zehn Prozent der Fälle vor, eine unzureichende Qualität dagegen zum Teil in deutlich mehr als zehn Prozent. Bezieht sich die Messung auf bestimmte Bildungsbereiche, zum Beispiel Mathematik, Naturwissenschaft und interkulturelles Lernen, ist die Qualität sogar in über 50 Prozent der untersuchten Kindergärten unzureichend. Hinzu kommt, dass bestimmte Gruppen, die ohnehin in einem geringeren Umfang in Kindertageseinrichtungen vertreten sind, wie zum Beispiel Kinder mit Migrationshintergrund, tendenziell eher in Einrichtungen mit relativ schlechteren Qualitäten vorzufinden sind - was zu einer doppelten Benachteiligung führen kann. Insgesamt kann für das deutsche System lediglich ein Mittelmaß an Qualität konstatiert werden. Im ökonomischen Sinne kann damit nicht die vollständige Rendite erzielt werden, die grundsätzlich pädagogisch hochwertige Bildungs- und Betreuungsprogramme in der frühen Kindheit erzielen können.
Neben dem quantitativen Nachholbedarf hat Deutschland demnach auch in qualitativer Hinsicht ein Defizit, auch wenn sich in den vergangenen Jahren schon einiges getan hat. Die originäre Aufgabe der Qualitätssicherung liegt in Deutschland bei den Ländern und Kommunen. Sie haben, wie auch der Bund, einige Anstrengungen unternommen, um die pädagogische Qualität der Bildungs- und Betreuungsangebote zu verbessern. Allerdings fehlt ein einheitliches bundesweites Konzept. Immerhin haben sich die Länder auf die Einführung von Bildungsplänen verständigt. Positiv hervorzuheben ist, dass alle Länder entsprechende Pläne erarbeitet und veröffentlicht haben. Ein genauerer Blick auf die Bildungspläne zeigt jedoch, dass diese hinsichtlich ihrer Inhalte und ihrer Implementierung, insbesondere aber auch hinsichtlich ihrer Verbindlichkeit extrem heterogen sind. Wenn im schulischen Bereich große Unterschiede zwischen den Bundesländern beklagt werden, so kann im Elementarbereich von einer noch sehr viel größeren Heterogenität gesprochen werden. Von daher variieren Bildungschancen im frühkindlichen Bereich noch sehr viel stärker als in allen anderen Bildungsbereichen - auch bedingt durch regionale Qualitätsunterschiede. Wenn hier Abhilfe geschaffen werden soll, könnten bundesweite Mindeststandards, wie sie auch von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) vorgeschlagen werden, und auf die sich alle betroffenen Gruppen verständigen sollten, ein erster Schritt sein. Um positive Anreize zu schaffen, könnte die Erreichung einer sehr guten Qualität darüber hinaus zumindest in Teilen mit Finanzierungszusagen gekoppelt sein.
Finanzierungs- und Steuerungsfragen
Aus ökonomischer Perspektive ist außerdem interessant, wie Finanzierungs- und Steuerungsfragen im deutschen System gestaltet sind. Dabei geht es auch um Fragen der öffentlichen Mittelverteilung. Bei der Frage, welchen Anbietern öffentliche Mittel zukommen, sind erneut Unterschiede zwischen den Bundesländern auszumachen. Grundsätzlich stehen den freien Trägern der Jugendhilfe öffentliche Mittel zur Verfügung oder die Kommunen sind selbst Träger von Kindertageseinrichtungen. Entsprechend haben sie die größten "Marktanteile". Der Anteil nichtstaatlicher Träger, die nicht gemeinnützig wirtschaften, ist sehr viel kleiner und liegt im Durchschnitt in allen Regionen und für alle Altersgruppen bei etwa einem Prozent. Dieser geringe Marktanteil privat-gewerblicher Träger ist vorrangig darauf zurückzuführen, dass es erst seit einigen Jahren den Ländern freigestellt ist, selbst zu entscheiden, ob sie diese fördern. In sechs Bundesländern war die Förderung von "Wirtschaftsunternehmen" bereits im Jahr 2007 zulässig und in drei weiteren Ländern war dies in Ausnahmefällen möglich.
Teilweise gibt es Vorbehalte gegenüber privat-gewerblichen Angeboten: So wird vermutet, dass eine Aufgabe des Gemeinnützigkeitsstatus, der vielfach eine Voraussetzung für eine öffentliche Förderung ist, sowohl zu Einbußen bei der pädagogischen Qualität als auch zu Preissteigerungen führt. Für diese Vermutungen gibt es allerdings keine eindeutigen empirischen Belege. Vielmehr können fundierte US-amerikanische Studien belegen, dass auch gewinnorientierte Anbieter eine hohe pädagogische Qualität anbieten. Bei entsprechenden Regulierungen, wie sie in Deutschland vorliegen, ist nicht zu erwarten, dass diese Träger per se schlechtere Qualität anbieten. Vielmehr könnte eine Förderung derselben dazu beitragen, dass die Geschwindigkeit des Ausbaus im "U3"-Bereich forciert wird. Auch andere Länder wie zum Beispiel Finnland haben die Förderung privat-gewerblicher Träger dazu genutzt, die Geschwindigkeit des Ausbaus zu erhöhen. Aus bildungsökonomischen Überlegungen heraus ist es allerdings von zentraler Bedeutung, dass sie eine pädagogisch hochwertige Qualität anbieten.
Auch bei der Frage, wie öffentliche Mittel in das System gelangen, beschreiten die deutschen Bundesländer und Kommunen unterschiedliche Wege. Ökonomen unterscheiden grundsätzlich eine Objekt- von einer Subjektfinanzierung. Das heißt, entweder werden die Anbieter bzw. Träger (Objekte) gefördert, oder es werden die Nachfrager (Subjekte) subventioniert. In der Realität existieren auch Mischformen. In Deutschland wird mehrheitlich eine "subjektbezogene Objektfinanzierung" praktiziert, welche den Trägern die öffentlichen Mittel nach Anzahl der betreuten Kinder zuordnen. Einzelne Bundesländer, etwa Berlin und Hamburg, oder auch bestimmte Kommunen praktizieren dagegen eine Subjektförderung über zweckgebundene Transfers, zum Beispiel in Form von Gutscheinen. In der ökonomischen Literatur werden in diesem Steuerungs- und Finanzierungsinstrument Vorteile gegenüber einer Objektfinanzierung gesehen. Ein zentraler Ansatzpunkt bei der Subjektfinanzierung ist der Bedarf der Nachfrager bzw. der Kinder und Eltern. Zweckgebundene Transfers an die Nachfrager erlauben eine differenzierte Steuerung, und zwar dahingehend, welche Kinder eine besondere Förderung erfahren sollen - besonders im Hinblick auf finanzielle oder auch zeitliche Ressourcen. Eine subjektbezogene Förderung kann aus diesem Grund auch als ein Instrument eingesetzt werden, um bestimmte Zielgruppen spezifisch zu fördern.
Resümee: Familien integrieren, ressortübergreifend agieren
Frühkindlichen Bildungsprozessen ist es eigen, dass sie insbesondere dann erfolgreich sind, wenn die Familien einbezogen werden. Wenn Unterschiede in den Fähigkeiten von jungen Kindern erklärt werden sollen, ist es nach wie vor die Familie, die am meisten an Varianz erklärt. Von daher ist es von großer Bedeutung, Familien bei frühkindlichen Bildungs- und Betreuungsangeboten zu integrieren. Dafür gibt es in Deutschland wie auch im Ausland unterschiedliche Ansätze, beispielsweise die Entwicklung von Familienzentren, Eltern-Kind-Zentren oder Dienstleistungszentren für Familien. Zum Portfolio von Kindertageseinrichtungen gehören bei solchen Ansätzen neben den klassischen Bildungs- und Betreuungsprogrammen auch Angebote der Elternbildung und der Elternarbeit. Von solchen Ansätzen können insbesondere Kinder aus benachteiligten Familien profitieren. Sie scheinen diesbezüglich besonders effektiv und effizient zu sein.
In Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren insbesondere im Bereich der Familien-, aber auch der Bildungspolitik viel im frühkindlichen Bildungs- und Betreuungsbereich getan. Dennoch gibt es eine Vielzahl von Ansatzpunkten für weitere Reformen, wenn die grundsätzlich hohe Rendite frühkindlicher Bildungs- und Betreuungsoptionen ausgeschöpft werden soll - und die bisherigen "Errungenschaften" in diesem Politikfeld nachhaltig gesichert bzw. verbessert werden sollen. Dazu wurden in diesem Beitrag unterschiedliche Ansatzpunkte aufgezeigt. Eine weitere wichtige Stellschraube für das Gelingen im Bereich der frühkindlichen Bildung und Betreuung ist aber auch, dass alle Akteure, die von diesem Politikfeld betroffen sind, gemeinsam agieren. Grundsätzlich gehört der Bereich der frühkindlichen Bildung und Betreuung zu der Kinder- und Jugendhilfe. Daneben steht die klassische Bildungspolitik, wie sie in den Kultusministerien verortet ist. Bildungs- und Betreuungspolitik könnte sehr viel effektiver und effizienter konzipiert und umgesetzt werden, wenn beide Ressorts verstärkt gemeinsam agierten.