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Editorial | Vollbeschäftigung? | bpb.de

Vollbeschäftigung? Editorial Wege zur Vollbeschäftigung - Essay Gute Arbeit: Leitbild einer zeitgemäßen Vollbeschäftigungspolitik - Essay Vollbeschäftigung: ein zeit- und gesellschaftskontingenter Begriff Vollbeschäftigung in Sicht? Zur Lage auf dem deutschen Arbeitsmarkt Mythos der Vollbeschäftigung und Arbeitsmarkt der Zukunft Kurze Geschichte der "Vollbeschäftigung" in Deutschland nach 1945 Ist Vollbeschäftigung für Männer und Frauen möglich? Annäherungen an eine Politik der Vollbeschäftigung in Europa

Editorial

Anne Seibring

/ 2 Minuten zu lesen

Mitten in Krisenzeiten hält das deutsche "Jobwunder“ an, Vollbeschäftigung wie in den 1960er Jahren scheint vielen wieder möglich. Ist das Vollbeschäftigungsziel unter veränderten wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen realistisch oder eine Illusion, ja ein Mythos?

Mitten in Krisenzeiten staunt die Welt über das German Job Miracle: Die Zahl der Arbeitslosen lag im Februar 2012 bei knapp über drei Millionen, die Arbeitslosenquote bei 7,4 Prozent, die Zahl der Erwerbstätigen ist auf über 41 Millionen gestiegen - ein beneidenswerter Zustand im wiedervereinigten Deutschland nicht nur im Vergleich zur Situation etwa in Griechenland oder Spanien. Befinden wir uns auf dem Weg zur "Vollbeschäftigung", wie sie bisher nur ein einziges Mal in der Geschichte der Bundesrepublik, im "Goldenen Zeitalter" der 1960er Jahre erreicht wurde? Oder ist das Vollbeschäftigungsziel eine Illusion, ja ein Mythos?

Von Arbeitslosenquoten von unter drei Prozent wie in den Jahren 1958 bis 1974 sind wir weit entfernt. Hinter dem Beschäftigungswunder der frühen Bundesrepublik stand eine historische Sondersituation: die Durchsetzung des auf standardisierter Massenproduktion und Massenkonsum beruhenden fordistischen Produktionssystems und der damit verbundenen sozialen Integration der Arbeiter im Wiederaufbauboom nach dem Zweiten Weltkrieg - unter weitgehendem Ausschluss von Frauen aus dem Arbeitsmarkt. Das sogenannte Normalarbeitsverhältnis, das zu jener Zeit institutionalisiert wurde, ist heute für viele Menschen nicht mehr zu haben - das aktuelle "Jobwunder" beruht zu einem erheblichen Teil auf der Ausweitung atypischer, nicht selten prekärer Beschäftigung.

Warum halten dennoch viele am Ziel Vollbeschäftigung, wie immer auch definiert, fest? Ein hoher Beschäftigungsstand kann für wirtschaftliche Nachfrage und Wachstum sorgen, und finanzielle Ressourcen wie auch gesellschaftliche Anerkennung sind eng mit der Teilhabe am Erwerbsarbeitsleben verknüpft, ebenso der Zugang zu Leistungen der sozialen Sicherungssysteme. Wer diesen Zusammenhang nicht aufbrechen will, etwa durch Einführung eines Grundeinkommens, der muss in Wahlkampfzeiten vor allem immer noch das eine glaubhaft versichern können: eine wirtschaftliche Entwicklung zu fördern, die bestehende Arbeitsplätze sichert und neue schafft.