Einleitung
Bereits in der Antike galt pecunia nervus rerum - das Geld ist der Nerv aller Dinge. Diese Weisheit erfährt in der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise eine neue Bedeutung. Denn als Rückgrat des gesamten politischen Systems unterliegt die öffentliche Finanz- und Haushaltspolitik derzeit einem atemberaubenden Transformationsprozess. Diese Veränderungen sind deshalb bemerkenswert, weil davon eines der letzten Zuständigkeitsreservate nationalstaatlicher Souveränität berührt wird. Zudem erschüttern sie - so die hier vertretene These - ganz maßgeblich die demokratischen Grundfesten der Bundesrepublik und der Europäischen Union (EU).
Ob Harold Lasswell mit seinem berühmten Bonmot "Politics is about who gets what, when, (and) how" bereits 1936 vor Augen hatte, dass es Situationen geben kann, in denen sich die öffentliche Finanzpolitik genötigt sieht, über milliardenschwere Stützungsmaßnahmen für einzelne Finanzmarktakteure, ganze Staaten und Währungsräume zu entscheiden, ist nicht bekannt. Aber bereits diese Hinweise verdeutlichen, dass es in den vergangenen Monaten zu einer weiteren Entgrenzung der nationalen Finanzpolitiken gekommen ist.
Zu den gängigsten Ansätzen im sozialwissenschaftlichen Diskurs zählt der Governance-Ansatz. Obwohl der Begriff fast inflationär verwendet wird, findet sich der Terminus "Fiscal Governance" vergleichsweise selten in der Literatur.
Mit Blick auf die fiskalische Dimension föderaler Politikgestaltung bleibt der Governance-Ansatz vage. Dies gilt auch für machtpolitische und demokratisch-legitimatorische Aspekte finanzpolitischer Entscheidungsprozesse. Ausgehend von den Erkenntnissen der Governance-Forschung lässt sich jedoch fragen, inwieweit sich Akteurskonstellationen, Interaktionsformen und machtpolitische Einflusssphären in der deutschen Finanzpolitik unter dem Eindruck der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise verändern. Welche Merkmale dieser neuen Form von "Fiscal Governance" werden künftig die Politikgestaltung in diesem Feld prägen?
Neue Symbiose zwischen "Markt" und "Staat"
Das Verhältnis zwischen "Markt" und "Staat" ist seit jeher ambivalent und theoretisch nur schwer zu fassen - schon weil angesichts der Globalisierung der Finanzmärkte die vereinfachende Reduktion auf "den" Markt und "den" Staat irreführend ist. Eine strikte Trennung zwischen beiden gesellschaftlichen Subsystemen, die vor allem durch die einflussreichen neoliberalen Theorien der Chicagoer School propagiert worden ist, besteht in der Realität so nicht - auch nicht in wirtschaftlichen "Normalzeiten". Zwar unterscheiden sich die Governance-Formen "Markt" und "Staat" grundlegend in ihren institutionellen Logiken. Oft wird allerdings nicht hinreichend in Rechnung gestellt, dass die Funktionsfähigkeit markt- und wettbewerblicher Organisationsformen von politischen und sozialen Voraussetzungen abhängt, "die sie selbst nicht erzeugen können".
Die Ursachen für die Herausbildung des symbiotischen Verhältnisses zwischen "Staat" und "Markt" sind in der Genese dieser Krise zu suchen, deren Wurzeln bis in die 1990er Jahre zurückreichen. Getrieben durch die konstante Niedrigzinspolitik der Zentralbanken, mit der eine weltweite Rezession infolge der Terroranschläge vom 11. September 2001 vermieden werden sollte, wuchs in den Jahren vor Ausbruch der Krise der Bedarf an rentablen Geldanlageformen. Angesichts der schon zuvor bestehenden Handelsbilanzungleichgewichte zwischen den wichtigsten Industriestaaten entfaltete diese Zinspolitik - auch aufgrund unterschiedlicher "Spar- und Verschuldungskulturen" - geografisch sehr unterschiedliche Wirkungen. In Ländern mit Handelsbilanzdefiziten und massiven Kapitalimporten wie den USA, Spanien, Portugal, Griechenland und Irland regte die Niedrigzinspolitik - meist flankiert durch gesetzliche Programme zum privaten Immobilienerwerb - die kreditfinanzierte Konsumnachfrage (private deficit spending) an. In Ländern mit Handelsbilanzüberschüssen und Kapitalexporten wie Deutschland, Japan oder China wuchsen die Sparquoten und die Nachfrage nach attraktiven Geldanlage- und Vorsorgeformen.
Die Finanzmärkte, die von Mitte der 1990er Jahre an sukzessive dereguliert wurden, reagierten auf die weltweiten Ungleichgewichte mit neuen Anlageprodukten. Diese wurden durch die massenhafte Bündelung und Zerlegung individueller Schuldtitel kreiert und als neue, hoch verzinste und kurzfristige Anlageformen weltweit an individuelle und institutionelle Anleger verkauft. Im Zuge der schrittweisen Wiederanhebung der US-Leitzinsen durch die Federal Reserve seit Mitte 2004 konnte eine wachsende Zahl privater Schuldner ihre Kredite nicht mehr bedienen. Als Mitte 2007 der Leitzins in den USA mit 5,25 Prozent den höchsten Stand seit 2001 erreicht hatte, kumulierten die Kreditausfälle der Banken, und es kam zu ersten Insolvenzen. Diese gipfelten am 15. September 2008 in der Zahlungsunfähigkeit der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers. Die weltweite Vertrauenskrise, die sich zwischen den Banken entwickelte, dauert bis heute an und beeinträchtigt den Interbankenhandel.
Da die Banken nicht mehr alleine in der Lage sind, das öffentliche Gut "Finanzmarktstabilität" - die zentrale Voraussetzung funktionsfähiger Realwirtschaften - zu gewährleisten, müssen die Nationalstaaten und die EU einspringen. Milliardenschwere "Schutzschirme" und Verstaatlichungen, die zur Rettung einzelner Finanzmarktakteure aufgrund ihrer vermeintlichen "Systemrelevanz" aus den öffentlichen Haushalten aufgebracht werden müssen, haben deshalb die öffentliche Verschuldung innerhalb kürzester Zeit massiv ansteigen lassen. Allein in Deutschland wuchs die Verschuldung des öffentlichen Gesamthaushalts von 1,552 (2007) auf 2,027 Billionen Euro (2011).
Gleichwohl ist offenkundig, dass sich der Staat langfristig nicht seiner fiskalischen Handlungsfähigkeit berauben darf, weil er regelmäßig als Ausfallbürge privater Finanzmarktakteure fungieren muss. Die Grenzen zwischen öffentlicher Finanzwirtschaft und globalisierter Marktwirtschaft, die im Zuge der Krise faktisch gefallen sind und damit eine neue Dimension von "Fiscal Governance" begründet haben, bedürfen auch vor diesem Hintergrund einer grundlegenden Neujustierung. Sinnfälligster Ausdruck für diese verschwommenen Grenzen ist das in der Bundesrepublik mit dem Gesetz zur Fortentwicklung der Finanzmarktstabilisierung (FStFEntwG) geschaffene Konstrukt der "Bad Bank". Diese erlaubt es angeschlagenen Banken, "toxische Papiere" in Zweckgesellschaften auszulagern, für die die 2009 geschaffene Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung (BaFin) in Vertretung des Bundes bis zu 20 Jahre lang mit Ausfallgarantien bürgt.
Die Symbiose zwischen Staaten und Finanzmärkten unterliegt einer Marktlogik, die sich von ihrer ursprünglichen Form der "Gegenseitigkeit des Tausches" hin zu massiven "kompetitiven Ungleichheiten" entwickelt hat und inzwischen das fiskalische Scheitern einzelner Staaten billigend in Kauf nimmt.
Problematisch wird die Symbiose zwischen Staaten und Finanzmärkten dann, wenn Länder aufgrund von Überschuldung und Bonitätsverlust, Wirtschaftsschwäche und geringer Finanzkraft faktisch nicht mehr in der Lage sind, die für roulierende Staatsanleihen fällig werdenden Zins- und Risikoaufschläge aus eigener Kraft aufzubringen. Die Sorge vor einem Totalausfall im Zuge eines Schuldenschnitts lässt Banken und Finanzmärkte deshalb extrem sensibel auf politische Entwicklungen insbesondere in krisengeschüttelten Staaten reagieren. Denn alle Entscheidungen oder Nicht-Entscheidungen werden dann - insbesondere von Ratingagenturen - als Ausdruck politischer Handlungsfähigkeit oder -unfähigkeit interpretiert. Die Finanzmärkte stellen ein Junktim her, das als Gegenleistung für die Stabilität der Märkte und geringere Risikoaufschläge für Staatsanleihen finanzpolitische Reformen zur Reduktion der Staatsverschuldung einfordert. Das Problem bei dieser extrem unsicheren Tauschbeziehung sind die Akteure. Denn bei ihnen handelt es sich eben nicht um monolithische Einheiten, sondern um hoch komplexe Akteurskonstellationen, die aufgrund massiver Informationsasymmetrien ein wechselseitiges Misstrauen gegeneinander hegen. Nichtsdestotrotz haben sich nahezu alle Mitgliedstaaten der Euro-Zone - neben der gemeinschaftlichen Auflage des EFSF (Europäische Finanzstabilisierungsfazilität) und des ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus) - zur Einführung sogenannter Schuldenbremsen sowie zur Umsetzung umfassender Sparprogramme verpflichtet. Im Ergebnis wird sich dadurch die ohnehin desolate Wirtschaftslage der krisengeschüttelten Länder Griechenland, Spanien, Italien und Portugal weiter verschärfen. Selbst ein Auseinanderbrechen der Eurozone aufgrund wachsender Wirtschaftkraftdisparitäten sowie unionsinterner Handelsbilanzungleichgewichte scheint nicht mehr ausgeschlossen.
Diese Krisenbekämpfungsstrategie begründet ein grundlegendes Dilemma: Mit der Verschlechterung der öffentlichen Haushaltslage - insbesondere in den wirtschaftsschwachen Südländern der Euro-Zone - ist es im Verlauf der Krise zur wachsenden Politisierung verschiedener Marktakteure gekommen. Beispielhaft dafür stehen die Ratingagenturen: Sowohl das Timing als auch die Verwendung zum Teil nicht nachvollziehbarer Kriterien zur Bewertung politischer Maßnahmen waren fragwürdig. Gleichzeitig erfährt die "Depolitisierung der Politik", die - gestützt auf das neoliberale Paradigma - über Jahrzehnte hinweg unausgesprochen zur Staatsräson vieler westlicher Industriestaaten zählte, eine bedenkliche Fortsetzung. Denn die Finanzmärkte verlangen nun einen möglichst radikalen und umfassenden Abbau der von ihnen maßgeblich mitverursachten öffentlichen Verschuldung. Die Forderung nach konsequentem Schuldenabbau impliziert meist Einschnitte in die sozialen Sicherungssysteme sowie eine Selbstbeschneidung des demokratischen Souveräns. In der Folge wachsen die Akzeptanz- und Legitimationsdefizite des politischen Systems und seiner Eliten.
Supra- bzw. Transnationalisierung der Finanzpolitik
In der Finanz- und Wirtschaftskrise lässt sich derzeit wie im Zeitraffer die Supra- bzw. Transnationalisierung eines Politikfeldes besichtigen. Nachdem die Vereinbarungen der G20 bisher nur rudimentär umgesetzt worden sind, versteht sich vor allem die EU immer mehr als Treiber eines gemeinsamen Krisenmanagements. Dies schließt neben Rettungsmaßnahmen zugunsten angeschlagener Mitgliedstaaten auch eine Koordinierung der nationalen Finanz- und Haushaltspolitiken ein. Dazu zählen die vorläufigen Rettungsschirme EFSM und EFSF mit einem Garantievolumen von 780 Mrd. Euro, der ständige Rettungsschirm ESM mit einem Darlehensvolumen von 500 Mrd. Euro, zwei Rettungspakete für Griechenland in Höhe von insgesamt 240 Mrd. Euro sowie der "Euro-Plus-Pakt", das sogenannte "Six-Pack" und der Fiskalpakt.
Die Finanz- und Haushaltspolitiken der Mitgliedstaaten bleiben davon nicht unberührt. So haben Governance-Instrumente wie Monitoring, Benchmarking und Peer Reviews ihren "weichen" Steuerungscharakter längst verloren. Denn alle EU-Mitgliedstaaten stehen inzwischen unter verschärfter wechselseitiger Beobachtung. Umfangreichere finanz- und haushaltspolitische Entscheidungen unterliegen Rechtfertigungszwängen, da die EU-Kommission durch die Einführung des sogenannten "europäischen Semesters" seit 2011 über das Recht verfügt, sich bereits in der Aufstellungsphase der nationalen Haushalte zu äußern. Auf diese Weise soll einer weiteren Verschuldung einzelner Mitgliedstaaten möglichst frühzeitig entgegengewirkt werden. Auch die "Schuldenbremse", die im Rahmen der Beratungen zur Föderalismusreform II in Deutschland durchaus umstritten war, avanciert mittlerweile zum Exportschlager. Zwischenzeitlich wurde sogar die Gewährung von Bürgschaften, Krediten und Finanzzuweisungen an die Einführung dieses Instruments gebunden. Im Dezember 2011 verpflichteten sich die europäischen Staats- und Regierungschefs flankierend auf eine Verschärfung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes.
Angesichts der maßgeblich durch die Finanzmärkte verursachten Verschuldungssituation der Mitgliedstaaten ist fraglich, ob dieses Instrumentarium einen Beitrag zur Vermeidung künftiger Krisen dieser Art zu leisten vermag. Mit Blick auf den nach wie vor nicht grundlegend reformierten Derivate- und Credit-Default-Swaps-Handel, bei dem gezielt auf die Insolvenz einzelner EU-Mitgliedstaaten gewettet wird, böte sich mit einer Einführung von Euro-Bonds wohl ein geeigneterer Ansatz, um derartige "Angriffe" abzuwehren. Angesichts der finanziellen Nachteile, die dabei vor allem Niedrigzinsländer wie die Bundesrepublik in Kauf nehmen müssten, waren entsprechende Vorschläge bisher allerdings nicht konsensfähig. Die Einführung von Euro-Bonds würde mit einer weiteren Vergemeinschaftung der nationalen Finanz- und Haushaltspolitiken einhergehen und Auswirkungen auf die Kreditaufnahme - als eine der wichtigsten Einnahmequellen - der Mitgliedstaaten haben.
Wie sehr sich die machtpolitischen Achsen in der europäischen Akteurskonstellation im Zuge der Krise verschoben haben, verdeutlicht das Beispiel der Europäischen Zentralbank (EZB). In Umgehung der eigenen Statuten, wonach gemäß Artikel 21 der "unmittelbare Erwerb von Schuldtiteln" von Unternehmen der Mitgliedstaaten verboten ist, hat die EZB auf dem Sekundärmarkt massiv Staatsanleihen der angeschlagenen Mitgliedstaaten Griechenland, Portugal, Spanien und Italien gekauft. Auf diese Weise sollen die Zinssätze und Risikoaufschläge für Staatsanleihen dieser Länder gedrückt und belastete Banken vor den Folgen eines möglichen Schuldenschnitts bewahrt werden.
Vertikalisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen
Der einschneidende Wandel von Fiscal-Governance-Formen auf europäischer Ebene korrespondiert mit diversen Maßnahmen in den Mitgliedstaaten. In Deutschland zeigt sich, dass die bisherigen Verfahren zur Bewältigung solcher Situationen nur bedingt geeignet sind. So kommt es im ausgeprägten "Exekutivföderalismus" der Bundesrepublik seit Ausbruch der Krise zu einer permanenten Überdehnung der parlamentarischen Abstimmungsmechanismen. Auch wenn die politischen Rettungsmaßnahmen vielfach mit Verweis auf die unausweichlichen ökonomischen Handlungsnotwendigkeiten als "alternativlos" und "unabdingbar" gerechtfertigt werden, sind die mittel- und langfristigen Folgen dieser verfahrensrechtlichen Legitimationsdefizite nicht nur für die Legislative, sondern auch für das Bund-Länder-Verhältnis gravierend.
Dabei ist es die besondere Art dieser Gesetzgebungsprozesse in Verbindung mit den absehbaren fiskalischen und institutionellen Langzeitfolgen, welche die Frage nach der Legitimität des Verfahrens aufwerfen. Als Beispiel lässt sich auf das Tempo verweisen, mit dem die Mehrzahl der Gesetze zur Krisenbewältigung das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren durchlaufen hat. Benötigen Einspruchsgesetze normalerweise durchschnittlich 201 Tage und Zustimmungsgesetze 217 Tage von der Einbringung bis zur Verkündung, so waren für die krisenbezogenen Gesetze im Durchschnitt nur 17 Tage erforderlich.
Nicht nur im Dreieck zwischen Legislative, Exekutive und Judikative, sondern auch im Bund-Länder-Verhältnis ist es zu einer machtpolitischen Achsenverschiebung gekommen. Denn in zentralen finanzpolitischen Entscheidungen der jüngeren Vergangenheit legten die Länder eine eigentümliche Selbstbeschränkung an den Tag. Diese deutet entweder auf einen mangelnden autonomen Gestaltungsanspruch oder einen faktischen Einflussverlust hin. So machte der Bundesrat von seinem Mitwirkungsrecht im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren zumindest in den Beratungen zum Konjunkturpaket II und zum zweiten Finanzmarktstabilisierungsgesetz nur bedingt Gebrauch. Stattdessen formulierte er "erhebliche verfassungsrechtliche Zweifel" und verband seine Zustimmung mit der Forderung nach Überarbeitung durch den Bund.
Das Krisenmanagement der Bundesregierung tangiert nicht nur den Bundesrat, sondern auch den Bundestag. Nicht umsonst hat die Kritik an der Missachtung der parlamentarischen Informations- und Kontrollrechte seitens der Bundesregierung seit der Finanz- und Wirtschaftskrise partei- und themenübergreifend erkennbar zugenommen.
Subjektivierung der Finanzpolitik
Das dominante Krisenmanagement der Exekutive in der Finanz- und Wirtschaftskrise scheint die Diskussion über neue Formen einer "Postdemokratie" auf den ersten Blick zu bestätigen.
Bereits im September 2011 hat das Gericht in einer bemerkenswerten Entscheidung festgestellt, dass es "für die Einhaltung der Grundsätze der Demokratie" darauf ankomme, "ob der Deutsche Bundestag der Ort bleibt, in dem eigenverantwortlich über Einnahmen und Ausgaben entschieden wird, auch im Hinblick auf internationale und europäische Verbindlichkeiten".
Letztlich verbirgt sich auch hinter den Diskussionen zur Frage nach möglichen Volksbefragungen über krisenrelevante Gesetzesvorhaben die Problematik einer "Subjektivierung" der Finanzpolitik.
Fazit und Ausblick
Die Finanz- und Wirtschaftskrise forciert einen Wandel der nationalen Finanzpolitik und berührt damit die demokratischen Grundfesten des parlamentarisch-föderalen Systems der Bundesrepublik. Zu den Merkmalen der "neuen" Fiscal Governance zählt eine Stärkung der Exekutive durch Supranationalisierung des Politikfeldes sowie eine Vertikalisierung der innerstaatlichen Finanzströme. Da der Bund - aufgrund seiner größeren haushaltspolitischen Flexibilität - maßgeblich für die Finanzierung der akuten Krisenbewältigung aufgekommen ist, hat sich auch in der Krise der Grundsatz von der "Anziehungskraft des größten Etats" bewahrheitet.
Paradoxerweise lässt sich zugleich eine "Subjektivierung" der Finanzpolitik beobachten, die nicht nur neues Veto- und Blockadepotenzial birgt, sondern auch die Gefahr weiterer Legitimations- und Akzeptanzverluste in sich trägt. Um dem Vertrauensschwund in weiten Teilen der Bevölkerung zu begegnen, gilt es die gegenwärtig dominierenden Maßnahmen zur Krisenbewältigung zu hinterfragen. Eine alleinige Fokussierung auf die öffentliche Haushaltskonsolidierung mag zwar die Finanzmärkte kurzfristig befrieden - die Gefahr einer neuerlichen Blasenbildung in Teilmärkten einschließlich massiver Beeinträchtigungen der Realwirtschaft lässt sich so jedoch nicht minimieren. Deshalb scheint eine EU-weite Regulierung der "grauen" Finanzmärkte als zweiter Arm einer Krisenbewältigungsstrategie unumgänglich.
Fiscal Governance sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene erfordert deshalb - mehr noch als in der Vergangenheit - eine umfassende und transparente Auseinandersetzung mit den nichtstaatlichen Akteuren der Finanzmärkte. Dafür muss gegebenenfalls auch ein Ausbau der administrativen Kapazitäten von Parlamenten und Verwaltungen vorgenommen werden.