Dieses Modell ist vielfach kritisiert worden, weil ein großer Teil rechtsextremer Erscheinungsformen gar nicht problematisiert wird. Zudem wird die Gleichsetzung von Links- und Rechtsextremismus kritisiert und die Annahme einer per se "unbedenklichen demokratischen Mitte". In den Sozialwissenschaften arbeitet man deswegen mit der Unterscheidung rechtsextremer Einstellungen und rechtsextremen Verhaltens. Rechtsextreme Einstellungen (siehe "Wesensmerkmale Rechtsextremismus", S. 6 f.) können, das zeigen Befragungen, auch in der Mitte der Gesellschaft verankert sein. Außerdem geraten so Erscheinungsformen in das Blickfeld, die nicht zwangsläufig strafrechtlich relevant oder schon im rechtsterroristischen Bereich angesiedelt sein müssen. Im sogenannten "Alltagsrassismus", sei es aus Unachtsamkeit oder absichtlicher Herabsetzung, tauchen rechtsextreme Einstellungen verbalisiert in Form von Stereotypen und Vorurteilen an vielerlei Orten auf, etwa im Restaurant, am Arbeitsplatz, im Fußballstadion, in der Schule etc.
Auch dort, wo Jugendliche oder Erwachsene ganz bewusst einen "rechten Lifestyle" leben wollen, bietet sich ihnen mittlerweile eine Vielfalt subkultureller Welten, die nicht immer nur an den „Rändern der Gesellschaft“ zu finden sind. Unterschiedlichste Modelabels (z.B. Thor Steinar, Erik and Sons) tragen dazu bei, die eigene rechtsextreme Gesinnung in modebewusster, weniger martialischer Gestalt auch nach außen darzustellen. Gleiches gilt für den rechtsextremen Musikmarkt, in dem es die rechtsextreme Metalband und den Hip-Hop genauso gibt wie die "nationale" Liedermacherin. Diese subkulturelle Vielfalt birgt manchmal sogar Verwechslungsmöglichkeiten zu eher linken Jugendkulturen (z.B. bei der Gruppe "Autonome Nationalisten (AN)"). Denn sowohl das vertraute Erscheinungsbild – Glatze, Springerstiefel und Bomberjacke – als auch die Organisation und Durchlässigkeit rechtsextremer Strukturen hat sich gewandelt. Nach zahlreichen Verboten rechtsextremer Organisationen in den 1990er und 2000er Jahren agieren Rechtsextreme nun stärker in losen Netzwerken. Als "Freie Kräfte" oder als "Autonome Nationalisten" können sie punktuell und konzentriert Handlungspotenzial entfalten (z.B. Konzerte, Demonstrationen, gewaltsame Übergriffe), sind aber für Polizei, Justiz und Politik schwerer zu greifen. Autonome Nationalisten fallen etwa durch ihre extreme Gewaltbereitschaft und schwarz-vermummte Kleidung auf, die sie vom "Schwarzen Block", also aus dem linksautonomen Spektrum übernommen haben.
Im rechtsextremen Parteienspektrum tritt derzeit nur die NPD als ernstzunehmende Größe in Erscheinung. Viele der hier erwähnten Entwicklungen (Musik etc.) lassen sich auch in ihrer Jugendorganisation, den "Jungen Nationaldemokraten (JN)",beobachten. Die NPD arbeitet dabei mit einer Doppelstrategie: Zum einen versucht man, sich bürgerlich-seriös zu geben, zum anderen öffnet sich die Partei auch den gewaltbereiten, freien Kräften. Aber auch hier gibt es neue Entwicklungen, die zunächst irritierend wirken können. Im Zuge einer versuchten Intellektualisierung rechtsextremer Kreise ("Neue Rechte") wurde das Konzept des sogenannten "Ethnopluralismus" betont. Dabei wird eine rassistisch-fremdenfeindliche Zielrichtung in der öffentlichen Rhetorik nicht biologisch begründet, sondern als "Sorge" um die "Bewahrung" der kulturellen Besonderheiten aller Völker geschminkt. In gleicher Weise bedient sich rechtsextreme Rhetorik heute wieder stark "sozialrevolutionären" Argumentationen und greift ökologische, soziale und Globalisierungsthemen auf, die gerade unter Jugendlichen diskutiert werden.
Quellen und weiterführende Informationen:
Stöss, R. (2010): Rechtsextremismus im Wandel. Bonn.
Online unter:Externer Link: http://library.fes.de/pdf-files/do/08223.pdf
Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ) 47/2008: Extremistische Parteien, Bonn 2008.