Inhaltsbeschreibung
Die Diskussion darüber, ob und in welchem Ausmaß eine so bezeichnete Cancel Culture existiert, wird seit einiger Zeit kontrovers geführt. Die einen befürchten, eine übertriebene Rücksichtnahme auf linke oder „woke“ Befindlichkeiten gefährde die Meinungsfreiheit, für andere ist der Begriff ein Schlagwort im Kulturkampf von rechts, um legitime öffentliche Widerrede zu diskreditieren.
Der in den USA lehrende Literaturwissenschaftler Adrian Daub hat zahlreiche Texte und Einlassungen zur Cancel Culture analysiert und sieht vor allem eine Kontinuität zur Debatte um Political Correctness, die mit einer ähnlichen Mischung aus Angstnarrativen und dem Verbreiten von Anekdoten operiert habe. In der Tat seien, so Daub, konkrete Fälle politisch oder weltanschaulich motivierter Ausgrenzung von Personen, wie sie die Cancel Culture-Debatte suggeriere, kaum nachweisbar. Das heiße nicht, dass das Phänomen nicht existiere, die Aufmerksamkeit aber, die dem Thema zuteilwerde, sei von einem erheblichen Missverhältnis geprägt. So würden einige wenige reale Begebenheiten und oftmals gar bloße Gerüchte oder ausgeschmückte Vorfälle in eine Bedrohung für die moralische Ordnung umgedeutet.