Inhaltsbeschreibung
Sexueller Missbrauch in der katholischen Kirche ist keine rein binnenkirchliche Angelegenheit. Seine gesellschaftspolitische Relevanz hierzulande ergibt sich aus den Rechtsbeziehungen zum Staat und dessen ideellem Fundament, aber vor allem aus dem grassierenden Verlust an Ansehen und Glaubwürdigkeit einer Institution, die sich traditionell und teils rigide als Kompass für Werte und Moral begreift.
Thomas Großbölting zeichnet die Geschichte des sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche nach, für den er - zumal in den ersten Nachkriegsjahrzehnten – ein Ineinandergreifen von binnenkirchlichem Selbst- und Machtverständnis, religiöser Sozialisation und gesellschaftlichen Strukturen erkennt und die Praxis des jahrzehntelangen Vertuschens anprangert. Wer wurde und wird unter welchen Umständen zum Täter? Welche Rollen lassen sich dem Umfeld der Taten und der kirchlichen Hierarchie zuordnen? Wie sind, verglichen etwa mit den USA, wo Gerichte und Medien die Aufklärung sexuellen Missbrauchs in der Kirche vorantreiben oder dem staatlichen Engagement in Irland, die Zurückhaltung der deutschen Politik oder das Agieren der katholischen Kirche zu bewerten? Welche Perspektiven ergeben sich aus den zahlreichen Missbrauchsfällen für Staat, Gesellschaft und die katholische Kirche selbst, besonders aber für die Rechte und Erwartungen Betroffener? Viel zu lange, resümiert Großbölting, sei es um den Schutz der Institution und der Täter gegangen.