Inhaltsbeschreibung
Wie ein roter Faden ziehen sich mit Blick auf die Ostdeutschen (Selbst)-Deutungen und Zuschreibungen durch die Zeit von 1989 bis heute. Sie seien, so der Soziologe Detlef Pollack, nicht nur von zeithistorischem Interesse, sondern vielmehr mitursächlich für aktuelle Befindlichkeiten in Ostdeutschland. Im Vorfeld der friedlichen Revolution habe sich die von der Ausreisewelle ermutigte protestierende Bevölkerung selbst zum handlungsstarken politischen Akteur ermächtigt, der auf persönliche Freiheit und ökonomische Teilhabe setzte.
Dabei sei die zunächst auf eine Reform des bestehenden Systems und die Transformation der DDR zielende Bürgerrechtsbewegung gewissermaßen überrannt worden. In der Folge sei in der ostdeutschen Gesellschaft die Kluft zwischen den von den Erfahrungen der Diktatur geprägten unterschiedlichen Erwartungen an die deutsche Einheit durch die Haltung westlicher Akteure – Unterstützung und Zuwendung, aber auch Unverständnis, Arroganz oder Instrumentalisierung – befeuert und vertieft worden. Bei etlichen Ostdeutschen lebten alte Enttäuschungen fort oder hätten sich zu Ressentiments verfestigt. Pollack wirbt streitbar für Eigenverantwortung und Selbstvergewisserung: Protest und Verweigerung seien in der Diktatur angemessene Reaktionen. In der Demokratie hingegen seien Partizipation, Aushandlung und Diskurs gefordert.