Inhaltsbeschreibung
Die Warnungen ostmitteleuropäischer Länder vor einem aggressiven, potenziell revisionistischen Auftreten Russlands wurden im Westen Europas lange nicht ernst genommen – bis zum Großangriff auf die Ukraine am 24. Februar 2022. Doch auch seitdem rufen allen voran Staaten, die bis 1989/91 zur Sowjetunion oder zur sowjetischen Einflusssphäre gehörten, entschieden zur militärischen Unterstützung der Ukraine auf.
Worin liegt dies begründet? Der Historiker Jarosław Kuisz und die Soziologin Karolina Wigura zeigen auf, dass zahlreiche dieser Länder auf eine Geschichte fragiler Souveränität zurückblicken, in der ihre nationale Eigenständigkeit immer wieder durch größere Nachbarn bedroht oder gewaltsam ausgelöscht wurde. Hierin erblicken die Autorin und der Autor kollektive Traumata, die bis heute nachwirkten. So wurde etwa das Königreich Polen-Litauen am Ende des 18. Jahrhunderts dreimal zwischen den umliegenden Großmächten aufgeteilt – bis schließlich nichts mehr vom polnischen Staat übrig war.
Der Hitler-Stalin-Pakt, der nachfolgende Überfall durch das nationalsozialistische Deutschland und die Sowjetunion, aber auch die Teilung Europas in Einflusssphären nach 1945 markierten, so Kuisz und Wigura, eine Politik, die sich über das Selbstbestimmungsrecht der Nationen Ost- und Mitteleuropas hinwegsetzte. Erst die Revolutionen ab 1989 führten zu einer grundlegenden Änderung hin zur Unabhängigkeit, die aber weiterhin als bedrohtes und zu verteidigendes Gut wahrgenommen werde.