Inhaltsbeschreibung
Die im demokratischen Deutschland etablierte Erinnerungskultur gilt vielen Bürgerinnen und Bürgern als ein Erfolgsmodell, auf das sie mit einem gewissen Stolz blicken können. In der Tat war es ein langer Weg von der weitgehenden Verdrängung der nationalsozialistischen Verbrechen bis zu ihrer öffentlichen Anerkennung in einer durch Rituale geprägten, identitätsstiftenden Gedenkkultur.
Der Publizist und Lyriker Max Czollek weist jedoch auf die Widersprüche, blinden Flecken und problematischen Aspekte dieser Erinnerungskultur hin und leuchtet diese aus. So werde die Erinnerung an die Verbrechen vielfach gleichgesetzt mit deren Wiedergutmachung und diene als Geste einer vermeintlichen Versöhnung mit den Opfern und ihren Nachkommen. Jüdinnen und Juden würden hier, wie der Autor im Anschluss an Michal Bodemann konstatiert, für die positive Identitätsstiftung der Deutschen instrumentalisiert. Czollek sieht die Gefahr, dass eine solche Gedenkkultur fortbestehende diskriminierende Machtstrukturen unhinterfragt lasse und sogar als Ressource eines neuen Nationalismus in Anspruch genommen werde. Für Czollek hingegen gilt: Wer Erinnerung ernst meine, müsse akzeptieren, dass vergangenes Unrecht durch sie nicht wiedergutgemacht, die zugefügten Wunden nicht geschlossen werden können – und dass mit dem Erinnern der Auftrag verbunden sei, diskriminierende Strukturen auch in der Gegenwart zu benennen und zu bekämpfen.