Inhaltsbeschreibung
Stabilitätsorientierter Pragmatismus oder polarisierender Kulturkampf? Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs haben Mitte-rechts-Parteien, die in der Regel ersteren Kurs verfolgten, die Entwicklung westlicher Demokratien entscheidend geprägt. Das gilt nicht nur für die CDU/CSU in Deutschland, sondern auch etwa für die Tories in Großbritannien, die Christdemokraten in Italien oder republikanische Parteien in Frankreich. Doch seit den 1990er-Jahren sei der gemäßigte Konservatismus international zunehmend in eine Krise geraten, so der Politikwissenschaftler Thomas Biebricher.
Anhand der Beispiele Italiens, Frankreichs und Großbritanniens diskutiert er Gründe und Gestalt dieser Krise, indem er den Wandel des Parteiengefüges der rechten Mitte in diesen Ländern nachzeichnet. So habe die durch Korruptionsskandale bedingte Auflösung der Democrazia Cristiana in Italien ein Vakuum entstehen lassen, in das Berlusconis Forza Italia, aber auch weit rechts stehende Parteien wie die Postfaschisten und die Lega (Nord) vordringen konnten. Die Tories haben vor allem im Zuge des Brexit-Referendums und der darauffolgenden Aushandlung und Umsetzung des EU-Austrittsabkommens eine deutlich destruktive Dynamik offenbart, während die einst mächtigen französischen Republikaner angesichts der zunehmenden Konkurrenz von rechts und links nahezu in Bedeutungslosigkeit versanken.
Biebricher sieht in diesen Entwicklungen eine Gefahr, hätten gemäßigt konservative Parteien doch lange Zeit eine wichtige Integrationsfunktion in liberalen Demokratien übernommen, die verloren zu gehen drohe.