Inhaltsbeschreibung
Die Sowjetdiktatur war von Staatsverbrechen kaum vorstellbaren Ausmaßes geprägt. Insbesondere gilt dies für die Periode von der Oktoberrevolution 1917 bis zum Tod Josef Stalins 1953: Sie umfasst den Bürgerkrieg, die sogenannten Säuberungen, das Gulag-System und zahlreiche weitere Akte massiver staatlicher Gewalt und Willkür. Auf welche Weise wurde der Verbrechen in der Sowjetunion und im postsowjetischen Russland gedacht?
Der Philologe und Kulturwissenschaftler Nikolai Epplée zeichnet den Umgang mit diesen Staatsverbrechen von 1953 bis 2019 nach. Er legt dar, dass sich in Russland nie eine kritische Erinnerung an die Verbrechen etablieren konnte, welche die Verantwortlichkeiten aufarbeitet und daraus Konsequenzen für die Zukunft zieht. Zwar gründeten sich zahlreiche zivilgesellschaftliche Initiativen, die sich für neue Formen des Gedenkens einsetzten und diese erprobten. In den vergangenen Jahren unter der Herrschaft Wladimir Putins seien diese jedoch zunehmender Repression bis hin zum Verbot ausgesetzt worden. Gleichzeitig erfuhr der Diktator Stalin eine Rehabilitierung in Namen einer heroisch ausgerichteten, für politische Zwecke instrumentalisierten Nationalgeschichtsschreibung.
Der Autor zeigt auf, wie in anderen Ländern – in Argentinien, Spanien, Südafrika, Polen, Deutschland und Japan – Staatsverbrechen in der eigenen Vergangenheit aufgearbeitet wurden. Er versucht daraus Schlüsse für einen Umgang mit der verbrecherischen Vergangenheit in Russland zu ziehen, der auch Konsequenzen für die Gegenwart und Zukunft der russischen Gesellschaft hätte.