Inhaltsbeschreibung
Die extreme Gewalt, mit der das nationalsozialistische Deutschland Europa überzog, prägt Erinnerung und Selbstverständnis zahlreicher Nationen bis in die Gegenwart hinein. Obwohl diese Gewaltgeschichte mit dem Vernichtungskrieg und dem Massenmord an den Jüdinnen und Juden insbesondere im europäischen Osten zuvor nicht gekannte Ausmaße annahm, sind viele Schauplätze solcher Gewaltverbrechen bis heute in der deutschen Erinnerungskultur wenig bekannt.
Die Historikerinnen Franziska Davies und Katja Makhotina bereisten einige dieser Orte in Polen, der Ukraine, Belarus, Litauen und Russland. Sie rekonstruieren das Gewaltgeschehen an diesen Orten, zeigen den Umgang mit diesem in der lokalen Gedächtniskultur auf, zeichnen Biografien von Opfern und Tätern nach und fragen nach der juristischen Aufarbeitung der Verbrechen im Nachkriegsdeutschland. Sehr lange habe es gedauert, bis die eigene Verantwortung für Gewaltverbrechen in das Zentrum der deutschen Erinnerungskultur gerückt sei. Auch an den bereisten Orten, so die Autorinnen, wurde die Erinnerung häufig durch politische oder nationale Narrative überformt, was etwa die Benennung der Identität der zumeist jüdischen Opfer oder die Thematisierung der Kollaboration der lokalen Bevölkerung vielfach verhindert oder erschwert habe. Davies und Makhotina machen deutlich, wie wichtig ein differenziertes Erinnern der Gewaltgeschichte Ostmittel- und Osteuropas im 20. Jahrhundert ist, nicht zuletzt, um missbräuchlichen Bezugnahmen auf diese vorzubeugen.