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Medienkompetenz als klassisches Ziel politischer Bildung
Die Vermittlung medienbezogener Kompetenzen war bereits vor Anbruch des Digitalzeitalters Anfang des 21. Jahrhunderts (zu dieser Datierung vgl. Hilbert/López 2011) eine wichtige Aufgabe politischer Bildung und ein Anliegen der Politikdidaktik. Medienkompetenz ist ein klassisches Ziel politischer Bildung in der Mediendemokratie und beinhaltet dabei insbesondere folgende, den raschen Wandel an verfügbaren bzw. genutzten Medien grundsätzlich überdauernde Aspekte:
ein Verständnis für die Rolle der (Massen-)Medien als "Vierte Gewalt" einer modernen Demokratie (z. B. Sarcinelli 2009), also das Wissen um die Relevanz von Medien als intermediäres System – als Transmissionsriemen politischer Willensbildung zwischen Regierung/Parlament und Bevölkerung, als Informationsbasis für die persönliche Meinungs- und Raum der öffentlichen Willensbildung –, das eine wertvolle politische Kontrollfunktion erfüllt und zu Transparenz und Legitimität von Politik beitragen kann.
die Fähigkeit zur kritischen Analyse des Verhältnisses von Politik und Medien in der Mediendemokratie (Meyer 2010: 199 ff., Sarcinelli 1993), basierend auf Kenntnis und Reflexion der "Logik des Politischen" (Meyer 2010: 80 ff.) sowie der Selektions- und Darstellungslogik des Mediensystems, Verständnis der Funktionsweisen des "Politainments" (Dörner 2001) sowie Sensibilität für die Gefahren einer "Kolonisierung der Politik" durch die Medien ("Mediokratie", Meyer 2001).
die Fähigkeit, Medien für die Informationsgewinnung und politische Meinungsbildung einzusetzen; dazu gehören zum einen instrumentelle Fähigkeiten der Recherche, zum anderen die Fähigkeit der (insbesondere auch quellen)kritischen Reflexion angebotener Informationen und Bewertungen. Erforderlich hierfür sind unter anderem Kenntnisse über die Bedeutung von Nachrichtenfaktoren (z. B. Betroffenheit, Personalisierung oder Schaden) für die Bildung des "Nachrichtenwertes" (Schulz 1976, Kepplinger 1998) sowie über die politische Orientierung und Interessen spezifischer Medien.
die Fähigkeit, Medien aktiv zur politischen Partizipation, zur eigenen Mitwirkung an der öffentlichen politischen Willensbildung zu nutzen; auch diese Teilkompetenz hat grundsätzlich eine instrumentell-technische und eine kritisch-reflexive Seite.
die Fähigkeit, die Regulierung des Mediensystems sowie die Interaktion von Politik und Medien politisch zu beeinflussen; diese setzt die zuvor genannten Teilkompetenzen voraus, geht jedoch über sie hinaus und bedarf umfassenderer politischer Kenntnisse, Urteils- und Handlungsfähigkeiten.
In diesem Sinne ist Medienkompetenz ein traditionelles Ziel politischer Bildung. Um sie zu vermitteln, werden Medien einerseits zum Gegenstand politischer Bildung, andererseits sind sie ein Element der Gestaltung politischer Bildung als Unterrichtsmedium (zu diesem "Doppelcharakter" von Medien z. B. Massing 2001: 40, vgl. auch Tulodziecki u. a. 2010).
Klassische didaktische Zugänge zur Vermittlung einer politikbezogenen Medienkompetenz sind die Auseinandersetzung mit kommunikations- und politikwissenschaftlichen Theorien zum Verhältnis von Politik und Medien sowie den verschiedenen, sich zunehmend überlagernden Logiken des Medien- und Politiksystems, ein Vergleich der tagesaktuellen Berichterstattung in verschiedenen Medien (z. B. zwischen konkurrierenden Tageszeitungen, zwischen Presse und TV), das Verfassen von Pressemitteilungen und Leserbriefen, die Herstellung eigener (Schüler-)Zeitungen oder medienwirksam die Politik bzw. das Schulleben betreffende Aktionen. Hinsichtlich der Regulierung des Mediensystems bieten sich herkömmlich z. B. die Themen Kartellbildung, Zugang von Medien zur Politik oder Grenzen der Pressefreiheit mit Blick auf Persönlichkeitsrechte bei Karikaturen für die politikdidaktische Aufbereitung an.
Politikbezogene Medienkompetenz im digitalen Zeitalter
Die oben genannten Aspekte der Medienkompetenz als Ziel politischer Bildung haben auch im digital age grundsätzlich Gültigkeit. Weiterhin gilt es, Medien zur eigenen Informationsgewinnung und politischen Urteilsbildung rezeptiv nutzen und eigene politikbezogene Medienbeiträge aktiv gestalten und verbreiten zu können. Dabei geht es weiterhin nicht nur um Erwerb bzw. Vermittlung technischer Kenntnisse und Fertigkeiten, sondern auch der Fähigkeit, Bedingungen der Informationsselektion und -darstellung zu durchschauen und zu beurteilen (vgl. z. B. Herzig/Martin, Manzel und Hauk in diesem Band; vgl. auch Sander 2017). Mit der Entwicklung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien hat sich allerdings die Gestalt der Mediendemokratie, der Gesellschaft und Öffentlichkeit, damit auch die Art der zu vermittelnden Medienkompetenzen und auch die Bandbreite verfügbarer Unterrichtsmedien verändert. Wie in Teil I des vorliegenden Bandes anschaulich beschrieben, hat das Internet nicht nur zu einer enormen Steigerung der Zugänglichkeit von Informationen geführt, sondern zugleich auch eine stetig wachsende Flut an ungeordneter Information mit sich gebracht. Dies erfordert neue bzw. angepasste Recherche-, Selektions-, Einordnungs- und Verifikationsfähigkeiten der Bürgerinnen und Bürger. Die klassischen Medien verlieren ihre Funktion als Gatekeeper (siehe Jarren/Klinger und Kneuer in diesem Band), was auf Seiten der Bürgerinnen und Bürger ein neues Maß an Orientierungsfähigkeit verlangt.
Diese setzt Wissen um die Rahmenbedingungen der Informationsbereitstellung daraus, dazu zählen heute im digitalen Raum Kenntnisse über die Existenz und Funktionsweisen von Algorithmen (siehe Schaar in diesem Band), ein Bewusstsein des Problems von Filterblasen und Echokammern (siehe Busch und Jarren/Klinger in diesem Band), die unter anderem durch die automatisierte zielgruppenspezifische Bereitstellung von Informationen in sozialen Medien gefördert werden (auch in Wahlkämpfen, siehe Jungherr in diesem Band), Sensibilität für die Verbreitung von Fake News, Wissen um die Existenz und Funktionsweise von Social Bots (programmgesteuerte, menschliche Kommunikation imitierende Profile in sozialen Medien) sowie um die spannungsreiche Rolle von Whistleblower-Plattformen – ihrem wertvollen Beitrag zur "vernetzten Vierten Gewalt" wie auch die Gefahr ihrer politischen Instrumentalisierung (siehe Hintz in diesem Band).
Für die Einordnung und kritische Bewertung von netzbasierten Informationen bedarf es weiterhin, und vielleicht mehr denn je, auch eines politischen Grund- und Orientierungswissens: Es reicht nicht aus, Online-Suchmaschinen bedienen zu können – um neue Informationen einordnen, Fake News als solche identifizieren und die eigenen Kenntnisse sinnvoll erweitern zu können, ist auch ein strukturiertes politisches Vorwissen erforderlich (vgl. Weinert 1999: 28, Weinert 2000: 9).
Durch die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien haben sich nicht nur die Angebote, sich politisch zu informieren, verändert, sondern auch die Möglichkeiten, selbst politisch aktiv zu werden und an der politischen Willensbildung und Entscheidungsfindung teilzuhaben: Für die netzbasierte Teilhabe sind spezielle instrumentelle Fähigkeiten vonnöten, um mit Reichweite aktiv zu werden (siehe Hoffmann in diesem Band), etwa für das Erstellen sichtbarer, gut auffindbarer Posts und Blogs oder die Gründung und Pflege sozialer Internet-Gruppen. Zentral ist aber ebenso die kritische Reflexion der Bedingungen einer netzbasierten Partizipation, die in manchen Fällen auch ein Nicht-Handeln (z. B. Verzicht auf das Klicken des Like-Buttons bzw. das Weiterleiten bei ungeprüfter Skandalnachricht) nahelegen kann. Berücksichtigt werden müssen dabei Probleme des Datenschutzes und Herausforderungen für die Datensouveränität (siehe Schaar in diesem Band; vgl. auch Gapski 2015) sowie Gefahren einer zunehmenden Überwachung der Bürgerinnen und Bürger, aber auch die Herausforderungen von Cyber-Mobbing und Hate Speech, die Nutzerinnen und Nutzer davon abhalten können, sich im Netz politisch einzumischen (siehe Hoffmann in diesem Band).
Um die Potenziale des Internets für eine stärker partizipatorische Demokratie zu nutzen, sind zudem kommunikative Kompetenzen unerlässlich – Studien zur mangelnden deliberativen Qualität von Online-Diskursen unterstreichen dies (siehe Kersting in diesem Band). Es gilt, auch im Netz eine demokratieadäquate politische Kultur zu entwickeln. Schließlich ist für politisches Handeln im sich wandelnden Mediensystem auch Wissen um institutionalisierte Beteiligungsmöglichkeiten der e-democracy (siehe Kneuer in diesem Band), wie Online-Petitionen oder netzbasierte Bürgerberatungsforen, erforderlich.
Angesichts eines in der aktuellen Medienumbruchphase, die von einer rasanten Differenzierung und Neuinstitutionalisierung von Medien geprägt ist, weitgehend unregulierten Mediensystems (siehe Jarren/Klinger in diesem Band), hat der bei den eingangs dargestellten Elementen einer politikbezogenen Medienkompetenz zuletzt genannte Aspekt – die Fähigkeit zur Beeinflussung der Rahmenbedingungen und Regulierung des Mediensystems, also eine grundsätzliche Politikkompetenz bezüglich Mediennutzung und -regulierung als Policy-Feld, kurz eine medienpolitische Kompetenz – heute eine besondere Relevanz. So gilt es, durch politische Regeln eine "algorithmische Diskriminierung" (siehe Schaar in diesem Band) zu verhindern, sich für den sinnvollen Ausbau der Strukturen einer blended participation (siehe Kersting und Kneuer in diesem Band) einzusetzen, sich mit der Regulierung eines zunehmend digitalen Wahlkampfes, beispielsweise einem Verbot des höchst problematischen Wahlwerbemittels der dark posts (siehe Busch in diesem Band), auseinanderzusetzen oder angesichts kurzlebiger Datenträger das kulturelle Gedächtnis der Menschheit langfristig zu sichern (Sander 2017).
Medienkompetenz als Ziel politischer Bildung umfasst demnach heute mehr denn je neben Baackes (1997) klassischen vier Dimensionen der Medienkompetenz ein fünftes zentrales Element: eine Urteils- und Handlungskompetenz in Bezug auf Medien als Policy-Feld – neben Medienkunde, Medienkritik, Mediennutzung und Mediengestaltung geht es politischer Bildung vor allem auch um die Vermittlung einer medien- bzw. netzpolitischen Kompetenz.
Es gilt also, in der politischen Bildung neue Medien und politikbezogene Nutzungsformen kritisch zu reflektieren und dazu zu befähigen, deren Rahmenbedingungen zu gestalten – die (angehenden) Bürgerinnen und Bürger sollten die Regeln der Nutzung neuer Medien politisch mitbestimmen können. Hierfür ist die gesamte klassische Politikkompetenz erforderlich: Notwendig sind Kenntnisse über Polity, Politics und Policy-Optionen, eine entwickelte politische Urteilsfähigkeit, politische Handlungsfähigkeit (die wiederum an den heutigen Medienwandel angepasst ist, siehe oben), eine Unterstützung demokratischer Normen und Werte als Grundlage der Austragung politischer Konflikte sowie Motivationen, die sich auf Politik im engeren Sinne beziehen (vgl. Modell der Politikkompetenz von Detjen u. a. 2012).
Wie Medienkompetenz in der politischen Bildung auf Höhe der Zeit zu vermitteln ist, welche Wege hierfür unter welchen Bedingungen vielversprechend sind – sowohl auf Ebene der inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Thema neue Medien/digitale Gesellschaft (inkl. Behandlung der Aspekte Algorithmen, Filterblasen, Datenschutz, Social Bots, Hate Speech etc.) als auch auf Ebene der Integration neuer Medien in den Politikunterricht bzw. die außerschulische politische Bildung – diesbezüglich hat die politikdidaktische Forschung deutlichen Nachholbedarf (siehe Hauk und Manzel in diesem Band). Einigkeit dürfte bestehen, dass schulische und außerschulische politische Medienbildung stärker verzahnt werden sollten (wofür die Ganztagsschule besondere Chancen bietet) und dass Lehrende beider Felder einer Professionalisierung bedürfen, also einer systematischen Integration von fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Fähigkeiten der Medienkompetenzförderung in ihre Aus- und Weiterbildung (siehe Bruggen/Bröckling, Eickelmann und Hugger in diesem Band).
Bezüglich des Einsatzes neuer Medien in der politischen Bildung treffen heute zumeist wenig evidenzbasierte Überzeugungen aufeinander. So wird z. B. über Chancen und Gefahren der Formulierung politischer Urteile in Form von Twitter-Nachrichten im Rahmen des Politikunterrichts auf Fachtagungen trefflich gestritten. Praktikerinnen und Praktiker berichten von positiven Erfahrungen mit einer solchen Aufgabenstellung, während manche Politikdidaktikerinnen und -didaktiker darin ein Zeichen des Verfalls anspruchsvoller politischer Bildung sehen. Grundsätzlich muss betont werden, dass Medienvielfalt in der politischen Bildung gefragt ist, der didaktische Wert von Medien sich jedoch immer aus ihrer Verbindung mit Zielen und Inhalten sowie der Berücksichtigung von Lernergruppe und Lehrendenfähigkeiten ergibt; dabei geht es im Übrigen nie um ein Maximum an Methoden- und Medienvielfalt, sondern um ein "Optimum" (Helmke 2012: 265 f.).
Die Nutzung neuer Medien und neuer, lebensweltkonformer Kommunikationsweisen (zum aktuellen Mediennutzungsverhalten von Kindern und Jugendlichen siehe insbesondere Tillmann in diesem Band) im Unterricht sollte sicherlich nicht verteufelt werden – es macht keinen Sinn, die Welt hier künstlich aus dem Unterricht auszusperren, wegen der Motivationskraft eines lebensweltorientierten Unterrichts, aber auch zwecks Befähigung zum konkreten Handeln in eben dieser Lebenswirklichkeit. Zugleich sollte sich politische Bildung keineswegs auf digitale Kommunikationsformen und -technologien reduzieren – neue und traditionelle Unterrichtsmedien sind nicht gegeneinander auszuspielen (Weißeno 2001; für eine breite Übersicht ausgewählter Medien politischer Bildung vgl. Besand/Sander 2010). Angesichts der vorherrschenden Unterrichtswirklichkeit gilt es heute allerdings, die Chancen digitaler Medien für eine abwechslungsreiche und motivierende, kognitiv aktivierende und kompetenzorientierte politische Bildung deutlich zu unterstreichen (siehe zu digitalen Schulbüchern Macgilchrist, zu Computerlernspielen Motyka und zu Online-Planspielen Oberle u. a. in diesem Band). Ein angemessener Einsatz neuer Medien kann bei Lernenden sowohl den kompetenten Umgang mit ihnen als auch die aufgeklärte und kritische Reflexion hierüber fördern – diese generelle Annahme sollte allerdings in spezifischen Settings politischer Bildung systematisch empirisch erforscht werden.
Politische Bildung und Medienbildung haben zahlreiche Schnittmengen und greifen in vielfältiger Weise ineinander – es ist an der Zeit, dass sich Politikdidaktik und Medienpädagogik bezüglich Theoriebildung, empirischer Forschung und Praxisprojekten verstärkt konstruktiv austauschen. In der Politikdidaktik ist teilweise ein Zerrbild der Medienpädagogik anzutreffen, der ein Fokus auf eine rein instrumentelle Mediennutzungsbefähigung nachgesagt wird. Die insbesondere in Teil II des Bandes versammelten Beiträge widersprechen diesem Bild: So wenden sich nicht nur Bardo Herzig und Alexander Martin sowie Angela Tillmann explizit gegen eine Verkürzung von Medienkompetenz auf "technische Handhabungs- und Bedienfertigkeiten" und fordern, dass deren Förderung unbedingt von einer Stärkung der kritisch-reflexiven Urteilsfähigkeit, der Befähigung zum sozialverantwortlichen Handeln sowie der gezielten Behandlung netzpolitischer Fragen flankiert wird.
Zu den einzelnen Beiträgen
Die folgenden Beiträge des dritten und letzten Teiles des vorliegenden Bandes wenden sich Medienkompetenz als spezifischer Herausforderung der politischen Bildung zu. Dabei wird – stets vor dem Hintergrund des aktuellen Medienwandels – sowohl auf die Zieldimension der Medienkompetenz im Kontext politischer Bildung eingegangen als auch auf Wege zur Förderung von Medienkompetenz im Politikunterricht und den Einsatz neuer Medien in der politischen Bildung.
Zunächst fokussiert Dagmar Hoffmann den Wandel der politischen Sozialisation von Heranwachsenden in Zeiten von Mediatisierung und Digitalisierung. Sie diskutiert unter anderem, inwieweit das Internet und seine Infrastrukturen zur politischen Aktivierung beitragen können. Dabei werden sowohl die Partizipationspotenziale des Netzes als Ermöglichungsraum beleuchtet als auch Handlungsblockaden benannt, wenn z. B. durch grenzverletzendes Kommunikationsverhalten von Mediennutzerinnen und -nutzern das Internet zu einer Sphäre schwer kontrollierbarer sozialer Anfeindung und Stigmatisierung gerät. Hieraus ergibt sich die Forderung, Heranwachsende nicht nur dazu zu befähigen, mit neuen Medien umzugehen, sondern sie auch gezielt dazu zu ermutigen, sich hierüber politisch einzubringen.
Sabine Manzel fordert in ihrem Beitrag eine fachbezogene Modellierung von Medienkompetenz und deren empirische Überprüfung im Kontext von Politikunterricht. Für die notwendige konzeptionelle Auseinandersetzung der Politikdidaktik mit der Frage nach Überschneidungen zwischen Medien- und Politikkompetenz zeigt sie Anknüpfungspunkte auf, die das Modell der Politikkompetenz nach Detjen u. a. (2012) bietet. Darüber hinaus macht sie deutlich, dass angesichts des außerordentlich dünnen Forschungsstandes weitere empirische Studien unverzichtbar sind, etwa zum Lernzuwachs durch einen kompetenzorientierten Einsatz von traditionellen und neuen Medien im Politikunterricht oder zur Veränderung von politischem Interesse und politischen Einstellungen Jugendlicher durch die Nutzung medialer Online-Formate.
Hieran schließt Dennis Hauk an, der wie Manzel unterstreicht, dass sich das politikdidaktische Potenzial von digitalen Medien erst in Verknüpfung mit Zielen und Inhalten des Unterrichts ergibt und sich im spezifischen Einsatz durch die Lehrkraft sowie in der jeweiligen Nutzung durch Lernende entfaltet. Nach einem Überblick über Studien der empirischen Unterrichtsforschung zu neuen Medien und politischer Bildung fordert der Autor eine vertiefte theoretisch-konzeptionelle Auseinandersetzung der Politikdidaktik mit Fragen der Medienkompetenz und unterstreicht ebenfalls die Notwendigkeit weiterer empirischer Studien. Er zeigt darüber hinaus Konsequenzen aus den bislang vorliegenden empirischen Befunden für die Praxis politischer (Medien-)Bildung auf.
Felicitas Macgilchrist fokussiert in ihrem Beitrag das Medium Schulbuch: Sie kartiert die Chancen und Herausforderungen von kostenpflichtigen, kostenlosen und offenen (OER) digitalen Schulbüchern und diskutiert deren unterschiedliche Potenziale für den politischen Fachunterricht anhand von drei Typen: PDF-Digitalisate, die leichter zugänglich und leichter vom Gewicht sind als gedruckte Schulbücher, multimedial-interaktive born-digital Schulbücher, die neue Individualisierungs- und Differenzierungsmöglichkeiten anbieten, sowie konstruktiv-interaktive digitale Schulbücher, in denen Schülerinnen und Schüler selbst Wissensangebote konstruieren und Inhalte editieren können.
Marc Motyka wendet sich in seinem Beitrag dem digitalen spielbasierten Lernen (digital game-based learning) in der politischen Bildung zu. Zahlreiche Computerspiele lassen sich auf Themen des Politikunterrichts beziehen. Wissenschaftlich kaum untersucht ist allerdings, inwiefern digitale Spiele das Politik-Lernen nachhaltig unterstützen können. Anhand konkreter Beispiele und unter Berücksichtigung von Ergebnissen empirischer Studien zeigt der Autor Chancen und Probleme digitaler Lernspiele für den kompetenzorientierten Politikunterricht auf. Er plädiert zum einen für die Entwicklung hochwertiger Computerlernspiele, die Politik im engeren Sinne fokussieren und Hinweise zu instruktionaler Unterstützung und Debriefing enthalten, zum anderen für Lehrerfortbildungen zum Einsatz digitaler Lernspiele im Politikunterricht.
Die Autorengruppe der Universität Göttingen und der planpolitik GbR, bestehend aus Monika Oberle, Simon Raiser, Björn Warkalla, Konstantin Kaiser und Johanna Leunig, widmet sich in ihrem Beitrag abschließend den Potenzialen digitaler Planspiele in der politischen Bildung. Während Planspiele sich als Methode der politischen Bildung etabliert haben und ihr didaktisches Potenzial in der Literatur umfangreich besprochen ist, sind Versuche, die Möglichkeiten von Planspielen in einer Online-Umgebung zu erschließen, relativ neu. Der Beitrag diskutiert die mit digitalen Planspielen in der politischen Bildung verbundenen Chancen und Herausforderungen und präsentiert Ergebnisse einer Pilotstudie, die den Einsatz von Online-Planspielen zu einem politischen Entscheidungsprozess des Europaparlamentes an Schulen begleitend beforscht hat. Abschließend erfolgen Vorschläge für die Weiterentwicklung von digitalen Planspielen sowie für deren weitere empirische Erforschung.
Die Beiträge in Teil III des Bandes knüpfen implizit oder explizit an die vorhergehenden Teile an. Dabei zeigt sich, dass Diskurse der Politikwissenschaft, Kommunikationswissenschaft, Medienpädagogik und Politikdidaktik sich gegenseitig bereichern und fruchtbar ineinandergreifen können. Gefordert ist eine erweiterte, interdisziplinäre (nicht zuletzt auch unter Berücksichtigung der pädagogischen Psychologie) Auseinandersetzung mit politikbezogener Medienkompetenz und politischer Medienbildung. Der vorliegende Band möchte hierfür als Anstoß dienen.
Literatur
Baacke, Dieter (1997): Medienpädagogik, Tübingen.
Besand, Anja/Sander, Wolfgang (Hrsg.) (2010): Handbuch Medien in der politischen Bildung, Schwalbach/Ts.
Detjen, Joachim/Massing, Peter/Richter, Dagmar/Weißeno, Georg (2012): Politikkompetenz – ein Modell, Wiesbaden.
Dörner, Andreas (2001): Politainment – Politik in der medialen Erlebnisgesellschaft, Frankfurt/Main.
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Helmke, Andreas (2012): Unterrichtsqualität und Lehrerprofessionalität: Diagnose, Evaluation und Verbesserung des Unterrichts, 4. Aufl., Seelze-Velber.
Hilbert, Martin/López, Priscilla (2011): The World’s Technological Capacity to Store, Communicate, and Compute Information, in: Science, Heft 6025, S. 60 – 65.
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Sarcinelli, Ulrich (1993): Mediale Politikdarstellung und politisches Handeln: analytische Anmerkungen zu einer notwendigerweise spannungsreichen Beziehung, in: Jarren, Otfried (Hrsg.): Politische Kommunikation in Hörfunk und Fernsehen, Opladen, S. 35 – 50.
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