Inhaltsbeschreibung
Mit dem Übergang der Corona-Pandemie in eine Endemie haben viele Menschen ihren gewohnten Lebensstil wieder aufgenommen. Andere hingegen sehen sich noch mehr als zuvor ihrer Lebenschancen beraubt. Etliche schließlich vollzogen angesichts der ihnen zeitweise gesetzlich auferlegten Schranken entrüstet den Bruch mit der Demokratie.
Der belgische Ethiker Jean-Pierre Wils fragt nach den Verhaltensmustern einer Gesellschaft, die sich nach dem erzwungenen Stillstand während der Pandemie wieder im ökologischen, sozialen, politischen und mentalen Vorkrisenmodus einrichte, obwohl dieser erkennbar in eine Sackgasse münde: Ohne Rücksicht auf den absehbaren Kollaps der globalen Ressourcen würden materielle Ansprüche stimuliert und ausgelebt. Der Lebensrealität einer wachsenden Zahl Abgehängter werde mit neoliberaler, exkludierender Selbstverantwortungsrhetorik begegnet. Unter dem Diktat von Meinungen und Befindlichkeiten sei weithin die Bereitschaft zu respektvollem Umgang und wissensbasierter Debatte geschwunden. Es fehle zudem an Antworten auf verschwörungsideologisch motivierte Anfeindungen des demokratischen Rechtsstaats. Wils plädiert mit Blick auf die Zukunft der Menschheit für eine Strategie der Mäßigung und Fokussierung: Sie bestehe darin, mit dem ungehemmten globalen Höher, Schneller, Weiter zu brechen und zugleich die umfassende Resilienz von Regionen zu stärken. Deren soziale, ökologische und politische Belange seien im Interesse solidarischer Gesellschaften in den Blick zu nehmen.