Inhaltsbeschreibung
Westafrika wird in Europa oft undifferenziert als Krisenregion wahrgenommen. Während fundierte Kenntnisse über die Geschichte und Gegenwart der dortigen Staaten vielfach fehlen, halten sich Stereotype über die Ursachen von Flucht und Migration in und aus Westafrika zäh. Der Soziologe Olaf Bernau beleuchtet die historischen und sozioökonomischen Wurzeln der Migration, die in den westafrikanischen Gesellschaften eine lange und positive Tradition aufweise. Diese habe sich durch die Erfahrungen der Sklaverei und der Kolonialzeit, durch Bürgerkrieg und Terrorismus, ökonomische Fehlentwicklungen der Globalisierung, unpassende Entwicklungsprogramme sowie durch den Klimawandel die migrantischen Traditionen Westafrikas und ihre Dynamiken verändert, was diesseits des Mittelmeers weithin nicht verstanden werde. Solange sich Europa gegenüber Westafrika einem fundierten Verständnis der komplexen Fluchtursachen verweigere, sei eine Beruhigung der Lage dort nicht zu erwarten.
Bernau blendet anderweitig zu verantwortende Problemlagen wie etwa schlechte Regierungsführung, die Vernachlässigung ländlicher Regionen oder Korruption nicht aus. Er prangert aber neben einer eurozentrischen Interessenpolitik die europäische Fluchtursachenbekämpfung an. Diese setze sich nicht mit den Motiven der westafrikanischen Migration und dem europäischen Anteil daran auseinander, sondern baue bei diesem Thema zumeist auf die erkaufte Abwehr durch zweifelhafte Akteure und menschenrechtlich fragwürdige Instrumente.