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Ethnozentrische Gemeinschaftsvorstellungen bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund

Götz Nordbruch

/ 11 Minuten zu lesen

Die Selbstbeschreibung als “Türke”, “Araber” oder “Muslim” bietet vielen Jugendlichen Orientierung. Sie reagieren damit auch auf Erfahrungen von Nichtanerkennung und Diskriminierung, die sie in der Gesellschaft machen.

Einleitung

Ich bin keine Migrantin. Aber ich werde trotzdem so behandelt." Fatma Camur, Mitbegründerin des muslimischen Magazins "Cube-Mag", wendet sich entschieden gegen eine Einordnung als "Jugendliche mit Migrationshintergrund". Die 22-Jährige betont, sie sei in Deutschland geboren und sehe sich insofern als Deutsche. Mit ethnozentrischen Vorstellungen, wie sie in verschiedenen Studien der vergangenen Jahre über Jugendliche mit Migrationshintergrund dokumentiert wurden, hat dieses Selbstverständnis nichts gemein. Dennoch spiegelt sich in dieser Aussage der gesellschaftliche Kontext wider, durch den Abgrenzungen als "Türke", "Albaner" oder "Muslim" befördert werden. Die Betonung der Zugehörigkeit zur deutschen Gesellschaft ist nicht gleichbedeutend mit einer Distanzierung von den Migrationserfahrungen der Eltern, sondern unterstreicht den Wunsch, trotz der eigenen Biografie als gleichberechtigtes Mitglied der Gesellschaft akzeptiert zu werden.

In der Verweigerung einer solchen Anerkennung liegt eine wesentliche Ursache für die Suche nach alternativen Gemeinschaftskonstruktionen, die einen Rückzug auf vermeintlich authentische Identitäten in Abgrenzung zu "den Deutschen" beinhalten. Ein solcher Rückzug beschränkt sich häufig nicht auf eine Unterscheidung in "wir" und "sie". Nicht selten verbindet er sich mit einer expliziten Distanzierung und Abwertung anderer. Die Wir-Gruppe stiftet dabei nicht nur Gemeinschaft, sondern bietet durch die Negation der Werte der Mehrheitsgesellschaft Halt und Orientierung: "Die Transformation der eigenen Ungleichheit in die Abwertung anderer (...) ist ein Instrument der Ohnmächtigen."

Die wachsende Bedeutung kollektiver Identitäten, die sich in Abgrenzung von der Gesellschaft formieren, lässt sich bis in die frühen 1990er Jahre zurückverfolgen. Nicht zufällig fällt die verstärkte Identifikation von Jugendlichen als "Türke" oder "Araber" mit dem Selbstverständnis der Mehrheitsgesellschaft zusammen, das sich im Kontext der Deutschen Einheit entwickelte. Das Bild vom "Zusammenwachsen was zusammengehört", das in der öffentlichen Debatte nach der Vereinigung oft bemüht wurde, stand aus Sicht vieler Migranten nicht für eine Öffnung der Gesellschaft, sondern für ein fortwährendes Schweigen über jene Bevölkerungsteile, welche die westdeutsche Gesellschaft in der Nachkriegszeit mit ihren wirtschaftlichen Leistungen als "Gastarbeiter" wesentlich mitgestaltet haben. Vor diesem Hintergrund sind die Aussagen deutsch-türkischer Jugendlicher von Bedeutung, die ihre Bindung an die Türkei mit Entwicklungen in Deutschland selbst erklären. Dabei werden die rassistischen Übergriffe gegen Migranten zu Beginn der 1990er Jahre vielfach als Zäsur beschrieben. Das "Trauma von Mölln", wie es der Berliner Journalist Deniz Yücel im Rückblick auf den Mord an einer aus der Türkei stammenden Familie im November 1992 nennt, habe auch bei ihm tiefe Spuren hinterlassen. Bis zu diesem Zeitpunkt habe er sich selbst keineswegs als "Türke" verstanden. Die Brandanschläge von Mölln und Solingen lehrten ihn allerdings, "dass wir bedroht waren. Dass man uns hier nicht wollte. Dass es überhaupt ein Uns gab."

Trotz einer deutlichen Öffnung des gesellschaftlichen Selbstverständnisses, wie es auf formaler Ebene in der Reform des Staatsbürgerschaftsrechts zum Ausdruck kam, prägt das Gefühl einer verweigerten Anerkennung bis heute den Alltag vieler Jugendlicher. In den Liedern des deutsch-türkischen Rappers Alpa Gun nimmt die Auseinandersetzung mit Ausgrenzungserfahrungen breiten Raum ein. In seinem Lied "Ausländer" aus dem Jahre 2007 beschreibt er das Gefühl, trotz der Aufbauleistungen seiner Eltern und des eigenen Beitrags als Bürger der Gesellschaft - beispielsweise in Form des Wehrdienstes - als Fremder am Rande der Gesellschaft zu stehen. Auch der Berliner Rapper Scarabeuz thematisiert diese Erfahrung. In seinem Lied "Wie lange noch?" aus dem Jahre 2007 zieht er eine Parallele zwischen den Ausgrenzungserfahrungen von Migranten und den Gewalterfahrungen von Muslimen im Nahen Osten. Auch hier verbindet sich der Bezug auf die Herkunftsländer der Eltern mit der Forderung, als Deutsche in Deutschland akzeptiert zu werden. Ähnliche Erfahrungen werden von jungen Muslimen beschrieben, die ihr ausdrückliches Bekenntnis zum Islam und zur Gemeinschaft der Muslime auch als Reaktion auf antimuslimische Ressentiments in der Gesellschaft erklären. Auf die Bedeutung von Diskriminierungserfahrungen im Alltag und Berufsleben wurde in verschiedenen Studien hingewiesen. Diese Erfahrungen werden auch in jugendkulturellen Trends verarbeitet. So beschreibt der deutsch-türkische Designer Melih Kesmen die Produkte seines Modelabels "Style-Islam" als Versuch, den gesellschaftlichen Debatten um den Islam und die Muslime in Deutschland etwas entgegenzusetzen. Für ihn ist das selbstbewusste Bekenntnis zum Islam - das in Parolen wie "I love my prophet" und "Go halal" ("Lebe islamisch-korrekt") auf seinen T-Shirts formuliert wird - eine Reaktion auf die Anfeindungen, die er infolge der Auseinandersetzungen um die Muhammed-Karikaturen im Jahre 2006 erlebte. Der rassistische Mord an der Ägypterin Marwa El-Sherbini in einem Gerichtssaal in Dresden im Juli 2009 stellte für viele Muslime eine ähnliche Zäsur dar wie die Anschläge von Mölln und Solingen. Die zögerliche Verurteilung der Tat von Seiten der Bundesregierung wurde von ihnen als Mangel einer öffentlichen Solidarisierung mit Muslimen in Deutschland gedeutet. Gerade von islamistischen Initiativen wurden die Empörung und die Sorge über einen zunehmenden Rassismus instrumentalisiert. Mit Warnungen vor einem drohenden "Holocaust an den Muslimen" warben salafistische Initiativen um junge Muslime, denen sie in der eingeschworenen Gemeinschaft der Umma, der Gemeinschaft der Muslime, Schutz und Zugehörigkeit versprachen.

Ethnischer Chauvinismus

Ein Beispiel für den Rückzug auf eine vermeintlich eindeutige Identität spiegelt sich in der national-religiösen Ideologie der Grauen Wölfe (Bozkurtlar) wider. Die Bewegung, die sich auch als Idealisten-Bewegung (Ülkücülük) bezeichnet, stößt bundesweit auf Zuspruch: Mit über 200 Vereinen und 10000 Mitgliedern bilden die Grauen Wölfe die größte Organisation unter Migranten, die eine rechtsextrem-nationalistische Orientierung vertritt. Sie verbindet eine ethnisch-nationalistische, zugleich stark islamisch geprägte Ideologie mit autoritären Ordnungsvorstellungen. Die Ursprünge der Bewegung gehen auf die türkische Milliyetçi Hareket Partisi (MHP) zurück, eine rechtsextreme Partei, die 1969 in der Türkei unter Alparslan Türke gegründet wurde. Seit Ende der 1970er Jahre sind die Grauen Wölfe auch in Deutschland aktiv. Im Mittelpunkt ihrer ideologischen Ausrichtung stehen die Glorifizierung einer großtürkischen Nation und die Einheit der turksprachigen Völker. In der Vergangenheit kam es zu einer Ausdifferenzierung dieser Bewegung, in der sich eine unterschiedliche Akzentuierung religiös und ethnisch begründeter Identitäten abzeichnete. So betont der Verband der Türkischen Kulturvereine in Europa (Avrupa Türk Kültür Dernekleri Birlii, ATB) in Abgrenzung zur ursprünglichen nationalistischen Ausrichtung die religiöse Dimension der nationalen Weltsicht.

Gemeinsam ist den Anhängern dieser Strömung die Verklärung der türkischen Nation als mythische Gemeinschaft, der eine Führungsrolle in der Region und unter Muslimen zukomme. Der Islam gilt dabei als ein ursprünglich türkisch geprägter Glaube, für dessen Bewahrung den Türken eine besondere Verantwortung zufalle. Das Symbol des Wolfes spielt dabei auf den turanischen Mythos an, der die überhistorische Geschichte der Türken herausstellt. Die Verklärung der idealen Gemeinschaft und die Warnung vor ihren vermeintlichen Feinden gehen dabei oft mit einer Abgrenzung gegenüber ethnischen und religiösen Minderheiten einher, die als Bedrohung für das national-religiöse Kollektiv beschrieben werden.

Die Verbindung von kämpferischem Appell und Einschwören auf die nationale Gemeinschaft findet allerdings nicht nur unter deutsch-türkischen Jugendlichen Zuspruch. Ressentiments und Aufforderungen zum Kampf gegen Angehörige "fremder" Nationen finden sich auch in Beiträgen, die von Jugendlichen mit libanesischem, kroatischem oder serbischem Familienhintergrund im Internet veröffentlicht werden. Die Aussagen gehen dabei oft über eine Selbstethnifizierung hinaus. Ein Beispiel dafür ist der deutsch-albanische Rapper Bözemann, der sich in seinen Musikvideos unter Titeln wie "Der totale Krieg" als albanischer Nationalist im Kampf gegen seine Umwelt inszeniert. In Internetforen wie dem "balkanforum.info" werden diese Auseinandersetzungen ausgetragen. In den Debatten kommen auch Anhänger eines kroatischen und serbischen Nationalismus zu Wort.

Die Musik des rechtsextremen kroatischen Sängers Marko Perkovi (alias Thompson), der sich offen auf die faschistische Bewegung der Ustasha bezieht, dient dabei unter Jugendlichen mit kroatischem Familienhintergrund der identitären Selbstfindung. Bei Konzerten des Sängers in Frankfurt am Main, München und im Ruhrgebiet folgten in den vergangenen Jahren mehrere Tausend Besucher den nationalistischen Hymnen. In einer vergleichbaren Art und Weise mobilisieren auch die Lieder serbischer Nationalisten, welche die nationalistischen Konflikte in den Balkanstaaten in den hiesigen gesellschaftlichen Kontext übertragen.

Wie in anderen nationalistischen Argumentationen geht die Verklärung der Nation oft mit traditionellen Geschlechterbildern einher: In die martialische Symbolik mischen sich männliche Dominanzvorstellungen, während Frauen als Hüterinnen nationaler Werte und Traditionen präsentiert werden.

Umma als "beste Gemeinschaft"

Der Rückzug in die "eigene" Gemeinschaft ist auch für islamistische Strömungen charakteristisch. Hier geht die Identifikation mit der Umma bisweilen mit einer expliziten Abgrenzung und Abwertung von vermeintlich Anderen einher.

In Deutschland ist es vor allem die Islamische Gemeinschaft Milli Görü (IGMG), unter deren, insbesondere älteren Anhängern sich islamistische Einstellungen und Zielrichtungen ausmachen lassen - wobei sich in der Literatur unterschiedliche Einschätzungen zur IGMG finden. Die traditionell ausgerichtete Organisation, deren Ursprünge auf den 2011 verstorbenen türkischen Politiker Necmettin Erbakan zurückgehen, engagiert sich auch in der Jugendarbeit. Die Stärkung der islamischen Identität der Jugendlichen zählt zu den vorrangigen Zielen, die von der IGMG verfolgt werden. In Veröffentlichungen des Verbandes wird dabei seit einigen Jahren die integrative Wirkung eines gestärkten Selbstverständnisses als Muslim hervorgehoben: "Der einzige Weg zur erfolgreichen Integration der muslimischen Jugend in die Gesellschaft ist der Weg über die Etablierung einer gefestigten Identität. Denn integrieren kann man nur den, der eine Identität hat und sich dieser bewusst ist."

Charakteristisch für die Milli-Görü-Bewegung unter Erbakan war die Ablehnung "des Westens", des "Imperialismus" und des "Zionismus". Bis heute zeigt sich bei älteren Mitgliedern eine Abwertung der deutschen Gesellschaft, die als unmoralisch, materialistisch und sexuell freizügig beschrieben wird. Trotz des verbandsinternen Aufstiegs jüngerer Funktionäre, die sich ausdrücklich positiv auf ein Leben in Deutschland beziehen und eine aktive Teilhabe an der Gesellschaft anstreben, spielt die Vorstellung einer moralischen Überlegenheit der islamischen Gemeinschaft in der religiös-kulturellen Arbeit des Verbandes auch weiterhin eine Rolle.

Deutlicher noch als in traditionellen islamischen Vereinen äußert sich in der Ideologie der salafistischen Strömung ein chauvinistisches Gemeinschaftsdenken. Seit 2005 entstanden in Deutschland zahlreiche Initiativen, die sich in Anlehnung an salafistische Vordenker aus arabischen Ländern zu einem wortgetreuen Islamverständnis bekennen. Etwa 5000 Personen werden diesem Spektrum mittlerweile in Deutschland zugeordnet. Trotz diverser Unterschiede in der konkreten Ausrichtung dieser Initiativen teilen sie die Idealisierung der frühislamischen Gemeinschaft, die als Vorbild für die heutige Gemeinschaft der Muslime beschrieben wird. Reale oder vermeintliche Erfahrungen von Ausgrenzung und Diskriminierung werden hier als historische Parallele zur Frühgeschichte des Islams gedeutet. Auch der Prophet Muhammed sei schließlich zu Beginn seiner Verkündung auf Anfeindungen und Widerstand gestoßen: "Es ist ein Zeichen des Guten auf Allahs Weg, liebe Geschwister, dass wir uns fremd und allein gelassen fühlen unter Ungläubigen. Diese Sichtweise verbindet sich mit dem Appell, "stolz zu sein, fremd zu sein".

Die Erfahrung von Fremdheit wird hier zum Ausgangspunkt für eine teils aggressive Abgrenzung von der "unmoralischen" und "gottesfeindlichen" Umwelt. Die Umma erscheint dabei ausdrücklich als Gemeinschaft, die jedem Muslim unabhängig von ethnischer und sozialer Herkunft einen Platz als "Bruder" oder "Schwester" bereithalte. Auch hier gründet sich die Konstruktion der Gemeinschaft auf deutlich hierarchisierten Geschlechterrollen: "Heirate eine Frau, die sich um dich sorgt wie deine Mutter und auf dich hört, als wäre sie deine kleine Schwester", heißt es beispielsweise auf der Facebook-Seite der salafistischen Gruppe Ahlu-Sunna. Die Gemeinschaft bietet allerdings nicht nur Schutz vor Anfeindungen, sondern erscheint gleichsam als Erfüllung einer religiösen Weltsicht, nach welcher der Umma eine religiös-moralische Höherwertigkeit zugesprochen wird. Als "beste Gemeinschaft" komme der Umma die Aufgabe der Rechtleitung der Menschheit zu, weshalb das Bekenntnis zum Islam mit einer individuellen Pflicht zur Da'wa (Einladung zum Islam) einhergehe.

Dabei nimmt das Werben für den Islam, wie er von Vertretern dieser Strömung verstanden wird, vielfach gerade im Internet aggressive Formen an. So gehören die Warnung vor der Strafe Gottes und die bildhafte Beschreibung der Höllenqualen, welche die "Ungläubigen" (Kuffar) nach dem jüngsten Gericht durchmachen werden, zu den immer wiederkehrenden Motiven, die von salafistischen Predigern wie Pierre Vogel und Ibrahim Abu Nagie aufgegriffen werden. In den radikalsten Teilen dieses Spektrum gehört auch die aktive Konfrontation der "Ungläubigen" zur Da'wa. Aufrufe zum "Kuffar-watch", wie sie auf Webseiten wie "dajjal.tv" getätigt werden, bedienen sich einer Rhetorik, die kaum mehr von offenen Aufrufen zu Gewalt zu unterscheiden sind.

Präventive Ansätze

Der Wunsch nach Anerkennung von Religiosität und Migrationserfahrungen spiegelt sich in jugendkulturellen Ausdruckformen junger Migranten und Muslime. In den Islam- und Integrationsdebatten der vergangenen Jahre wurden die Vorbehalte deutlich, mit denen große Teile der Mehrheitsgesellschaft einer solchen Anerkennung gegenüberstehen. Am Beispiel dieser Debatte lässt sich die Wechselbeziehung von Selbst- und Fremdwahrnehmungen dokumentieren, wie in einer jüngst vom Bundesministerium des Innern veröffentlichten Studie deutlich wird. Umso wichtiger sind Ansätze, wie sie im Zusammenhang mit dem 50. Jahrestag des Anwerbeabkommens mit der Türkei sichtbar wurden: Die öffentliche Thematisierung der Aufbauleistungen, wie sie von "Gastarbeitern" seit den 1950er Jahren geleistet wurden, ist eine Geste, die sich als Würdigung der Biografien von türkeistämmigen und anderen Arbeitsmigranten deuten lässt.

Entsprechende Gesten sind auch für Jugendliche und deren Selbstverortungen von Bedeutung. Im Schulunterricht, aber auch in der Jugendarbeit im weiteren Sinne, bieten sich zahlreiche Möglichkeiten, unterschiedliche Aspekte von Migrationsbiografien aufzugreifen und mit deutscher Geschichte und Gesellschaft in Bezug zu setzen. So ließen sich am Beispiel der Deutschen Einheit die unterschiedlichen Wahrnehmungen und Erfahrungen herausarbeiten, mit denen die Schülerinnen und Schüler ein wichtiges Ereignis der jüngeren deutschen Geschichte in Verbindung bringen. Dabei geht es keineswegs darum, eine vermeintliche Fremdheit von Jugendlichen mit Migrationshintergrund herauszustellen. In der Diskussion um die unterschiedlichen Wahrnehmungen des Vereinigungsprozesses lassen sich allgemein unterschiedliche Erfahrungen mit gesellschaftlichen Veränderungen aufzeigen, wie sie durchaus auch von herkunftsdeutschen Jugendlichen gemacht werden.

Der selbstverständliche Umgang mit Pluralität und Diversität ist in dieser Hinsicht eine Möglichkeit, um auch Jugendliche mit Migrationshintergrund als "normalen" Teil der deutschen Gesellschaft anzusprechen. Schließlich ist das Versprechen von "Normalität" und "Selbstverständlichkeit" ein Faktor, der ethnozentrische Gemeinschaftsvorstellungen attraktiv macht.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Cicero-Online vom 14.3.2012: www.cicero.de/berliner-republik/junge-muslime-studie-fatma-camur-cube-mag-trauma-integration/48635?seite=2 (3.4.2012).

  2. Vgl. Fachinformationsstelle Rechtsextremismus, Heimatliebe, Nationalstolz und Rassismus - Einzelmeinungen oder Trend?, München 2010; Kemal Bozay, Ethnisierung gesellschaftlicher Konflikte im Zeichen der Globalisierung, Schwalbach/Ts 2005.

  3. Wilhelm Heitmeyer, Die Ideologie der Ungleichwertigkeit, in: ders. (Hrsg.), Deutsche Zustände. Folge 6, Frankfurt/M. 2008, S. 37.

  4. Vgl. Nevim Çil, Eine allzu deutsche Geschichte?, in: Viola B. Georgi/Rainer Ohliger (Hrsg.), Crossover Geschichte, Hamburg 2009, S. 47ff.

  5. Tageszeitung vom 11.2.2008.

  6. Vgl. Open Society Institute, Muslims in Europe, New York 2010, S. 80-86.

  7. Vgl. Claudia Dantschke/Eberhard Seidel/Ali Yildirim, Im Namen Allahs, Berlin 2002; Werner Schiffauer, Nach dem Islamismus, Berlin 2010.

  8. Selbstdarstellung der Jugendarbeit der IGMG: www.igmg.de/gemeinschaft/wir-ueber-uns/taetigkeitsbereiche/jugend-abteilung.html?L=.html.html&type=98 (30.3.2012).

  9. Vgl. Claudia Dantschke et al., Argumente und Anziehungskraft des Salafismus, Berlin 2011.

  10. http://salafimedia.de/index.php?option=com_k2&view=itemlist&task=tag&tag=ghurabah&Itemid=509&format=feed&type=atom (30.3.2012).

  11. Vgl. Ekkehard Rudolph, Salafistische Propaganda im Internet, in: Armin Pfahl-Traughber (Hrsg.), Jahrbuch für Extremismus- und Terrorismus-Forschung 2009/2010, Brühl 2010, S. 486-501.

  12. Vgl. Wolfgang Frindte et al., Lebenswelten junger Muslime in Deutschland, Berlin 2011, S. 574-592.

Dr. phil., geb. 1974; Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Georg-Eckert-Institut für internationale Schulbuchforschung; Mitarbeiter des Berliner Vereins "ufuq.de" E-Mail Link: nordbruch@gei.de Externer Link: http://www.ufuq.de