Sehr geehrte Damen und Herren,
Ich begrüße Sie ganz herzlich zu unserer heutigen Pressekonferenz anlässlich der Herausgabe der DVD "Tele-Visionen. Fernsehgeschichte Deutschlands in West und Ost" von 1945 bis heute.
Zuerst einmal möchte ich allen Beteiligten für die erfolgreiche Zusammenarbeit meinen Dank aussprechen: Dem Grimme-Institut als Kooperationspartner der bpb, und dem WDR und dem MDR, die die Produktion der DVD unterstützt haben. Weiter danke ich allen Sendern, die uns für die "Tele-Visionen" Material zur Verfügung gestellt und aktiv in den vergangenen Jahren an der Publikation mitgearbeitet haben. Besonderer Dank gilt auch dem deutschen Rundfunkarchiv sowie allen direkt am Projekt Beteiligten:
Friedrich Hagedorn, Projektleitung von Seiten des Adolf Grimme-Instituts
Caroline Seige, Projektleitung von Seiten der Bundeszentrale für politische Bildung
Dr. Olaf Selg und Team: Redaktion des didaktischen Teils und der Kontextinformationen
Prof. Dr. Knut Hickethier: Wissenschaftliche Redaktion
Prof. Dr. Thomas Großbölting: Wissenschaftliche Bearbeitung des Zeitstrahls
sowie den zahlreichen Autoren.
Fernsehen war und ist ein elementarer Bestandteil des Alltags. Filme, Serien und Reportagen, aber auch Nachrichtensendungen oder Unterhaltungsshows beeinflussen unsere Wahrnehmung und Meinungsbildung – auch im politischen Sinne. Sie bieten Gesprächsstoff, der neue Perspektiven eröffnen kann, brechen Tabus, regen zu Kritik an.
Genau hier hat eine innovative politische Bildung ihren Platz. Daher ist es unerlässlich, dass wir genauer hinschauen und uns mit Fernsehgeschichte und -formaten auseinandersetzen. Medienbildung ist auch eine Investition in demokratische Bildung.
Die DVD "Tele-Visionen" stellt eine komplette Neubearbeitung und Erweiterung des Themas Deutsche Fernsehgeschichte dar. Mit der DVD "Bildbox für Millionen" hat die bpb das Thema vor einigen Jahren bereits einmal aufgegriffen, sich allerdings beinahe ausschließlich auf die Fernsehgeschichte der alten Bundesländer bezogen. Ein wichtiges Anliegen der jetzigen DVD ist es, die Fernsehgeschichte Deutschlands als gesamtdeutsche Geschichte zu begreifen und hierbei sowohl ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede als auch die Widersprüche herauszuarbeiten.
Die Fernsehgeschichte wird in den "Tele-Visionen" in Relation zu politischen, ökonomischen und zeithistorischen Ereignissen zwischen 1945 und heute betrachtet. Es geht sowohl um die Wechselwirkungen zwischen Fernsehentwicklungen und technologischen Entwicklungen, als auch um die Frage, inwieweit Veränderungen in den gesellschaftlichen Wahrnehmungsweisen oder veränderte gesellschaftliche Konfliktfelder und normative Regeln Einfluss auf die Entwicklung von Formaten hatten. Die DVD beinhaltet auch Analysen der Medienstruktur, der Medienkonzentration, des Jugendschutzes, der Mediennutzung und der Marktverteilung und, wo möglich, Statistiken, Dokumente, Daten- und Zahlenmaterial.
In dieser Spannbreite von Themen versucht die DVD die Faszination und Vielschichtigkeit des Mediums einzufangen und mit über 100 AV-Ausschnitten und einer Fülle von interaktiven Lern-Angeboten anschaulich in Szene zu setzen.
Die jeweiligen Formate werden in die Programmentwicklung eingeordnet und gleichzeitig wird die Frage aufgegriffen, wie bedeutende zeithistorische Ereignisse in Deutschland, wie der Bau der Berliner und der Weltraumflug Juri Gargarins 1961, die Fußball-WM 1954 oder die Wende 1989, durch das Fernsehen in Ost und West beschrieben wurden und welchen Einfluss dies auf die Gesellschaft hatte:
Ich selbst kann ich mich noch gut daran erinnern, wie die Demonstranten in Leipzig 1989 nach den Demonstrationen zu jemandem nach Hause eilten, der Westfernsehen empfangen konnte. Hier hat Fernsehen ganz hautnah Zeitgeschichte beeinflusst. Der Fakt, dass im damaligen Fernsehen der Bundesrepublik Deutschland Aufnahmen von den Demonstrationen gezeigt wurden, hat die Protagonisten der ostdeutschen Revolutionsbewegung ermutigt und ihnen die Gewissheit gegeben, dass die Welt auf sie schaut und sie nicht 'allein' sind.
Das war ein ganz wesentlicher psychologischer Faktor damals, da dieses 'Gesehen-werden' auch dem demonstrierenden Volk der DDR einen Teil der Angst davor nahm, der damaligen Regierung rückhaltlos ausgeliefert zu sein. Man könnte sogar sagen, dass diese teils verwackelten und heimlich aufgenommenen Bilder der Revolution in der DDR eine Art Identität und Heimat vermittelten.
Stichwort DDR – hier ist es mir wichtig, abschließend noch auf den zentralen Stellenwert einzugehen, den die Aufarbeitung der DDR-Geschichte in der politischen Bildung innehat und parallel hierzu auch die Bedeutung der Aufarbeitung der DDR-Fernsehgeschichte innerhalb der DVD "Tele-Visionen" hervorzuheben. Dieses Thema klammerte die damalige "Bildbox für Millionen" aus. Die "Tele-Visionen" akzentuiert es als ein Kernthema und stellt es gleichberechtigt neben die Darstellung der Fernsehgeschichte der alten Bundesrepublik.
So ist ein Anliegen der DVD, insbesondere junge Leute zur Auseinandersetzung mit Themen wie der Teilung Deutschlands, DDR-Geschichte und deutsch-deutsche Geschichte in Zeiten des Kalten Krieges und der parallelen Existenz zweier deutscher Staaten anzuregen. Gerade solche zeithistorischen Themen sind durch eine multimediale und sinnliche Herangehensweise nicht mehr "unsexy" und langweilig.
Die DDR-Fernsehgeschichte aufzuarbeiten, war ziemlich kompliziert. Es war sehr schwierig, relevante Materialien, Analysen oder Originaldokumente zu erhalten, die über Formate, Programme und Persönlichkeiten im damaligen DDR-Mediensystem Aufschluss geben konnten. Entscheidend war hierbei, die DDR-Fernsehgeschichte auch eingebettet in einen historisch-ökonomischen Zusammenhang darzustellen, der Veränderungen und Umbrüchen unterlag.
Vor allem war es uns wichtig, nicht der Schwarz-Weiß-Malerei anheimzufallen und das DDR-Fernsehen nicht undifferenziert in die Propaganda-Schublade zu stecken: Eine konstruktive und gleichzeitig kritische Auseinandersetzung zeigt die DDR-Fernsehgeschichte in ihrer Widersprüchlichkeit, aber auch in ihrer großen künstlerischen Vielfalt und kulturellen Spannbreite. Das DDR-Fernsehen unterstand letztlich dem Parteiapparat und wurde von diesem auch reglementiert. Es gab aber über die Jahre hinweg auch eine Entwicklung hin zu mehr gesellschaftlicher Öffnung, kritischen Diskussionen und Spielräumen für soziale Fantasien und innovative Experimente in Kunst und Kultur.
Auf der einen Seite standen der schwarze Kanal und die Aktuelle Kamera, die das Bild der unversöhnlichen Klassenfeinde beschworen. Auf der anderen Seite standen Formate wie z.B. der Polizeiruf 110, der äußerst ideologie- und sozialkritische Themen wie z.B. Einsamkeit und Alkoholismus im Sozialismus problematisierte, Normen des kollektiven Zusammenlebens in der Arbeit infrage stellte und zerrüttete Familienverhältnisse zeigte – Bilder, die konträr zu den von der Parteiführung vermittelten Grundsätzen über das Zusammenleben im Sozialismus standen.
Die DVD "Tele-Visionen" stellt also eine telemediale Zeitreise ab 1945 in beiden deutschen Staaten dar und ist somit eine Art visuelles Gedächtnis der deutschen Geschichte bis heute.
Ich freue mich, gleich mit Ihnen gemeinsam auf diese visuelle Reise zu gehen. Zunächst darf ich jedoch das Wort an Herrn Kammann, den Direktor des Grimme-Instituts, übergeben. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
- Es gilt das gesprochene Wort -