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Medien sind in der Erwachsenenbildung seit jeher von Bedeutung: in den Lesegesellschaften des ausgehenden 18. Jahrhunderts, als Arbeiter-Radio-Bewegung im 19. Jahrhundert, den Offenen Kanälen und Bürgerradios, dem Bürgerstadtteilfernsehen und nicht zuletzt den E-Learning-Wellen der vergangenen Dekaden (z. B. Wittpoth 2001, Stang 2003, Pietraß 2015). Das ist allerdings nur die praktische Seite. Hinsichtlich der theoretischen und empirischen Erkundung des Konnex Medien und Erwachsenenalter lässt sich in vielerlei Hinsicht Handlungsbedarf anmelden. Zurückzuführen ist dieser nicht zuletzt auf eine wissenschaftshistorisch gewachsene Zersplitterung des pädagogischen Diskurses (Schmidt-Hertha/Rohs 2017). Im Mittelpunkt der medienpädagogischen Auseinandersetzungen stehen traditionell Kinder und Jugendliche. Geraten Erwachsene hier in den Blick, dann vorwiegend aus der Perspektive von Medienerziehung – verbunden mit der Frage, inwiefern sie in ihrer Rolle als Eltern oder Pädagoginnen und Pädagogen den Herausforderungen der pädagogischen Begleitung und Kontrolle des kindlichen Medienhandelns gewachsen sind.
Die Erwachsenenbildung wiederum hat "traditionell ein eher ambivalentes Verhältnis zu Medien und Medienpädagogik" (Pietraß 2015). Zwar sind Medien hier punktuell immer wieder Gegenstand der Auseinandersetzung; die empirischen Befunde ebenso wie die theoretischen und konzeptionellen Überlegungen der Medienpädagogik finden dabei indes nur rudimentär Berücksichtigung (Stang 2003: 12). In der Konsequenz mangelt es an Grundlegungen, die kontinuierlich und zielgruppenadäquat über Bedarfslagen informieren und damit die pädagogische Medienpraxis im Erwachsenenalter in ihren Konzepten und Handlungsmodellen fundieren. Die nachfolgenden Ausführungen sind vor diesem Hintergrund nicht als Überblicksdarstellung zu verstehen; vielmehr bündeln sie als Auseinandersetzung mit den Spezifika und Herausforderungen der Gegenwart fachübergreifend Überlegungen, die einer Konzeption von Initiativen zur Förderung von Medienkompetenz im Erwachsenenalter zugrunde zu legen sind.
Erwachsensein zwischen Entgrenzung und Diversität
Jede Auseinandersetzung mit dem Erwachsenenalter hat sich zunächst die Frage zu stellen, was darunter angesichts sich wandelnder kultureller und gesellschaftlicher Lebensbedingungen eigentlich zu verstehen ist. Die Bezeichnung "Erwachsener" beruht auf einer Differenzmarkierung. "Es handelt sich um die Differenz zwischen denjenigen, die entweder noch nicht erwachsen sind und diesen Lebensabschnitt antizipieren, und denjenigen, die sich formal oder individuell bereits in diesem Lebensabschnitt befinden und die Spezifik ihres Lebensabschnittes bewusst in Kontrast zu vorangegangenen Lebensabschnitten wahrnehmen und gegebenenfalls betonen" (Marotzki u. a. 2006: 94).
Angesichts der Umbrüche und Erosionen gesellschaftlicher und sozialer Ordnungen ist diese Differenzmarkierung in vielerlei Hinsicht in Auflösung begriffen. In der traditionell strukturierten Welt der Moderne waren Altersgrenzen klar markiert. Kulturelle Leitbilder beinhalteten konkrete Vorstellungen darüber, welche Erscheinungsformen, Verhaltensweisen und soziale Rollen für welches Alter als "angemessen" und sozial akzeptiert galten. Sie bildeten einen verlässlichen Orientierungsrahmen für Subjektivierungsprozesse bis in das hohe Lebensalter. "Wie werde ich alt?" – mit jener Frage konfrontieren uns gegenwärtig zahlreiche Publikumszeitschriften, Ratgeberbücher, Internetforen oder Fernsehtalkshows. Sie machen darauf aufmerksam, dass sich Lebensalterszuschreibungen verändert haben und damit auch die Rollen des Erwachsenen mit dem stereotypen Vorrat an traditionellen Leitbildern kaum mehr hinreichend beschreibbar sind (Keupp 2011). "In dem Maße, in dem Erwachsene nicht mehr als fertiger Mensch, sondern als einer angesehen wird, der auch noch in der Entwicklung begriffen ist, in dem Maße stehen auch seine erworbenen Orientierungen zur Disposition" (Marotzki u. a. 2006: 94).
Wenn Identität zu keinem Zeitpunkt als endgültig geformt und abgeschlossen gelten kann, dann verschwimmen nicht nur die Grenzen zwischen unterschiedlichen Altersgruppen (Entgrenzung der Lebensalter); es werden auch Ähnlichkeiten in der Bewältigung von Lebensanforderungen und der Suche nach Lebensorientierungen sichtbar (ebd.). Zu Recht problematisiert Stang angesichts dieser Entwicklungen die "Segmentierung des medienpädagogischen Diskurses", die jenen Anforderungen einer lebenslangen und Lebensalter übergreifenden Orientierung nicht mehr gerecht werde. So gäbe es "Expert/inn/en für Kinder oder Jugendliche, für Erwachsene und Senioren", "doch eine medienpädagogische Konzeptionierung in Bezug auf das lebenslange Lernen" stehe noch aus (Stang 2003: 20). Angesichts der Vielfalt sozialisationsbedingter und kultureller Unterschiede (Diversität) gilt es somit den Blick auf verschiedene Lebenslagen zu richten und mediale Teilhabe und mithin Bildungschancen im Erwachsenenalter vor dem Hintergrund z. B. von Alter, Geschlecht, sexueller Orientierung, sozialer Lage, ethnischer und kultureller Herkunft, Gesundheit/Behinderung zu denken.
Orientierung als Zielperspektive
Welche Herausforderungen stellen sich vor diesem Hintergrund in Hinblick auf die Förderung von Kompetenzen im Umgang mit Medien? Unbenommen des Diskurses, der im Kontext der Medienpädagogik gerade über deren Leitbegriffe geführt wird (Medienkompetenz vs. Medienbildung) stimmen viele Positionen darin überein, dass der Begriff der Orientierung zentrale Zielperspektiven medienpädagogischer Forschung und Praxis eint. Orientierung, so Stegmaier ist zu kennzeichnen als jene Leistung des Subjektes, "sich in einer Situation zurechtzufinden, um in ihr erfolgsversprechende Handlungsmöglichkeiten auszumachen, durch die sich die Situation beherrschen lässt" (Stegmaier 2008: 151). Orientierungen werden in Medien bewusst oder unbewusst als Informationen, aber auch als Werte und Leitmotive subjektorientierten wie sozialen Handelns gesucht und extrahiert (Schorb/Hartung 2017: 278).
Die individuelle Sicht auf das soziale Umfeld, die Auseinandersetzung mit den eigenen Entwicklungsanforderungen, aber auch die Bewertung zeithistorischer Ereignisse sind entscheidend durch Medien mitkonstituiert. Orientierung in hochkomplexen mediatisierten Lebenswelten setzt ein Wissen über diese selbstverständlich voraus. Darunter zu fassen ist einerseits ein Wissen, das dem Umgang mit den Medien als Techniken zugrunde gesetzt ist. Dieses Funktionswissen wird allerdings nur dann zu erschließen und in der pädagogischen Praxis zu vermitteln sein, wenn es sich nicht allein als durch die Technik determiniertes begründet, sondern nach dem Sinn der mit dem Wissen verbundenen Anwendungen für den Menschen fragt. Als Strukturwissen ermöglicht es dem Subjekt, den disparaten medialen Informationen eine Bedeutung zu verleihen und damit die Voraussetzungen und Bedingungen des eigenen Denkens und Handeln in komplexen Medienwelten zu erkennen, so etwa die unterschiedlichen medialen Erscheinungsformen und Akteure, vor allem aber die mit ihnen verknüpften poltisch-ökonomischen Interessen. "Das Wissen darum, wie globale Computernetze aufgebaut sind und wessen Verfügung diese unterliegen, erlaubt es, Sicherheit im Umgang mit den Medien zu gewinnen und das Gefühl des Ausgeliefertseins rational-analytisch angehen zu können" (Schorb 2009: 331).
Durch die Fähigkeit zur Medienbewertung sind Menschen in der Lage, mediale Informationsbestände nicht nur zu sammeln und nach formalen Kriterien zu ordnen; diese ermöglicht es ihnen darüber hinaus, Informationen nach Wertungskriterien auszuwählen, zu revidieren und in neuen Zusammenhängen zu denken (ebd.: 332). Der Gewinn einer solchen Reflexion ist die Fähigkeit zur Medienkritik, das bewusste Sich-in-ein-Verhältnis-Setzen zu Medien und ihren Erscheinungsformen, um diese bewertend zu unterscheiden. In Gesellschaften, in denen global agierende Medienkonzerne persönliche Daten immer umfänglicher und selbstverständlicher ausspähen und demokratiefeindliche Kräfte Medien für ihre Zwecke instrumentalisieren ist Medienkritik als Ressource lebensweltlicher Orientierung für ein selbstbestimmtes und kompetentes Handeln des Menschen unabdingbar (Niesyto 2017: 271).
Orientierung zum Medienhandeln in unterschiedlichen Lebenshorizonten
Mit dem Begriff der Orientierung korreliert jener der Situation. "Die Situation ist das, womit Orientierung zu tun hat, und sie "bewältigt" sie, indem sie mit ihr "zurechtkommt" und damit "weiterkommt"" (Stegmaier 2008: 151). Jede Situation ist standortgebunden. Sie ist abhängig von der Position des Einzelnen in der Welt. Die Situation des Einzelnen erfordert eine Orientierung; sie beinhaltet aber auch schon eine Orientierung. Sie geht allem Denken und Handeln des Subjektes voraus, insofern diese immer schon gegenwärtig oder bereits vorgängig ist, wenn sich dieses denkend äußert oder handelnd bewegt (Hirsch 2009: 644). Mit Hilfe der im Rahmen unserer Lerngeschichte internalisierten Vorstellungen von Selbst und Welt machen wir uns ein ikonisches und begrifflich phänomenales Bild unseres Selbst in unserer natürlichen und sozialen Umgebung, das unser Denken und Handeln leitet.
Nehmen wir als Beispiel die Anforderungen, die sich an die Medienerziehung in unterschiedlichen pädagogischen Kontexten stellen. Eltern sehen sich heute mehr denn je vor die Herausforderung gestellt, in einer doppelten Rolle von Erziehenden und Lernenden zu bestehen. Angesichts eines oftmals deutlichen Wissensvorsprunges ihrer Kinder fällt es ihnen oft schwer, deren Medienhandeln reflektierend und unterstützend zu begleiten. Dieser Umstand ist nicht nur für den innerfamiliären Medienumgang folgenreich, sondern für alle Bereiche der Aus- und Weiterbildung. In schulischen Kontexten ist das Verhältnis häufig dadurch belastet, dass Heranwachsende angesichts des eigenen Wissens- und Erfahrungsvorsprunges die Medienpraxis des älteren Lehrpersonals als defizitär bewerten, während diese aus Angst vor Anerkennungs- und Autoritätsverlust die Einbindung neuer Medien in ihre pädagogische Arbeit scheuen (z. B. Röll 2008: 59 ff.). Entscheidend für die vermeintlich defizitäre Medienpraxis älterer Generationen aber sind, so zeigen die Analysen des Bildungswissenschaftlers Burkhardt Schäffer, nicht etwa kommunikativ-generalisierte Wissensaspekte, die den Zugang zu und Umgang mit neuen Medien moderieren und damit auch die Bereitschaft, sich entsprechendes handlungspraktisches Wissen anzueignen. Weitaus tragender erweisen sich konjunktive Aspekte, welche "die generationenspezifischen Formen des Erwerbs handlungspraktischen Wissens beeinflussen" (Schäffer 2003: 338).
Angesichts ihrer spezifischen Mediensozialisation haben ältere Generationen mitunter grundlegend andersartige Handlungs- und damit Lernpraxen im Umgang mit Medien ausgebildet. In der Konsequenz sind sie gefordert, entsprechendes Wissen "mühsam auf dem Weg kognitiv-rational strukturierter Vergegenwärtigung" zu erarbeiten (ebd.: 322). In Projekten der Medienkompetenzvermittlung werden diese erfahrungsbedingten Orientierungen häufig nicht hinreichend berücksichtigt; curricular-förmig wird stattdessen ein Medienfunktionswissen vermittelt, das als neue und gleichsam alleinige Kulturtechnik dargeboten wird.
Ein anderes Beispiel: Infolge der Flüchtlings- und Zuwanderungsdynamik der vergangenen Jahre in Deutschland und Europa ist die Problematik der medialen Orientierung auch als Thema der Migrationspolitik virulent. Der Forschungstand ist hier noch lückenhaft; wir wissen jedoch, dass gerade Internet und Smartphone von großer Bedeutung sind, um einerseits mit Familie und Freunden in Kontakt zu bleiben und damit die emotionalen Herausforderungen einer krisenbehafteten neuen Lebenssituation zu bewältigen und um andererseits sich in der Kultur des Ankunftslandes orientieren und in dieser einrichten zu können. Orientierungsmöglichkeiten werden inzwischen auch von einigen Medienanbietern gestaltet, so etwa die Website News for Refugees, die aktuelle Informationen für Geflüchtete in Deutschland zur Verfügung stellt und in kurzen Erklär-Videos über das politische System Deutschlands informiert.
Einschränkend ist jedoch zu konstatieren, dass diese medial forcierten Integrationsbemühungen – mit Ausnahme der sprachlichen Übersetzungsleitungen – ihren Ausgangspunkt überwiegend in den Orientierungen der Zuwanderungskultur haben und damit von den Interessen und Perspektiven der einladenden Mehrheitsgesellschaft geformt sind (Mörsch 2016: S. 69). Gleiches gilt für viele Projekte, die gesellschaftliche Partizipation über den Weg medienpädagogischer Projekte versprechen. So berichtet z. B. der Sprecher der Organisation Jugendliche ohne Grenzen Mohammed Jouni in einem Interview, wie wenig die Erfahrungen und Perspektiven Geflüchteter selbst in die Konzeption und Praxis von Projekten der kulturellen Bildung eingehen (Ziese 2016: 156 f.) und damit gleichsam ein (in gesamtgesellschaftlicher Hinsicht) konstruktives Aushandeln und Austarieren der unterschiedlichen Lebensorientierungen blockiert werde.
Orientierung zum Medienhandeln in wechselnden Lebenshorizonten
Orientierung ist nicht unabhängig von den besonderen Voraussetzungen des Menschen, "der Individualität seiner Kräfte" und des je eigenen Horizontes (Stegmaier 2004: 259) denkbar. Aufschlussreich sind in diesem Zusammenhang die Überlegungen des Bildungswissenschaftlers Krassimir Stojanow. Im Mittelpunkt seiner Ausführungen steht die Frage, wie unter den Bedingungen gegenwärtiger posttraditioneller Gesellschaften Bildungsprozesse angestoßen werden, "ohne sich dabei auf einen gemeinsamen und übergreifenden Überlieferungskomplex stützen zu können, der die gegenseitige Andersheit der Perspektiven der Akteure bildungsbezogener Interaktionen" (Stojanow 2006: 11) transzendieren kann. In Anschluss an anerkennungstheoretische Diskurse (insbesondere die Überlegungen Axel Honneths) vertritt er die Auffassung, dass sich "Bildungsprozesse zwischen Ego und Alter-Ego und als immanente Dimension sozialer Interaktionen und ihrer Dynamik ereignen" (ebd.: 13). Am Beispiel der interkulturellen Pädagogik zeigt er, dass diese sowohl im Kontext institutionalisierter Erziehungspraktiken als auch bei einschlägigen Theorieentwürfen derart strukturiert ist, dass sie zusätzliche Missachtungserfahrungen insofern generiert, als sie sich auf eine Semantik des "zwischen zwei Kulturen" fixiert (ebd.: 198).
Nicht anders verhält es sich in vielen Projekten der intergenerativen Medienarbeit. Das Zwischen des Miteinanders kreist hier vornehmlich um eine medienbezogene Wissens- und Erfahrungsdifferenz, die durch eine Weitergabe von Kenntnissen wie Techniken und Fertigkeiten zu überwinden gesucht wird. In den Mittelpunkt solcher Lernumgebungen wird oftmals nicht das Gemeinsame gerückt, dass sich erst im wechselseitigen Bezug aufeinander entfalten kann und damit der Bezeichnung intergenerationell erst Berechtigung verleiht, sondern vielmehr ein vereinseitigendes und asymmetrisches Lernverhältnis, in dem Lerninhalte in keinem inneren Zusammenhang zur Lebenswelt der Lernsubjekte stehen. Schäffter (2000: 20) betont, dass eine solche "Benennungspraxis" auch als "Lernzumutung" empfunden werden kann, da der Lerngegenstand seine Bedeutung schließlich erst vor dem Hintergrund individueller Relevanzstrukturen und Lebenserfahrungen erhält.
Orientierung im Dialog eigener und fremder Vernunft
Jede Orientierung hat ihre Begrenzung darin, "dass die Belange, mit denen man es gegenwärtig zu tun hat, irgendwo enden" (Stegmaier 2008: 151). Medienpädagogisch gewendet beinhaltet dieser Umstand die Frage, wie Orientierung angesichts eines anhaltenden gesellschaftlichen und medialen Wandels möglich ist. Wenn wir mit Stegmaier davon ausgehen, dass Orientierung "das Sich-Zurechtfinden-Können in einer neuen, fremden Situation" ist, dann ist die fremde Vernunft der eigenen Orientierung und damit auch dem Handeln hilfreich, "gerade weil sie fremd ist" (Stegmaier 2004: 145). Sich auf das Fremde einzulassen, eröffnet die Möglichkeit, die eigenen Vorstellungen kontinuierlich zur Disposition zu stellen, sich mithin neu- und umorientieren zu können. In Orientierungskrisen, so Stegmaier könne uns "fremde Vernunft helfen, neue Orientierung zu finden"; sie könne uns auf diese Weise "neue Handlungs- und Lebensmöglichkeiten" eröffnen (ebd.: 146).
Was bedeutet dies für die Praxis? Nehmen wir die Veränderungsdynamiken der Gegenwart ernst, so können sich Initiativen der Erwachsenenbildung nicht allein auf eine punktuelle Förderung eines technisch-kompetenten Umganges mit einem Medienformat beschränken. Projekte der Medienkompetenzförderung haben nur ihren Sinn, weil diese an den Erfahrungen, Lebenslagen und Alltagsanforderungen und den damit verknüpften Artikulations- und Verständigungsinteressen der Akteurinnen und Akteure ansetzen. Dazu gehört auch, diesen selbst einen aktiven Anteil an der Gestaltung jener Lernkonstellationen zuzusprechen und eine prinzipielle Offenheit des Projektverlaufes zuzulassen.
Geschehen kann dies etwa, wenn wie im Ansatz der Themenzentrierten Medienarbeit (Schorb/Keilhauer 2010) nicht Medien, sondern individuelle und gesellschaftliche Problemlagen in den Mittelpunkt gerückt werden. Medienkompetenz wird dabei in unmittelbarer Verknüpfung mit einer Themenbearbeitung eher indirekt gefördert – "vom Wissen über Medienfunktionen über das kritische Reflektieren von Medienwirkungsabsichten bis zur Nutzung der Medien zur Partizipation und Mitgestaltung" (ebd.). Nicht zuletzt gilt es Gelegenheitsstrukturen zu schaffen, die über die Begegnung unterschiedlicher Orientierungen ein Denken in Alternativen und damit eine Erweiterung von Sichtweisen auf Selbst und Welt anregen. Das ist nicht zuletzt relevant, weil das Erwachsenenalter sowohl eine Lebensphase der Erkundung neuer Möglichkeiten und Lebensweisen als auch der Entstehung neuer Formen der Vergemeinschaftung ist.
Um diese Zusammenhänge weiter zu erhellen, bedarf es jedoch einer weiteren theoretischen und empirischen Fundierung, die medienbezogene Lern- und Bildungsprozesse im Erwachsenenalter vor dem Hintergrund pluraler Lebensformen, im Kontext unterschiedlicher Milieus und Lebenslagen systematisch in den Blick nimmt und in transdisziplinären Reflexionen die Kenntnisse der Erziehungswissenschaft mit jenen der Medienpädagogik verschränkt. Eine solche Perspektive setzt eine grundständige und umfassende Verankerung der Medienpädagogik im allgemeinen Bildungssystem notwendig voraus.
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