Inhaltsbeschreibung
Auch 30 Jahre nach der Wiedervereinigung ist die Spaltung in Ost und West nicht überwunden. Immer noch sind in Ostdeutschland geborene Menschen deutlich unterrepräsentiert an wichtigen Schaltstellen in Wirtschaft, Politik, Medien, Forschung und Kultur – auch im Osten selbst. Damit würden, so Thomas Oberender, ostdeutsche Stimmen im gemeinsamen Diskurs- und Erinnerungsraum an den Rand gedrängt, ihre Perspektiven auf die Geschichte gemeinsam mit ihrer Lebenserfahrung in der DDR weithin entwertet.
Oberender wirft einen persönlichen Blick auf die Transformationszeit und auf die Bedeutung, die ihr bis heute zukommt. In der Erinnerung an die Selbstermächtigung ostdeutscher Bürgerinnen und Bürger, die mit ihrem Protest gegen das SED-Regime die Mauer zu Fall gebracht haben, sieht er ein unausgeschöpftes Potenzial, das es zu reaktivieren gelte. Als Antwort auf paternalistische Stimmen aus dem Westen macht er auf die genuin ostdeutsche demokratische Tradition aufmerksam: So hätten die oppositionellen Bewegungen der letzten DDR-Jahre einen Möglichkeitsraum geschaffen, der allzu bald durch eine rasche, vom Westen dominierte Eingliederung in die Bundesrepublik wieder geschlossen worden sei. Sich auf die demokratischen Impulsive der damaligen Zeit zu besinnen, eröffne die Chance eines Empowerments, durch das sich ostdeutsche Stimmen in der Gegenwart mehr Gehör verschaffen könnten.