Inhaltsbeschreibung
Schäden an Gebäuden und allgegenwärtige Mangelwirtschaft den Stillstand des juristischen Dienstbetriebs erwarten? Anhand einer Vielzahl überkommener Justizakten legt Benjamin Lahusen einen anderen, unerwarteten Befund frei: Bis zuletzt, im Bombenkrieg, im Bunker, die vollständige Niederlage Deutschlands vor Augen, betrieben landauf, landab Juristen im NS-Staat akribisch und beharrlich Rechtspflege.
Mit berufsständischer Gewissheit verfolgten sie sittliche Anstößigkeiten Betrunkener ebenso präzise wie Grundbuchangelegenheiten in Auschwitz, verhängten in Ehestreitigkeiten Bußgelder oder verurteilten in Standgerichten zum Tode. Lahusen beleuchtet an vielen Beispielen das räderwerkartige Funktionieren einer Justiz im Angesicht des Abgrundes und porträtiert Juristen in den Eigentümlichkeiten ihres Dienstalltags, der weithin unbeeindruckt, ununterbrochen und aus dem Verständnis einer unpolitischen Profession heraus eine teils gespenstisch, teils grotesk anmutende Normalität wahrte. Nicht wenigen der Belasteten unter den Juristen gelang mit der gleichen Auffassung von Dienst- und Normentreue die eigene Exkulpation nach Kriegsende. Unter dem Druck der Alliierten hatte seither die Justiz der Diktatur den mühsamen Weg in demokratische Strukturen zu beschreiten. Auch dieses Kapitel deutscher Zeitgeschichte beleuchtet das Buch und widerlegt so nicht zuletzt in dieser Hinsicht das Narrativ einer Stunde null bei Kriegsende.