Inhaltsbeschreibung
Die DDR war eine Parteidiktatur ohne freie Wahlen, Gewaltenteilung oder eine unabhängige Justiz. Und doch, so die These der amerikanischen Rechtswissenschaftlerin Inga Markovits, sei eine Gleichsetzung mit der NS-Diktatur überaus fragwürdig. Unter Aufsicht der sowjetischen Besatzungsmacht versuchten die SED-Parteifunktionäre zwar von Beginn an eine systemkonforme Rechtswissenschaft in Lehre und Praxis durchzusetzen: Sie etablierten Überzeugte, eliminierten vermeintlich oder tatsächlich NS-Belastete sowie Bürgerliche und rangen darum, die fachwissenschaftliche Verwurzelung im Interesse von Partei und Doktrin aufzubrechen.
Anders als im Nationalsozialismus sei es in der DDR erst vergleichsweise spät und eher punktuell gelungen, das Recht tatsächlich im Sinne der Ideologie zu verformen – teils aus Personalnot, teils, weil den Juristen über ihre Berufsausübung hinaus die Initiative fehlte, die vielfach fortwirkenden Grundlagen bürgerlichen Rechts zu überwinden, um eine durchgängige sozialistische Gesetzgebung zu erarbeiten und durchzusetzen. Inga Markovits hat für ihre Studie ein Konvolut schriftlicher Quellen der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin ausgewertet: Sitzungsprotokolle, Reporte, Kritiken, Fragebögen, Korrespondenzen und Meldungen, die nie für die Öffentlichkeit bestimmt waren. Die Autorin stellt die Entwicklung über vier Jahrzehnte differenziert dar und kommt zu dem Schluss, dass die ostdeutschen Juristen sich bis zum Untergang der DDR zunehmend mehr mit juristischen Detailfragen und dem Spannungsfeld zwischen Theorie und Praxis als mit den Machtinteressen einer Diktatur befassten.