Inhaltsbeschreibung
Antisemitismus wurzelt tief. Das vorchristliche Altertum warf den Juden Illoyalität vor und stieß sich an dessen religiösen Vorschriften. Später gerieten sie in Konkurrenz zum aufstrebenden, dann dominierenden Christentum. In den Krisen des Mittelalters und der Frühen Neuzeit waren Juden aus mentalen und religiösen, aber auch ökonomischen Motiven Ressentiments, Ausgrenzung und Pogromen ausgesetzt. Die Emanzipation der Juden seit der Aufklärung traf auf neue, nun säkular motivierte judenfeindliche Bestrebungen, ohne dass die zumal im Antisemitismus Martin Luthers begründete religiöse Diffamierung von Juden an Kraft verloren hätte. Im 19. Jahrhundert schließlich entwickelte sich ein antisemitisches Amalgam, das den Boden für den Holocaust im nationalsozialistischen Deutschland bereitete.
Antisemitismus, so zeigt Micha Brumlik, hat eine lange Geschichte und zugleich eine bedrohliche Aktualität. Neben die überkommenen und fortlebenden Feindbilder seien neue Varianten getreten: ein islamistischer, postkolonial motivierter oder israelbezogener Antisemitismus sowie dessen rechtspopulistische Färbungen, denen er in einer kruden Logik als Vehikel für Islamophobie diene. In globalisierten, zugleich wertepluralen Gesellschaften, führt Brumlik aus, sei differenziertes Wissen gefordert, das sich antisemitischen Deutungen verweigere: über Jüdinnen und Juden, über jüdische Religion und Kultur in Geschichte und Gegenwart, auch über den Nahostkonflikt und seine Ursachen.