Inhaltsbeschreibung
In der Corona-Pandemie hat die Immunisierung eine gesamtgesellschaftliche Bedeutung. Sie rührt an Grundrechte und Freiheiten, Lebensgewohnheiten, Sicherheit und Planbarkeit und ist mehr als ein medizinischer Eingriff, den man für sich befürworten oder ablehnen kann. Die Thematik ist nicht neu: Schon seit im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 die Pocken zur Bedrohung der Zivilgesellschaft wurden, diskutierten, wie der Historiker Malte Thießen in seinem vor der Corona-Pandemie entstandenen Buch zeigt, Medizin und Politik kontrovers über die Immunisierung oder ihre Verweigerung: Wer soll, kann, darf oder muss wann, mit welchem Ziel und wogegen geimpft werden?
Welche Akteure waren in das Impfgeschehen involviert, und welche Machtverhältnisse zwischen Gegnern und Befürwortern des Impfens bestanden im Kaiserreich, aber auch später im Nationalsozialismus und in den beiden deutschen Staaten? Wie und wann verschoben sich die einst prioritären medizinischen Hoffnungen und Erwartungen hin zu Kriterien wie Aufwand und Nutzen, Freiwilligkeit und Zwang des Impfens? Welche Entwicklungslinien und Kontroversen verbinden das Impfgeschehen über Zeit und Raum? An zahlreichen Beispielen zeigt Thießen, wie die Frage nach der Immunität der Gesellschaft einem Aushandlungsprozess zwischen Medizin, Ökonomie und Moral, Sendungsbewusstsein und Selbstbestimmung unterliegt.