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Medienkompetenz als eine Schlüsselkompetenz für politische Urteils- und Handlungsfähigkeit | Medienkompetenz | bpb.de

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Medienkompetenz als eine Schlüsselkompetenz für politische Urteils- und Handlungsfähigkeit

Sabine Manzel

/ 12 Minuten zu lesen

Dieser Beitrag thematisiert die Notwendigkeit einer fachbezogenen Modellierung von Medienkompetenz und deren empirische Überprüfung im Politikunterricht. Die enge Verzahnung von Medien, Politik, Wissen und Partizipation verlangt eine konzeptionelle Auseinandersetzung der Politikdidaktik mit der Frage nach Überschneidungen zwischen Medien- und Politikkompetenz. Das Politikkompetenzmodell kann hier einen Anknüpfungspunkt bieten. Empirische Studien z. B. zum Lernzuwachs durch einen kompetenzorientierten Einsatz von traditionellen und neuen Medien im Politikunterricht, zur Wirkung von Medien auf Einstellungen und Partizipation und zur Veränderung von Politikinteresse bei Jugendlichen durch die Nutzung medialer Online-Formate sind noch rar.

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Verzahnung von Medien, Politik und Partizipation

Im November 2016 diskutierten Medienexpertinnen und -experten sowie Kindermedienmacherinnen und -macher auf der 5. KinderMedienKonferenz der Bundeszentrale für Politische Bildung die Herausforderungen hinsichtlich einer kritischen Mediennutzung, die sich einer mobilen Online-Generation, welche über zahlreiche Informationskanäle mit Nachrichten jeglicher Couleur und Vertrauenswürdigkeit versorgt wird, stellen. Im Dezember 2016 erläutert die Wirtschaftswissenschaftlerin und Soziologin Saskia Sassen auf der Berliner Konferenz Re:claim Autonomy – Selbstermächtigung in der digitalen Weltordnung ihre Analysen zu den Veränderungen von Demokratien im digitalen Zeitalter. Im Januar 2017 suchte der umstrittene Bestseller-Philosoph Richard David Precht beim Deutschen Medienkongress Antworten auf die Frage: Wohin steuert die Mediengesellschaft?

Diese scheinbar unverbundenen Ereignisse zeigen die enge Verzahnung von Medien, Politik und Gesellschaft und die damit einhergehenden Veränderungen in der Partizipation der Bürgerinnen und Bürger. Akteurinnen und Akteure aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Medien sind durch den schnellen Wandel von Technologien in sich verändernden Umwelten und politischen Systemen herausgefordert, den damit verbundenen Chancen und Risiken zu begegnen. Beim Buzzwort "Big Data" überschattet das negative Image von systemischer Überwachung, die Verletzung von Persönlichkeitsrechten und der Autonomieverlust die positiven Elemente von Automatisierung in Produktions- und Entscheidungsprozessen gerade auch für eine nachhaltige globale Entwicklung. Trotz einer umfassenden und in private Bereiche übergreifenden Ökonomisierung unter anderem durch Social Media finden Bürgerinnen und Bürger im World Wide Web Möglichkeiten der demokratischen Mitbestimmung und entwickeln innovative Instrumente, um wichtige Themen zu platzieren und zu verbreiten, ihre Interessen zu artikulieren und Veränderungen beginnend auf der lokalen Ebene anzustoßen. Partizipation weitet sich aus. Vier Merkmale kennzeichnen nach van Deth (2016: 3) bislang politische Partizipation:

  1. Aktivität – nicht allein reflektiertes Zusehen oder allgemeines politisches Interesse,

  2. Freiwilligkeit,

  3. Ausübung durch Bürgerinnen und Bürger in der Rolle von Amateurinnen und Amateuren,

  4. Partizipation betrifft Regierung, Politik und Staat, ist weder beschränkt auf politische Handlungen noch gebunden an politische Ebenen.

Doch neue Partizipationsformen werden insbesondere durch die Nutzung von neuen Medien sichtbar. "Activities that are not located in the government/state/politics arena can be considered as modes of political participation if they are targeted at that sphere" (ebd.: 10).

Dies markiert den Schnittpunkt zwischen politischer Urteilsfähigkeit, kommunikativer und partizipativer Handlungsfähigkeit und Medienkompetenz, um die es in diesem Beitrag unter einer Zielperspektive politischer Bildung gehen soll. Medienkompetenz als allgemeinpädagogische Aufgabe unterscheidet sich von einem mediengestützten Kompetenzerwerb und über Medienformate ausgeführte Kompetenzhandlungen in der Domäne Politik. Anhand des Politikkompetenzmodells wird theoretisch der Zusammenhang zwischen den vier Kompetenzdimensionen und Medien hergestellt.

Medienkompetenz als Schlüsselkompetenz

Seit der Aufklärung gilt als demokratisches Bildungsziel die Mündigkeit der Bürgerinnen und Bürger. Um sich angesichts der Informationsfülle der medialen Angebote seines eigenen Verstandes bedienen (Kant), ein begründetes politisches Urteil treffen und gegebenenfalls politisch handeln zu können, bedarf es unter anderem Medienkompetenz. Sie gilt als eine der drei zentralen Schlüsselkompetenzen in einer Gesellschaft (Rychen/Salganik 2003). Schlüsselkompetenzen sind abhängig von Kultur, politischem System, Macht und können sowohl auf der individuellen als auch der gesellschaftlichen Ebene gemessen werden. Bereits 1995 hat die Kultusministerkonferenz Medienkompetenz als Schlüsselqualifikation definiert, die der Ausformung der Persönlichkeit dient und letztlich zur Teilhabe an einer demokratischen Gesellschaft befähigt (KMK 2012: 1). Diese bildungstheoretischen Forderungen, die zwar normativ auf demokratische Partizipation abzielen, sind für die schulische politische Bildung und empirisch messbaren Lernerfolg jedoch zu unpräzise.

Die Medienpädagogik unterteilt Medienkompetenz in vier didaktische Bereiche: Medienkritik, Medienkunde, Mediennutzung und Mediengestaltung (Baacke 1997). Schulische Medienerziehung teilt sich nach Tulodziecki (1998) in fünf Aufgabenbereiche (vgl. Tab. 1).

Tab. 1: Medienkompetenz bei Tulodziecki

Kenntnisse über Medien, Analyse- und Urteilsfähigkeit
Nutzungsvoraussetzungen und -wirkungen von Medien (rezeptiv)

Gestaltungsmöglichkeiten von Medien (produktiv)

Bedingungen von Medienproduktion und Verbreitung (kritisch-reflexiv)

Aufgabenbereiche der Medienpädagogik
Auswählen und Nutzen von Medienangeboten

Eigenes Gestalten und Verbreiten von Medienbeiträgen

Verstehen und Bewerten von Mediengestaltungen

Erkennen und Aufarbeiten von Medieneinflüssen

Durchschauen und Beurteilen von Bedingungen der Medienproduktion und -verarbeitung

Quelle: Rosebrock/Zitzelsberger 2002: 155 (nach Tulodziecki 1998: 705)

An dieser Stelle wird nicht näher auf die einzelnen Strömungen und Debatten in und um die Medienpädagogik eingegangen. Festzuhalten bleibt, dass es klare Überschneidungen mit Teilkompetenzen der politischen Bildung gibt. So thematisiert z. B. die kritisch-präventive Medienpädagogik Risiken der neuen Medien, wie die Glaubwürdigkeit von politischen Online-Informationen oder das Manipulieren von Daten ebenso wie das Versenden von Spams und Shitstorms gegen politische Akteure.

Aktuelle Daten zur Mediengesellschaft in Deutschland

Nach Jarren leben wir in einer Mediengesellschaft, in der sich "die Vermittlungsleistung von Informationen durch die Medien [...] enorm beschleunigt hat, sich neue Medientypen herausgebildet haben, Medien immer engmaschiger die gesamte Gesellschaft durchdringen, Medien aufgrund ihrer hohen Beachtung- und Nutzungswerte gesamtgesellschaftliche Aufmerksamkeit erlangt haben und Anerkennung beanspruchen" (Jarren 1998: 74). Die Medienintegration schafft neue Verbindungen zwischen traditionellen und neuen Medien: Zeitung, Buch, Radio, YouTube-Videos, Internet und Social Media "sind digital miteinander verflochten und es gibt untereinander zahlreiche Übergänge zwischen der Informations- und Unterhaltungsbereitstellung" (Manzel 2007: 43).

Nahezu alle Jugendlichen verfügen über ein Mobiltelefon, einen Computer und Internetzugang (Shell Deutschland 2015). Nach der ARD/ZDF-Onlinestudie (www.ard-zdf-onlinestudie.de) von 2016 ist die "Zahl der Onlinenutzerinnen und -nutzer [...] auf insgesamt 58 Millionen gestiegen. Dies entspricht einem Anteil von 83,8 Prozent an der [...] Bevölkerung ab 14 Jahren in Deutschland" (Koch/Frees 2016: 419). Unterteilt nach Dimensionen verbringen Jugendliche 41 % ihrer Zeit im Netz mit Kommunikation, aber nur 10 % mit Informationssuche (MPFS 2016: 28).

Mit 54 % hat die Hälfte der befragten Familien ein Tageszeitungsabonnement, allerdings lesen von den Jugendlichen nur 13 % die Tageszeitung offline und 6 % online (ebd.). Interessanterweise ist bei ihnen jedoch die Glaubwürdigkeit von Informationen für 41 % an die Tageszeitung gebunden und nur für 15 % an das Internet. Wie Tabelle 2 zeigt, gibt es hier leichte Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen sowie zwischen den Schulformen.

Tab. 2: Glaubwürdigkeit von Informationen (in %)

Mädchen Jungen Haupt-/Realschule Gymnasium
Zeitung

42

40

35

46

Radio/TV

45

39

46

39

Internet

11

18

15

14

Quelle: MPFS 2016: 13

Doch nicht nur bei der Glaubwürdigkeit gibt es Unterschiede. Die Spaltung aufgrund sozioökonomischer Verhältnisse in die sogenannten Digital Natives und schwer erreichbare, von der Netzkommunikation abgehängte Gruppen, die elektronische Möglichkeiten der Information und Partizipation nicht nutzen, zeigt deutlich die Dringlichkeit der politischen Aufgabe, die soziale Ungleichheit zu verringern, und die Notwendigkeit politischer Bildung (vgl. das Schwerpunktthema der zweiten Jahrestagung der Transferstelle für politische Bildung im Dezember 2016). Damit junge Menschen alle Medienformate nutzen können, bedarf es des Interesses für politische und gesellschaftliche Themen. "Jugendliche, die sich als politisch interessiert bezeichnen, informieren sich zu 74 % aktiv über Politik. Wer sich hingegen wenig oder gar nicht für Politik interessiert, tut dies nur zu 10 % (Shell Deutschland 2015: 21). Politisches Interesse und politische Kompetenz gehen einher mit Medienkompetenz, denn "ohne die Fähigkeit zur kompetenten Mediennutzung, zum Informationsmanagement und zum flexiblen Wissenserwerb wird die Partizipation" an Politik, Ökonomie und Kultur problematisch (Koring 2000: 137).

Der Zusammenhang von Medien und Wissen ist der Anker für Politische Bildung. Massenmedien beeinflussen das Wissen. Aber "erst die Inhalte und deren Verarbeitung machen Informationen zu Wissen und ermöglichen die Konstruktion zusammenhängender und bedeutungsvoller Wissensnetze" (Mandl u. a. 1998: 6). "Trotz der weltweiten Ausbreitung der Massenmedien wissen aber viele Menschen nach wie vor nur sehr wenig über Politik, und das Wissen innerhalb der Gesellschaft ist heute sogar noch ungleicher verteilt als früher" (Wissensklufthypothese, Maurer 2001: 65). "Das Internet kann mit der Kluft, die durch den Wissens-Content verläuft, einer Fragmentierung der Öffentlichkeit und einer medialen Klassengesellschaft durchaus Vorschub leisten" (Manzel 2007: 56). Die digitale Spaltung verstärkt Effekte der Stratifizierung des Bildungssystems, was nach Rabuza zu ungleicher Wahlbeteiligung je nach formalem Bildungsstand führt (Rabuza 2016: 2).

Medien und Politikkompetenz

Entscheidend für die Politikdidaktik ist die Verzahnung von Medien mit dem Politikkompetenzmodell von Detjen u. a. (2012) mit den vier Kompetenzdimensionen "Fachwissen", "politische Urteilsfähigkeit", "politische Handlungsfähigkeit" und "Einstellung/Motivation" sowie dem ausdifferenzierten Modell der Teilkompetenz politische Urteilsfähigkeit nach Manzel und Weißeno (2017; vgl. Abb. 1).

Massenmedien haben in einer demokratischen Gesellschaft die Aufgaben der Meinungsbildung, Kontrolle, Unterhaltung, Information und Bildung potenziell aller Gesellschaftsmitglieder. "Medien dienen der politischen Informationsvermittlung und sind daher im Politikunterricht einerseits Quelle inhaltlicher Themen, andererseits verlangen sie entsprechendes Wissen über Produktions- und Rezeptionsbedingungen sowie Medien- und domänenspezifische Kompetenzen" (Manzel 2007: 44). Hier zeigen sich klare Überschneidungen zur schulischen Medienkompetenz nach Tulodziecki (vgl. Tab. 1). Auch wenn der Großteil der Unterrichtsmedien auf Basis der öffentlichen Medien und der medial vermittelten Politik produziert wird, haben dennoch Unterrichtsmedien für sich keine eigenständige Didaktik, sondern entwickeln didaktisches Potenzial immer nur in Verbindung mit den Inhalten, Zielen, Methoden und der Adaptivität zur Zielgruppe.

Wichtigste individuelle Voraussetzung für Lernerfolg mittels Medien ist Informationskompetenz (information literacy). Dabei ist Wissen als individueller Faktor erkannt, der "von Menschen generiert wird, an diese Menschen gebunden ist, auf Erfahrungen und Einstellungen beruht und sich nur in sehr eingeschränktem Maße externalisieren und übertragen lässt (tacit knowledge)" (Nohr 2000: 4).

Alle vier Kompetenzdimensionen des Politikkompetenzmodells können mediengestützt und durch Mediennutzung ausgebildet werden. Massenmedien selbst sind ein Fachkonzept, das Schülerinnen und Schüler im Politikunterricht im Rahmen des Fachwissens erwerben und zusammen mit anderen Fachkonzepten vernetzen können (Weißeno u. a. 2010). Bei der Vermittlung von Wissen kommt es auf die politischen Inhalte und deren kognitive Verarbeitung in den semantischen Netzen der Schülerinnen und Schüler an. Nach dem Social-Cognition-Ansatz spielt die Informationsverarbeitung und die Interaktion von neuen Informationsreizen und vorherigem Wissen eine Rolle beim Urteilen (Betsch u. a. 2010: 17 f.).

Abb. 1: Modell der politischen Urteilsfähigkeit

Quelle: Manzel/Weißeno 2017: 71

Schülerinnen und Schüler fällen politische Urteile basierend auf Fachkonzepten und ihrer argumentativen Verknüpfung gemäß der Kompetenzdimension "Urteilsfähigkeit". Des Weiteren sind Medien ein Mittel, um politische Handlungsfähigkeit – sei sie nun kommunikativ oder partizipativ – auszuüben (Detjen u. a. 2012). Wird z. B. ein Schwerpunkt auf Interaktion gelegt, stehen Pro-Kontra-Diskussion, Online-Foren und politische Planspiele im Vordergrund; bei der Präsentation kann Politikunterricht neben dem Erwerb von Arbeitstechniken auf Reflexion und kritisches Feedback abzielen (Baacke 1997). Dabei hängt kommunikatives Handeln eng mit dem politischen Urteilen zusammen. Alte wie neue Medien tragen zur politischen Sozialisation bei und nehmen somit Einfluss auf die Kompetenzdimension "Einstellung/Motivation".

Tab. 3: "WLAN in der Schule darf ich mit dem Handy nutzen ..." (in %)

Alter 12/13 14/15 16/17 18/19
Schulform

Haupt- und Realschule

Gymnasium

... im Unterricht für den Unterricht

4

5

6

18

3

10

... in der Pause

5

3

5

8

3

6

... nie, obwohl WLan vorhanden

34

29

29

18

28

30

Kein WLan an der Schule

56

62

60

56

66

54

Quelle: MPFS 2016: 48

Medienkompetenz, die auf fachlicher Ebene Wissen, kritische Reflexivität in der Bewertung der fachlichen Informationen, Handlungsfähigkeit und kommunikative Interaktion im Sinne politischer Argumentation umfasst, wird zu einer wichtigen Aufgabe auch für die politische Bildung und die politische Urteilsbildung sowie zum Zugangsticket für Partizipation. Diese theoretischen Annahmen sind aber in der Politikdidaktik noch nicht empirisch überprüft. Im deutschen Politikunterricht gibt es bislang wenige evaluierte praktische Unterrichtsbeispiele, weshalb der Einsatz von neuen Medien in diesem Fach nur ansatzweise erforscht ist (Motyka/Lipowski 2017; siehe auch Motyka in diesem Band). Insgesamt betrachtet, mangelt es in Deutschland an politikdidaktischen Studien zum Wissens- und Kompetenzerwerb mit alten und neuen Medien. Generell ist die Ausstattung deutscher Schulen mit neuen Medien und ihr Einsatz im Unterrichtsgeschehen sowie die Medienkompetenz der Lehrkräfte eher unterentwickelt. In den Erläuterungen zum Förderprogramm "Neue Medien in der Bildung" des Bundesministeriums für Bildung und Forschung hieß es im Jahr 2000: "Trotz der wertvollen Initiativen einiger Bundesländer im Bereich der Lehreraus- und Fortbildung sind hier weitere Anstrengungen notwendig" (BMBF 2000: 9). 17 Jahre später möchte Bundesbildungsministerin Johanna Wanka mit dem DigitalPakt#D die rund 40.000 Schulen in Deutschland mit digitaler Ausstattung wie Breitbandanbindung, WLAN und Geräten versorgen (BMBF 2016). Ob sich die bisherige Ausstattungs- und Nutzungsrate des WLAN-Netzes im Unterricht dadurch erhöht und sich auch der Unterschied zwischen den Schulformen verringert, bleibt abzuwarten (vgl. Tab. 3).

Die Schülerinnen und Schüler sind in der digitalen Wissensgesellschaft schon lange weiter: Sie nutzen den PC und das Internet bei Hausaufgaben nicht nur für Texte und Präsentationen, sondern auch als Informationsquelle. 28 % "nutzen innerhalb von 14 Tagen YouTube, um dort Erklärvideos zu Themen aus der Schule anzusehen. Sieben Prozent nutzen täglich Wikipedia oder vergleichbare Angebote" (MPFS 2016: 47). Die außerschulische politische Bildung hat bereits bei politischen Erklärvideos nachgezogen (z. B. Youtube-Videos von der Medieninitiative mesh collective, Externer Link: www.meshcollective.de). Die Politikdidaktik hat hier Nachholbedarf.

Politikunterricht und Medien

Immer noch aktuell ist die Forderung von Weißeno, in einer kompetenzorientierten Unterrichtsplanung zu klären, "wie fachspezifische Ziele und Methoden mit dem Einsatz der Medien verbunden werden können", und Lernumgebungen zu schaffen, "die neue und traditionelle Medien, handlungs- und buchorientierte Methoden integrieren" (Weißeno 2002: 12 f.). Dabei lassen sich drei Dimensionen unterscheiden: "Erstens können öffentliche Medien Gegenstand einer Unterrichtsreihe werden, zweitens können Unterrichtsmedien wie ein Zeitungstext oder Internetinformationen zum Arbeitsmittel werden, um politische Inhalte für Lernprozesse zu transportieren, und drittens können Sprechakte über Medieninhalte selbst zum Medium werden" (Manzel 2007: 48). Notwendig ist eine kriterienorientierte Medienauswahl, die mit dem Fokus auf den Kompetenzerwerb (Detjen u. a. 2012) und die Partizipationschancen von mündigen Bürgerinnen und Bürgern in einer Demokratie zugleich normativ begründet ist. Dabei können neue Medien als Instrumente politischer Partizipation thematisiert werden, als kreative Lernprodukte oder aktivierende Lernumgebung.

Das klassische Bürgerleitbild von kritischen Zeitungsleserinnen und -lesern oder kritischen Fernsehzuschauerinnen und -zuschauern reicht nicht in einem kompetenzorientierten Politikunterricht: "Politische Bildung schrumpft dann zur Dienstleistung für den verständigen Gebrauch der Publizistik und Politik, reduziert sich auf das Bild, das Medien von ihr vermitteln" (Massing 2002: 42). Bis heute ist die Frage nicht geklärt, um welche neuen Konzepte die politische Bildung ihren bisherigen mediendidaktischen Kanon erweitern muss, um Teilhabe und Teilnahme an politischen Willensbildung- und Entscheidungsprozessen zu ermöglichen. Ambivalent sind die Ergebnisse von Studien zur Wechselwirkung von Medien, Interesse an politischer Berichterstattung, bürgerschaftlichem Engagement und politischer Einstellungen (z. B. Soßdorf 2016, Hauk 2016, Owen 2006, Marr 2005). Hier gilt es weiter zu forschen.

Literatur

Baacke, Dieter (1997): Medienpädagogik. Grundlagen der Medienkommunikation, Tübingen.

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Kultusministerkonferenz (KMK) (2012): Medienbildung in der Schule (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 08.03.2012), Berlin, Externer Link: http://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/2012/2012_03_08_Medienbildung.pdf (Stand: 07.01.2017).

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Manzel, Sabine (2007): Kompetenzzuwachs im Politikunterricht, Ergebnisse einer Interventionsstudie zum Kernkonzept Europa, Münster.

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Motyka, Marc/Lipowsky, Frank (2017): Mögen die Spiele beginnen. Eine Forschungsagenda für das digitale, spielbasierte Lernen im Politikunterricht, in: Manzel, Sabine/Schelle, Carla (Hrsg.): Empirische Forschung zur schulischen politischen Bildung, Wiesbaden, S. 171 – 179.

Nohr, Holger (2000): Wissen und Wissensprozesse visualisieren, in: ders. (Hrsg.): Wissensmanagement: Wie Unternehmen ihre wichtigste Ressource erschließen und teilen, Göttingen, S. 41 – 60.

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Rychen, Dominique/Salganik, Laura (Hrsg.) (2003): Key Competencies for a Successful Life and a Well-Functioning Society, Göttingen.

Shell Deutschland (Hrsg.) (2015): Jugend 2015. 17. Shell-Jugendstudie, Frankfurt/Main.

Soßdorf, Anna (2016): Zwischen Like-Button und Parteibuch. Die Rolle des Internets in der politischen Partizipation Jugendlicher, Wiesbaden.

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Weißeno, Georg (Hrsg.) (2002): Politikunterricht im Informationszeitalter, Schwalbach/Ts.

Weißeno, Georg/Detjen, Joachim/Juchler, Ingo/Massing, Peter/Richter, Dagmar (2010): Konzepte der Politik. Ein Kompetenzmodell, Schwalbach/Ts.

Manzel, Sabine, Dr., Professorin für Didaktik der Sozialwissenschaften sowie Leiterin der CIVES School of Civic Education an der Universität Duisburg-Essen; Forschungsschwerpunkte u.a.: Sprache und fachliches Lernen, Professionskompetenz von Lehrkräften.