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Was darf Satire?

/ 3 Minuten zu lesen

Diese Frage ist nicht neu. Der Schriftsteller und Publizist Kurt Tucholsky, einer also, der das Metier wahrlich beherrschte, stellte sich diese Frage schon vor knapp einem Jahrhundert. In der Auseinandersetzung mit der Fragestellung zeigt sich: Jede Zeit gibt ihre eigenen Antworten. Was also darf Satire heute? Was muss sie – auch in Anbetracht unserer wechselvollen Geschichte – leisten? Was kann sie leisten? Nur noch so viel, wie Gesellschaft und Gesetz ihr erlauben?

Grundsätzlich gilt: Die Satire muss ihr Ziel mit Bedacht wählen. Doch erlaubt ist (auch), was nicht gefällt, denn Satire ist nicht einfach nur Komik und Parodie, sondern immer auch Angriff und Mittel der Kritik. Sie lebt von Verzerrung und Übertreibung. Der Satiriker "kann nicht wägen – er muss schlagen", schrieb Kurt Tucholsky 1919 in "Fromme Gesänge". Das gilt nach wie vor: Satire soll und muss treffen, wenn sie gut sein soll. Sie braucht die Provokation, die Ungerechtigkeit, das Überspitzen und Übertreiben bis hin zum Tabubruch. Satire ohne Biss ist keine!

Satire war und ist ein feines Messinstrument, an dem sich der Grad der Freiheit einer Gesellschaft ablesen lässt. Und man könnte durchaus meinen, dass es um unsere Freiheit recht gut bestellt ist, zumal im Vergleich zu Tucholskys Zeiten. Dennoch – oder gerade deshalb – haben Satiriker in der heutigen, global vernetzten Welt nur wenig Spielraum und werden oft angefeindet. Sie wandeln auf einem schmalen Grat. Schließlich wird das, was lustig ist, nicht überall und von jedem gleich wahrgenommen und empfunden. Daher müssen sich auch hierzulande vermehrt Gerichte mit der Frage befassen, die im gesellschaftlichen Diskurs offenbar nicht hinreichend verhandelt und beantwortet wird: Was darf Satire?

Außer Frage steht: Wer unter dem Deckmantel der Satire nur das Ziel hat, zu beleidigen oder zu verleumden, muss damit rechnen, zivil- oder strafrechtlich belangt zu werden. Doch bedacht werden muss auch, dass Satire – um mit Tucholsky zu schließen – ihrem tiefsten Wesen nach ungerecht ist: "Sie bläst die Wahrheit auf, damit sie deutlicher wird, und sie kann gar nicht anders arbeiten als nach dem Bibelwort: ‚Es leiden die Gerechten mit den Ungerechten.‘" (Berliner Tageblatt vom 27. Januar 1919) Also was darf die Satire? Alles! Auch hier und heute. Dabei gilt jedoch auch für Künstler und Journalisten Recht und Gesetz.

Satire im Unterricht

"Für Sarkasmus sind die Deutschen zu dumm", behauptete der Schriftsteller und Satiriker Walter Mehring (1896–1981). Damit hatte er gewiss nicht die Schüler an deutschen Schulen im Blick – schließlich war er kein Lehrer, sondern einer der bedeutendsten satirischen Autoren der Weimarer Republik. Gleichwohl bergen Satiren bis heute die Gefahr, vor allem von jungen Menschen, die noch wenig Sinn für Ironie und Sarkasmus haben, nicht als solche wahrgenommen oder missverstanden zu werden.

Aus diesen Gründen im Unterricht einfach auf sie zu verzichten, wäre aber sicherlich die falsche Konsequenz. Denn gerade eine Auseinandersetzung mit modernen, weniger "literarisch-verstaubten" Formen der Satire wie den "Neuesten Nationalen Nachrichten" verknüpft und fördert nicht nur literarisches, historisches und politisches Lernen, sie bietet auch die Möglichkeit, sich der perspektivischen Vermittlung von Wirklichkeit in den Medien und den Mitteln ihrer Umsetzung (Mehring hätte das wohl "Propaganda" genannt) bewusst zu werden.

Ob Deutsch, Geschichte oder politische Bildung, Unterricht in diesen Fächern darf sich der multimedialen Vielfalt neuer Zu- und Umgänge mit den Themen "Nationalsozialismus" und "Rechtsextremismus" keinesfalls verschließen. Schließlich fördert eine Auseinandersetzung mit Satire im Allgemeinen und satirischen Annäherungen an diese Themen im Speziellen nicht nur fachliche, sondern auch media-le Kompetenzen und Medienästhetik.

Bedenken sollte man gerade bei einer Beschäftigung mit den Themenfeldern "Nationalsozialismus" und "Rechtsextremismus", dass man hier mitunter auf bereits manifeste Vorurteile und Haltungen von Schülern stoßen kann. Will man diese Haltungen hinterfragen oder problematisieren, ist es wichtig, ihnen eine Chance zu bieten, um ihre Haltung im Diskurs mit anderen zu überprüfen.

Sind die Unterrichtsziele zu sehr auf die Erzeugung moralischer Wertvorstellungen gerichtet, stellen sie leicht eine zu hohe Messlatte dar, die für Störungen anfällig ist. Auch deshalb empfiehlt es sich, nicht scharf und moralisch anzuklagen – das übernimmt ohnehin die Satire.

Informationen:

www.ndr.de/fernsehen/sendungen/extra_3/ wir_ueber_uns/wasdarfsatire100.html

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