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Lobbyismus und öffentlich-private Partnerschaften

Sven Becker

/ 14 Minuten zu lesen

Banken und Versicherungen haben die öffentliche Infrastruktur als lukratives Geschäftsfeld entdeckt. Die Geschichte der Beratungsfirma Partnerschaften Deutschland zeigt, wie Lobbyisten dafür verdeckt Einfluss auf die Politik nahmen.

Aktivisten des globalisierungskritischen Netzwerks "Attac" mit Warnschildern verhindern am 19.11.2009 den Zugang zum Deutschen Institut für Urbanistik für die Teilnehmer der PPP-Jaherstagung in Berlin. (© picture-alliance/dpa, dpa-Report)

Am 2. Juli 2007 fand im Bundesfinanzministerium an der Berliner Wilhelmstraße ein Spitzentreffen hinter verschlossenen Türen statt. Der damalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück und sein Kollege aus dem Verkehrsministerium, Wolfgang Tiefensee, nahmen auf der einen Seite eines Konferenztisches Platz. Ihnen gegenüber saßen Vertreter/-innen der Initiative Finanzstandort Deutschland (IFD). In der Lobbygruppe hatten sich mehrere große Geldhäuser wie die Deutsche Bank, die Commerzbank oder die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau zusammengeschlossen. Die Bankenvertreter/-innen präsentierten den SPD-Ministern ein "entscheidungsreifes Konzept" für eine halbstaatliche Beratungsfirma, die der Staat gründen sollte. Der Projektname: Partnerschaften Deutschland. Die Beratungsfirma sollte den Banken helfen, ein lukratives Geschäftsfeld für sie weiter zu erschließen: die staatliche Infrastruktur in Deutschland.

Nach Berechnungen der IFD investierte der Staat in jener Zeit rund 50 Milliarden Euro jährlich in seine Infrastruktur. Bis dahin wurden Schulen, Kitas oder Ministerien fast immer von Behörden gebaut und betrieben. Finanzminister Steinbrück hatte nun jedoch das Ziel ausgegeben, dass bis zu 15 Prozent der Projekte an private Konsortien vergeben werden sollten. Bei diesem Modell übernehmen Investoren den Bau und Betrieb einer Straße oder eines Gebäudes und erhalten im Gegenzug über Jahrzehnte eine renditeträchtige Vergütung vom Staat. Fachleute sprechen von öffentlich-privaten Partnerschaften, kurz ÖPP. Die Befürworter/-innen von ÖPPs erhoffen sich eine größere Effizienz, wenn private Investoren für den Bau und Betrieb verantwortlich sind. Kritiker/-innen monieren die Intransparenz und bezweifeln, dass ÖPP-Verfahren wirklich günstiger sind. Die ersten ÖPP-Modelle wurden in Deutschland bereits in den 90er Jahren erprobt. Ab der Jahrtausendwende wurden die Pläne konkreter. Eine breite Allianz aus Beraterfirmen, Baukonzernen und Finanzinvestoren setzte sich bei der Politik dafür ein, privat finanzierte Infrastrukturprojekte zu fördern. Auch Teile der SPD zeigte großes Interesse und trieben öffentlich-private Partnerschaften im politischen Raum voran.

Die nun geplante Beratungsfirma Partnerschaften Deutschland sollte fortan wie ein "Katalysator" dafür sorgen, dass immer mehr Kommunen, Länder und Bundesbehörden auf ÖPPs setzen. So schlugen es die Lobbyisten in ihrer "Ministerpräsentation" für Peer Steinbrück und Wolfgang Tiefensee vor. Nur wenige Monate später stimmte das Bundeskabinett den Plänen zu. Im Jahr 2008 gründete die Regierung die Beratungsfirma. Wer das Konzept der Bankenlobbyisten neben die spätere Umsetzung der Bundesregierung legt, stellt fest, dass die Vorschläge der IFD eins zu eins realisiert wurden. Heute, rund zehn Jahre später, machen ÖPPs zwar einen viel geringeren Anteil an Infrastrukturprojekten aus als ursprünglich erhofft. Aber die Partnerschaften Deutschland gibt es immer noch. Die Beraterfirma hat in der Zwischenzeit immerhin mehrere privat finanzierte Prestigeprojekte wie den Bau des Bundesforschungsministeriums in Berlin begleitet. Und neue Vorhaben sind hinzugekommen.

Im Sommer 2017 hat die Bundesregierung ein Hilfspaket für finanzschwache Kommunen auf den Weg gebracht. Insgesamt sieben Milliarden Euro sollen in einen Fonds fließen, den die Städte und Gemeinden für Infrastrukturprojekte anzapfen können. Im entsprechenden Externer Link: Gesetz wird ausdrücklich auf die Möglichkeit verwiesen, dass die Mittel auch über ÖPPs abfließen können. Die Partnerschaften Deutschland – mittlerweile zu 100 Prozent in Händen öffentlicher Gesellschafter – soll die Kommunen dabei beraten, neue Infrastrukturprojekte umzusetzen.

Interessenvertreter/-innen, das soll dieser Text zeigen, müssen einen langen Atem haben. Viele ihrer Vorschläge reifen über Jahre oder Jahrzehnte. Sie werden verworfen und geraten aus dem öffentlichen Blickfeld, bis sie plötzlich wieder diskutiert werden. Die größten Erfolgsaussichten haben Lobbyisten, wenn sich ihre Interessen mit denen von Politikern decken.

Die Vorgeschichte: Finanzindustrie und Staat arbeiten enger zusammen

Die Geschichte der Partnerschaften Deutschland begann am 2. Dezember 2003. In Deutschland regierte damals noch eine Koalition aus SPD und Grünen, als in Frankfurt der Finanzminister Hans Eichel (SPD), der Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, und Bundesbankpräsident Ernst Welteke vor die Presse traten. Das Trio verkündete, dass die Finanzindustrie und der Staat ab jetzt enger zusammenarbeiten würden. Mehr als ein Dutzend Banken schlossen sich mit dem Bundesfinanzministerium und der Bundesbank zusammen, um "pragmatische Lösungen für neue Dienstleistungen und Produkte" zu erarbeiten. Der Name der neuen Organisation: Initiative Finanzstandort Deutschland (IFD).

In Deutschland herrschte ein neoliberaler Zeitgeist, der mehr Freiräume für die Wirtschaft einforderte. Außerdem wollte die Bundesregierung den Finanzstandort Frankfurt stärker fördern. Dafür sollten bürokratische Hürden fallen und neue Finanzprodukte zugelassen werden. Die Arbeitsgruppen der IFD entwickelten fortan neue Konzepte, etwa für die private Altersvorsorge und die Öffnung des deutschen Immobilienmarktes für institutionelle Anleger wie Banken, Fonds und Versicherungen. Das Thema öffentlich-private Partnerschaften stand zunächst nicht ganz oben auf der Liste.

Wenige Wochen nach der Bundestagswahl 2005 besuchte Peer Steinbrück, der neue Bundesfinanzminister der Großen Koalition aus CDU, CSU und SPD, die IFD. In einem Statement betonte der Sozialdemokrat "den besonderen Wert der Zusammenarbeit" mit der Initiative. Die Ansätze der IFD hätten "Modellcharakter für die Finanzbranche" und seien ein "wichtiger Wachstumsmotor auch für andere Wirtschaftszweige".

Steinbrück hatte bereits in seiner Zeit als Finanzminister und Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen zwischen 2000 und 2005 den Einsatz privater Investoren bei Infrastrukturprojekten gefördert. Er setzte 2002 eine "Task Force PPP" ein, die das Thema beschleunigen sollte. In Unna wurde kurz darauf ein Pilotprojekt auf den Weg gebracht: Der Baukonzern Bilfinger sollte das Kreishaus erneuern.

Auch als Bundesfinanzminister war Peer Steinbrück weiterhin überzeugt von ÖPP-Modellen. Im Mai 2006 veröffentlichte sein Ressort einen Monatsbericht, in dem das Finanzministerium für ÖPPs warb: "Angesichts der knapper werdenden öffentlichen Ressourcen sind wir entschlossen, wichtige Zukunftsaufgaben etwa im Infrastrukturbereich gemeinsam mit Partnern aus der Privatwirtschaft zu realisieren."

Die IFD gründete daraufhin eine neue Arbeitsgruppe, die sich mit ÖPPs beschäftigte. Die Fachleute der Initiative stellten fest, dass es in der Verwaltung nur "geringe Erfahrungen" mit Investoren gibt. Es fehlte eine "nachhaltige Pipeline an erfolgreichen, einfach replizierbaren PPP-Projekten", wobei mit PPP die englische Bezeichnung "Public Private Partnership" gemeint war. In Politik und Verwaltung sei "keine einhellige Überzeugung von der Vorteilhaftigkeit von PPP" erkennbar. Ihre Zwischenergebnisse präsentierten sie auf zwei Sitzungen den Vertreterinnen und Vertretern der beteiligten Bundesministerien.

Beratungsgesellschaft für ÖPPs

Um mehr Interesse an ÖPPs zu wecken, wollten die IFD-Fachleute nun die neue Beratungsgesellschaft gründen. Als Vorbild diente Großbritannien. Dort gab es bereits die "Partnership UK", eine Beratungsfirma, die Behörden bei der Umsetzung von ÖPP-Projekten unterstützte. Am 7. Dezember 2006 beschloss die IFD, ein Konzept für eine deutsche Beratungsgesellschaft auszuarbeiten. Die Deutsche Bank und die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau übernahmen die Projektleitung.

Am 13. Februar 2007 präsentierten Klaus Droste von der Deutschen Bank und Wolfgang Richter von der staatlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) ein "vorläufiges Positionspapier" zur Gründung der neuen Beratungsgesellschaft. Die beiden Banker hatten den Aufbau der neuen Firma in den vergangenen Monaten vorangetrieben. Droste und Richter waren hoffnungsvoll: Es lasse sich eine "zunehmend aufgeschlossene Haltung von Politik und Verwaltung gegenüber PPP konstatieren", schrieben die beiden Autoren. Dieses "positive Momentum" müsse man jetzt nutzen. "Wir sehen dies als Chance, dem PPP-Geschehen in Deutschland neue Dynamik zu verleihen."

Die neue Beratungsfirma sollte Bund, Länder und Kommunen bei neuen ÖPP-Projekten beraten. Die meisten dieser Projekte laufen über Jahrzehnte. Ihre Verträge sind entsprechend lang und komplex. Während sich die Investoren gute Anwälte leisten konnten, fehlte bis dahin fast überall die notwendige Expertise auf Seiten des Staates. Die Partnerschaften Deutschland sollte der öffentlichen Hand helfen, mit den privaten Vertragspartnern auf Augenhöhe zu verhandeln.

Die IFD-Mitglieder teilen die Kosten untereinander auf. Während die beteiligten Banken ihre eigenen Ausgaben selbst tragen sollten, rechneten Droste und Richter mit Kosten für die externen Berater – insbesondere die Beratungsfirma Mc Kinsey und die Anwaltskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer – in Höhe von insgesamt einer Million Euro.

Im Verkehrsministerium kam es am 2. Juli 2007 zum anfangs erwähnten Treffen zwischen IFD und den Ministern Steinbrück und Tiefensee. Die Lobbyisten legten den Politikern ein detailliertes Konzept vor. Die neue Beratungsfirma sollte als Aktiengesellschaft gegründet werden und je etwa zur Hälfte dem Staat (50,1 Prozent) und privaten Gesellschaftern (49,9 Prozent) gehören. Die Anteilseigner der privaten Seite sollten "große Unternehmen aus Industrie und Finanzwirtschaft" sein.

Um Interessenkonflikte zu vermeiden, schlugen die Autoren vor, für die Aktionäre aus der Privatwirtschaft eine Beteiligungsgesellschaft namens BTG zu gründen. Diese sollte zwischengeschaltet werden, um den Einfluss der Privatwirtschaft zu beschränken. Außerdem sollten die privaten Gesellschafter keine Mitarbeiter an die neue Beratungsfirma delegieren.

Die Zahl der Aufträge für die neue Beratungsfirma sollte von 31 Projekten in der Anfangszeit auf 98 Projekte pro Jahr gesteigert werden. Im Jahr 2012 sollten bis zu 51 Berater/-innen für die neue Firma tätig sein, die einen Umsatz von 12,4 Millionen Euro erwirtschaften. So steht es in vertraulichen IFD-Unterlagen.

Unter dem Punkt "Aufgaben für weiteres Vorgehen" schlugen die Bankenvertreter vor, dass die Politiker bei "Parlament, Politik und Verwaltung" um "Verständnis" für die neue Beratungsfirma werben. Außerdem sollten sie das Interesse von privaten Gesellschaftern auskundschaften, Geschäftsführer und Mitarbeiter rekrutieren und erste Projekte für die neue Firma identifizieren.

Am 11. Dezember 2007 beschloss das Bundeskabinett die Gründung der Beratungsfirma. Die Politik setzte die Vorschläge der IFD um. In einem Bericht erklärte das Bundesfinanzministerium wenige Wochen später, die neue Beratungsfirma sei ein "Angebot an Länder und Kommunen, sich zu beteiligen", um damit "den positiven Trend zu mehr wirtschaftlichen ÖPP-Projekten zu verstärken". Die Vorarbeiten der IFD wurden in dem Bericht nicht erwähnt.

Arbeit der ÖPP beginnt

In den kommenden Monaten nahm die Beratungsfirma, die als ÖPP Deutschland AG firmierte, in Berlin ihre Arbeit auf. Wenn Behörden bei neuen Investitionen darüber nachdachten, private Investoren einzubeziehen, konnten sie sich bei dem Unternehmen Hilfe einholen. Als Vorstände der neuen Firma wurden Johannes Schuy und Bernward Kulle berufen. Schuy kam aus dem Bundesfinanzministerium, Kulle hatte vorher beim Baukonzern Hochtief gearbeitet. Sein alter Arbeitgeber wurde über die Beteiligungsgesellschaft ebenfalls Anteilseigner an der ÖPP Deutschland AG. Ein Interessenkonflikt? Vorstand Johannes Schuy wies den Vorwurf auf Anfrage des SPIEGEL im Jahr 2012 zurück. Herr Kulle habe seine Mitarbeit bei Hochtief vor seiner Bestellung zum Vorstand "ordnungsgemäß beendet".

Doch Zweifel an der Unabhängigkeit der Firma blieben, auch, weil mehrere IFD-Mitglieder Anteile kauften, darunter die Deutsche Bank, die das Projekt befördert hatte. Auch sonst fanden sich unter den Anteilseignern viele große Unternehmen aus der Wirtschaft und Finanzbranche: Commerzbank, UniCredit, Strabag oder Bilfinger. Von Seiten des Staates beteiligten sich zunächst der Bund, zehn Bundesländer und 82 Kommunen an der ÖPP Deutschland AG. Ihre Zahl variierte im Laufe der nächsten Jahre.

Als im Herbst 2009 eine schwarz-gelbe Regierung ins Amt gewählt wurde, arbeitete mit Wolfgang Schäuble (CDU) der dritte Bundesfinanzminister mit der IFD zusammen. Beim jährlichen Treffen bezeichnete Schäuble die Initiative als "bewährtes Forum für die Zusammenarbeit". Der Vorsitzende der Deutschen Bank, Dr. Josef Ackermann, sagte bei dem Treffen in Berlin, die IFD habe dem Finanzstandort Deutschland "Gesicht und Stimme" gegeben. Zu den "Erfolgen" der Lobbyinitiative zählte Ackermann ausdrücklich die Gründung der ÖPP Deutschland AG, die von der IFD "ins Leben gerufen" worden sei.

Es war eine der letzten großen öffentlichen Veranstaltungen der IFD. Durch die internationale Finanzkrise geriet die Bankenbranche in Verruf. Einige Banken hatten Milliardengewinne erwirtschaftet und sollten nun mit Steuergeldern vor der Insolvenz gerettet werden. Auch mehrere IFD-Banken waren an den Geschäften mit faulen US-Hypothekenkrediten, welche die Bankenkrise ausgelöst haben, beteiligt.

Nun wurde das Zusammenspiel zwischen Finanzhäusern und Ministerien in der IFD zunehmend kritischer gesehen. Als die IFD in Folge der Krise ein Eckpunktepapier ausarbeitete, wie die zukünftige Finanzarchitektur aussehen könnte, wurde die Nähe zwischen Banken und Regierung öffentlich von der Opposition kritisiert. Im Februar 2010 erklärte der Grünen-Finanzexperte Gerhard Schick: "Es lässt Schlimmes befürchten, wenn die Regulierer Bundesbank und BMF gemeinsam mit den Regulierten der Finanzindustrie ein gemeinsames Positionspapier zur künftigen Finanzmarkt-Regulierung verfassen. Denn Instrumente für ein stabiles Finanzsystem stehen oft im krassen Gegensatz zu den Interessen der Finanzinstitute."

Finanzkrise verlangsamt Vorhaben

Im Zuge der Finanzkrise scheuten viele Geldgeber nun große Vorhaben. Zudem fehlte es an konkreten ÖPP-Projekten, die sich umsetzen ließen. Nach eigenen Angaben erwirtschaftete die ÖPP Deutschland AG nur knapp drei Millionen Euro Umsatz im Jahr 2010 – fünf Millionen Euro weniger als ursprünglich geplant.

Eines ihrer ersten großen Projekte war immerhin der Neubau des Bundesforschungsministeriums (BMBF) in Berlin. Die Beratungsfirma wurde mit der Projektsteuerung, wirtschaftlichen Beratung sowie der Durchführung des europaweiten Vergabeverfahrens beauftragt.

Zu Beginn sollten die Berater/-innen prüfen, welche Variante günstiger sei: Ein konventioneller Neubau oder die ÖPP-Variante mit einem Investor, der das Haus baut, betreibt und dafür vom Bund bezahlt wird. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass die ÖPP-Variante knapp zehn Prozent günstiger ausfallen werde als eine konventionelle Bauweise – mithin 28 Millionen Euro.

Doch das Verfahren verlief intransparent. Zwischenberichte an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags stufte das zuständige Bauministerium als vertraulich ein, so dass die Öffentlichkeit keinen Einblick bekommen konnte. Entscheidende Unterlagen wie die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung gelten als "Betriebsgeheimnis". Von außen ließ sich also nur schwer beurteilen, ob die ÖPP-Variante wirklich billiger sein würde als die konventionelle Umsetzung durch den Staat.

Am Ende erhielt ein Konsortium um den niederländischen Baukonzern BAM den Zuschlag, den Gebäudekomplex zu bauen und 30 Jahre zu betreiben. Die kapitalismuskritische Occupy-Bewegung besetzte vor Baubeginn das Grundstück im Regierungsviertel. Sie wollte mit der Aktion gegen die Privatisierung öffentlicher Aufgaben demonstrieren. 2012 wurde ihr Protestcamp geräumt.

Kritik vom Bundesrechnungshof

Der Bundesrechnungshof kritisierte das Projekt ebenfalls. Beim Neubau eines dazugehörigen Veranstaltungszentrums sei auf eine Wirtschaftlichkeitsprüfung verzichtet worden. Die Bauverwaltung sei außen vor geblieben, "obwohl sie aufgrund der Höhe der geschätzten Kosten für den Neubau hätte beteiligt werden müssen." Auch grundsätzlich sehen die Prüfer ÖPP-Projekte kritisch. Im Sommer 2014 verfasste der Rechnungshof ein Gutachten zu ÖPP-Modellen im Fernstraßenbau. Der Rechnungshof kam zu dem Schluss, dass bei bisherigen Projekten die Kostenprognosen oft nicht zutrafen. Ob das ÖPP-Modell beim Bundesforschungsministerium so günstig ausfallen wird wie geplant, wird sich erst 2041 herausstellen, wenn der Vertrag mit dem Investor endet. Die Linksfraktion im Deutschen Bundestag kritisiert diese Intransparenz und fordert die Offenlegung sämtlicher ÖPP-Verträge mit Investoren.

Im Frühjahr 2015 stellte die Grünen-Fraktion im Bundestag eine Kleine Anfrage über die Arbeit der ÖPP Deutschland. Sie zielte auch auf mögliche Interessenkonflikte ab. Die Grünen wollten beispielsweise wissen, wer die Anteilseigner der ÖPP Deutschland AG seien und ob diese auch von Projekten der Beratungsfirma profitieren. Aus den Antworten des Bundesfinanzministeriums ging unter anderem hervor, dass zu den privaten Anteilseignern an der Beteiligungsgesellschaft der Baukonzern BAM zählte, der das neue Bundesforschungsministerium in Berlin baute und betreibt. Einer der Kreditgeber des Projekts, die DZ Bank, war ebenfalls beteiligt. Konnten die Investoren womöglich zu ihren Gunsten Einfluss auf das Ergebnis der Wirtschaftlichkeitsprüfung nehmen?

Die Bundesregierung bestritt Interessenkonflikte. Es sei durch die Beteiligungsgesellschaft sichergestellt, "dass Aktionäre nicht in das laufende operative Geschäft eingreifen können", hieß es in der Antwort an die Grünen. In ihrer Antwort führte die Regierung weitere Argumente für die Neutralität der Berater/-iknnen an. Laut Bundesregierung hatte die ÖPP Deutschland AG ihren Kunden im Jahr 2014 "im Rahmen der kostenlosen Helpdeskberatung in rund dreißig Prozent der Fälle von einer Umsetzung des Vorhabens als ÖPP abgeraten". Auch das Unternehmen selbst bezeichnete sich als "unabhängig".

Zukunft der ÖPPs

Heute, rund zehn Jahre nach der Gründung der Beratungsfirma, machen ÖPPs in Deutschland laut einem Bericht des Bundeswirtschaftsministeriums einen geringen Anteil an allen Beschaffungsmaßnahmen aus. Im Zeitraum von 2002 bis einschließlich September 2016 habe sich der Anteil der ÖPP-Projekte an allen öffentlichen Bauinvestitionen auf zwei Prozent belaufen, mit einem Volumen von rund neun Milliarden Euro. Das Bundesfinanzministerium hatte sich vor zehn Jahren 15 Prozent erhofft.

Ökonomen schätzen allerdings, dass der Anteil der ÖPPs zunehmen wird. Bislang sind zum Beispiel 3,6 Prozent aller Autobahnen in Deutschland als öffentlich-private Partnerschaft realisiert worden. Dem Institut der Deutschen Wirtschaft zufolge könnte der Anteil in den nächsten Jahren auf mehr als zehn Prozent steigen. Ende April 2015 brachte die Bundesregierung einige neue ÖPP-Projekte beim Autobahnbau auf den Weg. Auf lokaler Ebene wird im Gesetz auf die Möglichkeit, Bauvorhaben mit Hilfe von ÖPPs zu realisieren, hingewiesen. Die rund sieben Milliarden Euro, die im Kommunalinvestitionsförderungsfonds für Schulausbau und finanzschwache Kommunen bereit liegen, können explizit auch mit Hilfe von ÖPP ausgegeben und umgesetzt werden.

Beratungsgesellschaft wird Staatsfirma

Die ÖPP Deutschland AG soll die Kommunen bei privat finanzierten Infrastrukturprojekten beraten. Zuletzt hat die Bundesregierung entschieden, die Consultingfirma umzubauen. Die privaten Anteilseigner mussten die Firma verlassen. Das Unternehmen wurde in eine hundertprozentige Staatsfirma umgewandelt – und hat einen neuen Namen erhalten: Sie heißt jetzt "PD – Berater der öffentlichen Hand GmbH", wobei PD für Partnerschaft Deutschland steht.

Werner Gatzer, Staatssekretär im Bundesfinanzministerium betonte, dass der Umbau keine Reaktion auf den bisherigen starken Einfluss der beteiligten Wirtschaftsunternehmen gewesen sei, sondern allein dazu diene "dieser Kritik von Anfang an den Wind aus den Segeln zu nehmen und eine möglichst breite – auch politische – Akzeptanz für dieses Unterstützungsangebot zu erreichen."

Ob sich an der ÖPP-freundlichen Ausrichtung der Consultingfirma etwas ändern wird, ist fraglich. Ein Blick auf das Management zeigt, dass fünf der sechs Mitglieder der Geschäftsführung zuvor in der freien Wirtschaft arbeiteten. Der neue Geschäftsführer Stéphane Beemelmans war von 2011 bis 2014 Staatssekretär im Verteidigungsministerium. Danach ging Beemelmans zu der Beratungsfirma Eutop, die viele Kunden in der Industrie vertritt. Nun ist er wieder im Staatsdienst aktiv.

Auch das Finanzministerium, wichtigster Anteilseigner, möchte, dass die PD weiterhin ÖPP-Projekte im Blick behält. In einem Mitte 2017 veröffentlichten Bericht heißt es: "Das BMF hat die PD auch im Jahr 2017 beauftragt, Beratungsleistungen für Investitionsvorhaben von öffentlichen Stellen anzubieten, bei denen im Rahmen von Variantenvergleichen ÖPP-Leistungen in Frage kommen".

Überall in Deutschland überlegen Kommunen zurzeit, ob sie neue Straßen und Gebäude selber bauen und betreiben – oder in Form von Öpp-Projekten realisieren. Die Stadtverwaltung von Braunschweig möchte beispielsweise die Stadthalle sanieren und hat im Dezember 2017 beschlossen, die Aufgaben einem Privaten zu übertragen. Auch die Gemeinde Stemwede im Kreis Minden-Lübbecke hat sich entschieden, die neuen Feuerwachen als ÖPP-Projekt zu bauen. Sowohl die Verwaltung in Braunschweig als auch in Stemwede lassen sich von der Partnerschaft Deutschland beraten.

Die Initiative Finanzstandort Deutschland, die einst die Pläne für die Beratungsfirma entwickelte, gibt es heute nicht mehr. In der Finanzkrise brachen in der Lobbyinitiative alte Konflikte zwischen Privatbanken und öffentlich-rechtlichen Kreditinstituten wie den Sparkassen aus. Den beteiligten Häusern fiel es schwer, gemeinsame Positionen zu finden. Nachdem sich die Initiative 2011 kurzzeitig in Dialogforum Finanzstandort Deutschland umbenannt hatte, stellte sie ihre Arbeit bald ganz ein. Das heißt aber nicht, dass der Finanzsektor keine Lobby mehr in Berlin hätte. Fast jede große Bank hat eine eigene Unternehmensrepräsentanz in Berlin. Dazu gibt es die verschiedenen Verbände der Kreditwirtschaft und der Versicherungen.

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Sven Becker arbeitet im Berliner Büro des Nachrichtenmagazins SPIEGEL und als Dozent in verschiedenen Einrichtungen. Er ist Mitglied im Verein Netzwerk Recherche. Becker beschäftigt sich seit Jahren mit den Themen Lobbyismus und Public-Private-Partnerships.