Der Begriff "Lobbying" verweist im deutschsprachigen Raum in der Regel auf Vertreter/-innen wirtschaftlicher Interessen, auf die Interessenvertretung von (großen) Unternehmen und Wirtschaftsverbänden wie dem Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI) oder dem Verband der Automobilindustrie e.V. (VDA). Dabei wird der Ausdruck "Lobbying" in den Medien, in der allgemeinen Öffentlichkeit und insbesondere von industriekritischen Akteuren häufig verwendet, um die intransparente und zum Teil rücksichtslose Einflussnahme von Wirtschaftsvertreterinnen und -vertretern auf politische Entscheidungsträger/-innen zu umschreiben. Seit den späten 1990er Jahren wird der Begriff in der Wissenschaft und in der politischen Praxis der Bundesrepublik weiter gefasst. Er verweist seitdem auf alle Akteure und Gruppierungen, die Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen, also auch auf Vertreter/-innen anderer Interessen wie Gewerkschaften und Berufsverbände sowie Nichtregierungsorganisationen (NRO) im engeren Sinne, d.h. auf nichtstaatliche Interessensorganisationen in den Bereichen Verbraucherinteressen, Wohlfahrt, Umweltschutz, Tierschutz, Bildung, Menschenrechte und ähnliches. Nicht zuletzt die starke mediale Präsenz von Umwelt-NRO wie Greenpeace hat dafür gesorgt, dass sich auch die im Vergleich zu großen Wirtschaftsakteuren schwachen Interessen Gehör verschaffen.
Die Vielzahl und die Vielfalt der Interessengruppen sind ein wichtiger Bestandteil moderner Demokratien; sie spiegeln die unterschiedlichen Interessen einer Gesellschaft wider (Pluralismus) und ihre direkte und indirekte Einbindung in den politischen Prozess sichert im Idealfall die Berücksichtig aller gesellschaftlichen Gruppen. Allerdings gibt es keine genauen Angaben über die Anzahl und den unterschiedlichen Einfluss von Interessenvertretern, nicht für die Bundesrepublik Deutschland und auch nicht für die EU. So mag die Zahl der NRO weltweit in der jüngeren Vergangenheit stark zugenommen haben (
Legt man die Zahlen des im Juni 2008 eingerichteten (freiwilligen) Europäischen Transparenzregisters zugrunde, so kann bei einer leichten Stärkung des NRO-Sektors von einer Stabilisierung der Verteilung der vertretenen Interessen ausgegangen werden: Die Zahl der Organisationen und selbstständigen Einzelpersonen, die offiziell auf die Politikgestaltung oder -umsetzung und die Entscheidungsprozesse der EU-Organe unmittelbar oder mittelbar Einfluss nehmen, hat sich zwischen 2013 und 2018 im Wesentlichen verdoppelt. Die Zahl der registrierten NRO ist von 1.304 auf 3.153, die Zahl der Wirtschaftsverbände von 2.816 auf 5.873 gestiegen.
Hinsichtlich der Ressourcenausstattung gilt weithin, dass Vertreter/-innen wirtschaftlicher Interessen über größere finanzielle Ressourcen verfügen als Gewerkschaften oder NRO. Allerdings gilt diese Aussage nur bezogen auf die jeweilige Gesamtgruppe. So finden sich auf EU-Ebene sowohl Wirtschaftsverbände (gut sechs Prozent von 2.816 = 170) wie NRO (knapp fünf Prozent von 1.304 = 65) mit einem Jahresbudget von über fünf Millionen Euro (vgl. Kohler-Koch/Quittkat/Kurczewska 2013: 9). Auffallend ist, dass nationale Interessenorganisationen oftmals besser ausgestattet sind als ihre Pendants auf EU-Ebene, was für Wirtschaftsverbände und NRO gleichermaßen gilt.
Die Zuordnung der verschiedenen Interessengruppen in die weit gefassten Kategorien Wirtschaft und NRO ist problematisch, wenn damit grundsätzlich gegensätzliche Interessen (profit/not for profit) angenommen werden. Zwar haben sich viele NRO in Reaktion auf Wirtschaftsinteressen formiert, aber es gibt auch viele NRO, die von Unternehmen und Verbänden gegründet oder unterstützt, bisweilen auch gezielt genutzt werden, um Wirtschaftsanliegen in einer breiteren Allianz voranzutreiben. Auch unabhängig von problematischen Lobbyingstrategien wie dem Aufbau von NRO durch Unternehmen (Astroturf; vgl. w. U. Abschnitt "Hybride Organisationen: verdeckte Lobby?") stehen in vielen politischen Auseinandersetzungen Koalitionen aus Wirtschafts- und anderen Interessen, darunter häufig NRO, auf beiden Seiten der Konfliktlinie.
Neue Organisationen, neue Themen
Unabhängig von der empirisch schwierig zu überprüfenden Frage, in welchem Ausmaß und mit welcher Geschwindigkeit die Zahl der Interessengruppen in Deutschland oder der EU zugenommen hat, zeigt die aktuelle Forschung, dass sich die von NRO vertretenen Anliegen verändert bzw. ausgeweitet haben. Manche Interessengruppen wie Wohlfahrtsverbände, Verbraucherverbände, Umwelt- oder Hilfsorganisationen wie Caritas, die Verbraucherzentralen, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Amnesty International (AI), Ärzte ohne Grenzen und ähnliche Organisationen vertreten seit langem die Interessen ihrer Mitglieder/-innen gegenüber der Politik und Öffentlichkeit. In den vergangenen 25 Jahren sind aber auch Interessengruppen mit neuen Themen/Anliegen entstanden, die im engen Zusammenhang mit einigen wichtigen politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen dieser Zeit stehen.
Zum einen riefen die Auswirkungen der ökonomischen Globalisierung und insbesondere die Krise der zusammengewachsenen internationalen Finanzmärkte neue globalisierungskritische Organisationen auf den Plan, wie etwa das Netzwerk Attac oder Occupy Wall Street. Zum anderen bewirkten Mitte der 1990er Jahre eine Reihe von Korruptions-, Parteispenden- und Vetternwirtschaftsskandalen auf europäischer, nationaler sowie Landes- und Kommunalebene bei den Bürgerinnen und Bürgern ein zunehmendes Misstrauen in politische Parteien und Institutionen. Es bildeten sich eine Vielzahl neuer zivilgesellschaftlicher Organisationen und Interessengruppen, die sich kritisch mit den staatlichen Entscheidungsstrukturen auseinandersetzen und eine neue, demokratiepolitische Zielrichtung aufwiesen. Sie widmen sich dem Thema Transparenz im politischen Prozess und befassen sich mit einer Stärkung und Modernisierung demokratischer Strukturen und Verfahren. Auf der Grundlage der demokratischen Prinzipien Transparenz, Rechenschaftspflicht und Inklusion, also der Einbindung aller Interessen in Entscheidungsprozesse, werden neue Instrumente diskutiert und gefordert. Diese sollen der dominierenden und intransparenten Einflussnahme einzelner Interessengruppen entgegenwirken, die Rechenschaftspflicht politischer Entscheidungsträger/-innen sicherstellen und die Transparenz politischer Verfahren und Entscheidungen erhöhen. Außerdem fordern einige dieser NRO basisdemokratische Elemente, die klassische Entscheidungsverfahren der repräsentativen Demokratien ergänzen, um die Teilhabe Aller an politischen Entscheidungen zu ermöglichen. Basisdemokratische Beteiligungsverfahren wie Volksabstimmungen bieten, so die Überlegung, die Möglichkeit, schon im Vorfeld von Entscheidungen auf die politische Diskussion Einfluss zu nehmen und gegebenenfalls dem Einfluss ressourcenstarker Interessen entgegenzutreten. In der Bundesrepublik gehören beispielsweise Volksbegehren und Volksentscheide zu diesen Beteiligungsinstrumenten, auf europäischer Ebene wurde mit der Europäische Bürgerinitiative (EBI; Maurer/Vogel 2009) ein neues Instrument geschaffen, um die Beteiligung aller Politikbetroffenen am politischen Prozess zu stärken.
Die großen neuen Themen sind somit Bürgerbeteiligung und mehr Demokratie sowie – eng damit verknüpft – das Sichtbarmachen oder die Einschränkung des einseitigen Einflusses (wirtschaftlicher) Interessen. Zu den noch immer recht jungen Organisationen gehören in Deutschland und Europa unter anderem die in Deutschland gegründete und ansässige internationale NRO Transparency International, die vorwiegend national arbeitenden NRO Lobbycontrol, Mehr Demokratie e. V. und Abgeordnetenwatch sowie auf europäischer Ebene Organisationen wie Corporate Europe Observatory, Lobbyplag und Finance Watch sowie die Allianz Alter EU.
Mit der Anzahl der Interessengruppen steigt auch die Unsicherheit darüber, welche Interessen von welchen Gruppen vertreten werden. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass neue Interessengruppen naturgemäß schwer einzuschätzen sind, weil sie noch nicht lange aktiv sind. Zum anderen jedoch scheint die Anzahl solcher Interessengruppen anzusteigen, die die von ihnen vertretenen Interessen (Ziele wie Mitglieder) aus strategischen Gründen nicht öffentlich machen. (Irmisch 2011; O.V. 2015 "Wenn Konzerne den Protest managen").
QuellentextTransparency International (TI)
Ziele und Funktionsweise
Transparency International (TI) konzentriert sich seit 1993 auf die Bekämpfung von Korruption, wobei sowohl international die "korruptiven Strukturen" zwischen reichen und armen Ländern wie auch diejenigen innerhalb der einzelnen Staaten aufgebrochen und transparent gemacht werden sollen (Martiny 2004).
Wissenschaftler sehen den Korruptionsindex durchaus kritisch: zum einen verfolgt der Korruptionsindex eine Strategie des öffentlichen "Blamings" (beschuldigen und tadeln); zum anderen gibt es methodische Bedenken, da sich der tatsächliche Korruptionsgrad eines Landes nicht von individuell wahrgenommener Korruption ableiten lässt (Charron 2016) und die in dem Index zusammengeführten Erhebungen unterschiedliche Aspekte von Korruption messen und eine unterschiedliche geografischer Reichweite haben (Thompson/Anwar 2005).
TI agiert weltweit als Dachgesellschaft mit Sitz in Berlin sowohl über die mehr als 100 weitgehend autarken Tochterbüros als auch über die Zusammenarbeit mit anderen Nichtregierungsorganisationen wie etwa LobbyControl, Campact oder Mehr Demokratie e.V.. Die Dachorganisation sowie die Tochterbüros weltweit verfügen zwar über Angestellte, doch viel der Arbeit wird durch einzelne Mitglieder ehrenamtlich übernommen.
Ressourcen
Zu den wesentlichen Ressourcen von Interessenorganisationen gehören Finanzen, Personal und Expertise. Die Ressource Personal ist zumeist von dem verfügbaren Geld abhängig, aber es ist nicht zwingend so, dass mit den Finanzressourcen auch die Zahl der in einer Interessensorganisation angestellten Personen zunimmt. Die Aufgaben einer Interessenorganisation können sowohl von Angestellten als auch von Ehrenamtlichen ausgeführt werden. Ähnlich verhält es sich mit der Expertise, die sowohl von den Angestellten wie auch von den ehrenamtlich mitwirkenden Mitgliedern zur Verfügung gestellt werden kann, wobei ein großes Finanzbudget natürlich die Möglichkeit eröffnet, Expertise in Form von (externen) Gutachten etwa bei Wissenschaftlern oder Thinktanks einzukaufen.
Laut Finanzbericht betrug das Finanzvolumen 2016 des Dachverbands Transparency International rund 23 Millionen Euro, eine ausgesprochen hohe Summe im Vergleich zu vielen anderen Nichtregierungsorganisationen. Es setzt sich vor allem aus öffentlichen Geldern zusammen (Agenturen und nationale Ministerien für Entwicklung und Zusammenarbeit und Europäische Kommission); die Spendengelder von Wirtschaftsunternehmen lagen 2015 und 2016 bei rund 1 Millionen Euro, während für 2014 nur ein Betrag von 580.000 Euro im Finanzbericht aufgeführt ist (Externer Link: https://www.transparency.org/files/content/ouraccountability/2016_TI_FinancialHighlights.pdf, Seite 7; 10.12.2017). Nicht zu entnehmen ist der Homepage, wie die Geschäftsstelle des Dachverbandes personell ausgestattet ist; es werden zwei Personen unter "Management" (Managing Director und Internal Managing Director) aufgeführt; die Mitglieder von Vorstand und Beratungsausschuss, die gleichfalls namentlich aufgeführt werden, sind ehrenamtlich tätig (Externer Link: https://www.transparency.org/whoweare/organisation; 10.12.2017).
Das Tochterbüro von TI in Deutschland hat 5 Mitarbeiter und zusätzlich zwei Praktikantenstellen. Das Budget des deutschen Büros ist deutlich geringer als das der Dachgesellschaft mit ca. 570.000 € (Jahresabschluss 2016, vgl. Externer Link: https://www.transparency.de/ueber-uns/finanzen; 9.12.2017). Es setzt sich vor allem aus Mitgliedsbeiträgen zusammen mit einem leichten Übergewicht der Mitgliedsbeiträge von korporativen Mitgliedern (125.000 Euro) im Vergleich zu Mitgliedsbeiträgen von Einzelmitglieder (108.000 Euro) und aus Spenden und Förderbeiträgen von Einzelpersonen (zusammen rund 79.000 Euro). Spenden von Unternehmen und korporativen Mitgliedern sind nur in geringem Umfang verzeichnet (2.100 Euro).
QuellentextLobbyControl
Ziele und Funktionsweise
Zu den bekanntesten neuen "Demokratievereinigungen" aus Deutschland gehört seit 2005 LobbyControl. Die Organisation versteht sich als systematischer und kontinuierlicher Beobachter und Aufklärer der Lobbyingaktivitäten von "Lobbygruppen, Denkfabriken, Kommunikationsberatern und PR-Agenturen", wobei der Fokus vor allem auf Wirtschaftslobbyisten und den Verbindungen zwischen Politik und Wirtschaft liegt.
Ressourcen
Die Organisation von LobbyControl präsentiert sich etwas anders als die von TI. Der Verein hat ordentliche Mitglieder und Fördermitglieder und es können sowohl natürliche wie juristische Personen Mitglied sein (Externer Link: https://www.lobbycontrol.de/wp-content/uploads/Satzung-LobbyControl.pdf; 9.12.2017). Die Aufgaben von LobbyControl werden im Wesentlichen von den Angestellten und dem ehrenamtlichen Vorstand durchgeführt. Auch wenn nicht ganz eindeutig aus der Selbstdarstellung zu entnehmen, scheint eine systematische Einbindung von Ehrenamtlichen wie bei TI bei LobbyControl nicht stattzufinden, um die Einflussnahme Einzelner zu reduzieren. LobbyControl hat neun Angestellte und einen ehrenamtlichen Vorstand aus zwei Personen. Ergänzend wird auf der Homepage noch auf weitere ehrenamtliche oder Teilzeitkräfte für einzelne inhaltliche und administrative Aufgaben hingewiesen und auf sechs LobbyScouts, die Stadtführungen durch die Berliner Lobbyszene durchführen (Externer Link: https://www.lobbycontrol.de/initiative/der-lobbycontrol-vorstand/; 8.12.2017).
Die Finanzausstattung von LobbyControl ist im Vergleich zu den nationalen Tochterbüros von TI ausgesprochen gut mit einem Budget von etwas über 960.000 Euro im Jahr 2016 (https://www.lobbycontrol.de/wp-content/uploads/Pruefbericht2016-Wirtschaftspruefer.pdf; 10.12.2017) und schlägt sich in einer höheren Personalausstattung nieder. Die drei größten Posten auf der Einnahmenseite sind (grob gerundet) Spenden und Zuwendungen (401.000 Euro), Mitgliedsbeiträge (274.000 Euro) und Zuwendungen von Stiftungen (127.000 Euro). Wie sich die Mitgliedsbeiträge und Zuwendungen auf natürliche und juristische Personen verteilen, lässt sich dem Finanzbericht nicht entnehmen. Allerdings führt LobbyControl auf seiner Homepage die Namen der juristischen Personen auf, deren jährliche Zahlungen mehr als 10 % des Gesamtjahresbudgets ausmachen. 2016 gab es laut LobbyControl keine Einzelspende, die über 10 % der Jahreseinnahmen ausmachte (Externer Link: www.lobbycontrol.de/initiative/unsere-finanzierung/; Externer Link: www.lobbycontrol.de/initiative-transparente-zivilgesellschaft/; 10.12.2017). Ergänzend listet LobbyControl (freiwillig) die Zuwendungen von institutionellen Spendern ab einhundert Euro (2016: drei Vereine/Stiftungen) und Spenden von natürlichen Personen ab 10.000 Euro namentlich auf (2016: zwei Personen). LobbyControl akzeptiert keine Unternehmensspenden, um seine Ziele frei verfolgen zu können; Gelder aus öffentlichen Haushalten hat die Organisation bislang nicht erhalten (Externer Link: https://www.lobbycontrol.de/initiative/unsere-finanzierung/; 8.10.2017).
Die hier beispielhaft herausgehobenen NRO LobbyControl und Transparency International (TI), die sich für mehr Demokratie, mehr Partizipation und/oder Transparenz einsetzen, sind Organisationen, die in Deutschland eine hohe öffentliche Akzeptanz genießen und deren Aktivitäten aufgrund ihrer Ziele und Inhalte als legitim betrachtet werden. Das Beispiel Transparency International zeigt allerdings, dass die Akzeptanz und die sich daraus ableitende Legitimität einer Interessengruppe – beides wesentliche Voraussetzungen für die erfolgreiche Einflussnahme auf politische Entscheidungsprozesse – keineswegs transnational gilt: Während TI in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre für seine Anti-Korruptions-Kampagne in Deutschland starke öffentliche Zustimmung erhielt, gelang es TI in Frankreich nicht, eine ähnliche Rolle einzunehmen. Die Falluntersuchung von Guttermann am Beispiel der OECD Anti-Korruptions-Konvention von 1997 zeigt, dass TI in Frankreich – ganz anders als in Deutschland – zu keiner nationalen Vorbereitungssitzung von staatlicher Seite eingeladen war (Guttermann 2014: 409). Grund sei laut Guttermann die kritische Berichterstattung der franzöischen Presse, die dem Präsidenten von TI-Frankreich eine politische Nähe zum amerikanischen Geheimdienst nachgesagt und die NRO als Erfüllungsgehilfe einflussreicher US-Konzerne dargestellt hatte (Guttermann 2014: 410).
Die unterschiedliche Akzeptanz von TI in Deutschland und Frankreich ist nicht auschließlich das Ergebnis eines spezifischen Skandals, sondern zu einem großen Teil auf die unterschiedliche politische Kultur in beiden Ländern zurückzuführen. Während in Deutschland Interessengruppen, Verbände und Vereine als wichtige Akteure wahrgenommen werden, die Interessen bündeln und artikulieren und die in neo-korporatistischer Tradition von politischen Entscheidungsträgern gehört und ggf. auch in die Pflicht genommen werden, existiert im etatistischen Frankreich eine große Skepsis gegen jede Form von Interessenorganisation. Gerade der für TI typische Ansatz, über "diplomatische Verhandlungen" eine Bewusstseins- und Verhaltensänderung zu bewirken, geriet in Frankreich in die Kritik, da aus der Logik der französischen politischen Kultur die Rolle des Staates als Hüter des Gemeinwohls durch diese Vorgehensweise in Frage gestellt wird (vgl. Quittkat 2012). Aber auch in Deutschland gibt es Kritik an Transparency International. Der hohe Anteil an Spendenbeiträgen aus der Wirtschaft, unklare Finanzausgaben oder die Mitarbeit (ehemaliger) Manager und Vorstände aus multinationalen Konzernen rücken immer wieder in den Fokus der Öffentlichkeit und bieten Anlass zur Diskussion.
Kritik an LobbyControl findet sich dagegen sehr selten, was durchaus auf die Organisations- und Arbeitsweise zurückzuführen ist. Die Ablehnung von Unternehmensspenden verhindert die vermeintliche oder tatsächliche "Rücksichtnahme" auf Geldgeber bei der Aufdeckung von instransparenten und unzulässigen Verflechtungen zwischen Wirtschaft und Politik. Auch die Tatsache, dass die NGO-Arbeit bei LobbyControl hauptberuflich und nicht ehrenamtlich durchgeführt wird, erweist sich hier als Vorteil, da keine Loyalitäten zu anderen Geldgebern berücksichtigt werden müssen oder vorgeworfen werden können. Allerdings muss sich LobbyControl dem Vorwurf stellen, seine Kampagnen und Aufklärungsstudien zu einseitig auf (große) Wirtschaftsakteure zu richten.
Für Nichtregierungsorganisationen wie für alle Interessengruppen gilt, dass ihre Arbeit öffentlich ist. Damit setzen sie sich auch der öffentlichen Diskussion und Kritik aus und ihre Finanzen sowie Organisationsformen werden zum Gegenstand der Kritik von Gegnern und neutralen Beobachtern. Zudem gehen Organisationen, die sich vehement für Transparenz und hohe demokratische Standards einsetzen, eine hohe Selbstverpflichtung auf diese Standards ein und müssen sich an diesen messen lassen. Mit der Initiative Transparente Zivilgesellschaft (Externer Link: https://www.transparency.de/mitmachen/initiative-transparente-zivilgesellschaft; 10.12.2017) plädieren TI und zahlreiche NRO für einheitliche Veröffentlichungspflichten für gemeinnützige Organisationen. Unterzeichner der Initiative, darunter auch LobbyControl, verpflichten sich zur Veröffentlichung der Satzung, der Namen der wesentlichen Entscheidungsträger und leisten regelmäßig (jährlich) Angaben über Mittelherkunft, Mittelverwendung und Personalstruktur. Bislang sind die Angaben freiwillig und es gibt nach wie vor viele Organisationen, die sich nicht an diese oder vergleichbare Standards halten. Wenn sich Organisationen bedeckt halten, können sie zur Zielscheibe von Spekulationen werden. Tatsächlich gibt es eine ganze Reihe von verdeckt arbeitenden Lobbygruppen im Bereich NRO.
Hybride Organisationen: verdeckte Lobby?
Tatsächlich sind nicht bei allen Nichtregierungsorganisationen Zielsetzung, Mitgliedschaft und Arbeitsweise transparent und auch die Trennung zwischen "Wirtschaft", "Gesellschaft" und "Staat" ist nicht immer klar. In manchen Fällen mangelt es den Aktivistinnen und Aktivisten an Ressourcen und/oder Professionalität, um die eigene Organisation verständlich und systematisch in der Öffentlichkeit darzustellen. Zum anderen hat in den vergangenen beiden Jahrzehnten die Zahl sogenannter "hybrider Organisationen" deutlich zugenommen, die sich nicht (mehr) mit Hilfe traditioneller Kategorien als rein staatliche, als rein marktförmige oder als rein zivilgesellschaftliche Akteure einordnen lassen. Wissenschaftlich sind "hybride Organisationen (…) als Organisationsform definierbar, die Elemente privater, öffentlicher, Forprofit- und Nonprofit-Organisationen mit unternehmerischen Identitäten und Orientierungen verbindet und mindestens zwei [dieser] Hauptzwecken dient (Profit, soziale Anliegen, öffentliches Interesse)"
Eine genauere Analyse zeigt, dass ein Teil der Organisationen, die sich als hybrid in der Öffentlichkeit darstellen, im Kern von Wirtschaftsunternehmen getragen werden oder wirtschaftliche Interessen vertreten (Irmisch 2011; O.V. 2015, "Wenn Konzerne den Protest managen"). Sie verbergen systematisch die von ihnen vertretenen Ziele, versuchen aber zugleich sehr aktiv Einfluss auf die öffentliche Meinung zu nehmen. Diese Vorgehensweise wird mit dem Begriff Astroturfing umschrieben, der sich aus dem Markenname einer US-amerikanischen Kunstrasenfirma ableitet. Im Gegensatz zu tatsächlichen "Graswurzelbewegungen" handelt es sich bei Astroturfing also um "künstliche" Graswurzelbewegungen bzw. Organisationen, die mit Hilfe von Werbeagenturen auf die Meinungsbildung über zum Beispiel Leserbriefe und Online-Kampagnen Einfluss nehmen und hinter denen oftmals Wirtschaftsunternehmen oder Industrieverbände stehen. Beispiele in Deutschland sind etwa die Gesellschaft zur Information über Vitalstoffe und Ernährung e. V. (Give) der Pharmaindustrie oder der Verein Bürger für Technik der Atomindustrie. Es liegt in der Natur der Sache, dass keine konkreten Zahlen über Astroturfing vorliegen, da die Grenzen zwischen bewusster Täuschung einerseits und "normaler" Öffentlichkeitsstrategie als Lobbyinginstrument fließend sind, wie in der Studie von Anna Irmisch (2011) deutlich wird.
Mehr Transparenz, breitere Beteiligung?
Die Korruptions-, Parteispenden- und Vetternwirtschaftsskandale der 1990er Jahre haben nicht nur politische Aktivistinnen und Aktivisten mobilisiert. Auch unter Wissenschaftlern und Politikern haben sie eine Diskussion über neue Formen und Instrumente politischer Partizipation in Gang gesetzt mit dem Ziel, politische Entscheidungsprozesse transparenter, inklusiver und demokratischer zu gestalten. Ein Ergebnis dieser Diskussion über "gutes Regieren" ist auf europäischer Ebene vor allem das von der EU-Kommission 2001 vorgelegte Weißbuch "Europäisches Regieren", das schließlich 2005 in der Transparenzinitiative mündete
Neue Konsultationsinstrumente
Die Diskussion über neue Formen und Instrumente politischer Partizipation wirkten sich auch auf das "Konsultationsregime" der Europäischen Kommission (Kohler-Koch/Finke 2007) aus, auf die Prinzipien, Normen, Regeln und Verfahren, die die Beziehungen zwischen Kommission und Interessenvertretern strukturieren und anhand derer man die qualitativen Veränderungen dieser Beziehungen festmachen bzw. erkennen kann (Kohler-Koch/Quittkat 2011: 77ff). In den Aufbaujahren der Wirtschaftsgemeinschaft etablierte sich eine informelle, aber enge Zusammenarbeit insbesondere mit wirtschaftlichen Interessenverbänden. In sozialen Fragen arbeitete die Kommission auch mit den Gewerkschaften zusammen, während der Austausch mit weiteren gesellschaftlichen Interessen eher sporadisch erfolgte. In den 1980er Jahren drängte die Kommission die Sozialpartner erfolgreich zur Etablierung eines "Europäischen Sozialen Dialogs" (1985) und führte selbst das "Partnerschaftsprinzip" beispielsweise in der Strukturpolitik ein, d.h. staatliche Stellen wurden verpflichtet, sowohl bei der Programmerstellung, als auch der Durchführung strukturpolitischer Maßnahmen Vertreter/-innen gesellschaftlicher Interessen einzubeziehen. Auf europäischer Ebene mündete diese Entwicklung in der Einrichtung des Zivilen Dialogs in der europäischen Beschäftigungs- und Sozialpolitik (1996). Außerdem legte die Kommission Programme zur finanziellen Förderung gemeinnütziger europäischer Interessenverbände auf und unterstützte gezielt die europäische Vernetzung von NRO wie etwa der Plattform Europäischer Sozialer NRO (Social Platform) oder der European Women’s Lobby (EWL).
Im Zusammenhang mit dem Weißbuch "Europäisches Regieren" entwickelte die Kommission nun auch Konsultationsinstrumente, um NRO – stellvertretend für die von ihnen jeweils vertretenen Bürger/-innen – systematisch in den Politikprozess einzubeziehen (Kohler-Koch/Quittkat 2011: 79f). Die seit der Jahrtausendwende zum Einsatz kommenden Konsultationsinstrumente sollen die Beteiligung eines breiten Spektrums an Interessenvertretern aller betroffenen (Interessen-)Gruppen über unterschiedliche Verfahren sicherstellen. In der Zielsetzung dienen sie somit der (stärkeren) Präsenz und Berücksichtigung möglichst vieler verschiedener Interessen anstelle einer eher einseitigen Konsultation nur spezifischer Interessengruppen, insbesondere von Wirtschaftsvertreter/-innen. Die Instrumente reichen von Anhörungen, Expertengruppen und Fachforen bis hin zu Konferenzen. Besonders zu nennen sind die erstmals im Jahr 2000 zum Einsatz gekommenen Online-Konsultationen der Kommission. Sie sind ausgesprochen formalisiert, um den von der Kommission selbst formulierten hohen Ansprüchen an Offenheit, Transparenz und Inklusion gerecht zu werden (Kommission 2002). Online-Konsultationen richten sich üblicherweise an die interessierte Öffentlichkeit, sind über Internet zugänglich
Eine Analyse der Beteiligung an Konsultationsinstrumenten der Generaldirektion Soziales und der Generaldirektor Gesundheit in den Jahren 2000 – 2007 macht deutlich, dass das Spektrum der Teilnehmer/-innen an den Konsultationsverfahren der Europäischen Kommission sehr breit gefächert ist (Quittkat 2011). In der Praxis richten sich die Konsultationsinstrumente vor allem an die Vertreter/-innen gesellschaftlicher Interessen und nicht an einzelne Bürger/-innen. Privatpersonen, die an Online-Konsultationen teilnehmen, sind in der Minderheit. Die Inhalte der Online-Konsultationen sind meist sehr – oder zu – technisch und die wenigen Privatpersonen, die an diesen Konsultationen teilnehmen, entsprechen dem "Durchschnittsprofil" politischer Aktivisten (und Aktivistinnen) in Parteien oder Nichtregierungsorganisationen: Hohes (akademisches) Bildungsniveau, Fremdsprachenkompetenz (Englisch), jung und männlich (Hu 2010; Schattschneider 1960). Das Ziel einer umfassenden Beteiligung wird somit auch im Rahmen der Online-Konsultationen verfehlt. Gut eingebunden in das Konsultationssystem der Europäischen Kommission sind Interessengruppen als Vertreter der Politikbetroffenen. Die Bandbreite der Interessengruppen erstreckt sich territorial von der lokalen, über die sub-nationale und nationale Ebene bis hin zur europäischen und internationalen Ebene, wobei die behandelte Materie eines Konsultationsverfahrens bestimmt, welche Interessenvertreter an dem Verfahren teilnehmen und wie breit das Spektrum der vertretenen Interessen ist. Vor allem bei Politikfeldern, die erst seit jüngster Zeit in den Kompetenzbereich der EU fallen, ist das Spektrum der vertretenen Interessen breit (Kohler-Koch/Quittkat 2011). Betrachtet man nur die organisierten Interessen (Interessengruppen) und fasst man alle NRO unabhängig von ihrer thematischen Zielsetzung als eine Gruppe zusammen, so beteiligen sich mehr NRO als Wirtschaftsverbände an den Konsultationen der Kommission. Die Verbände kommen aus dem Bereich Wohlfahrt, Arbeitnehmer, Gesundheit, Rechte und Werte, Umwelt und Verbraucher sowie Agrar-, Berufs- und Industrieverbände. Fasst man jedoch Wirtschaftsverbände und Firmen zusammen als Vertreter wirtschaftlicher Interessen, dann bilden diese die numerisch stärkste Teilnehmergruppe bei Online-Konsultationen (Kotzian/Quittkat 2014), so dass die Bemühungen der Kommission, eine gleichberechtigtere Beteiligung von gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Interessen sicherzustellen, nur bedingt erfolgreich sind. Unterschiede bei der Beteiligung an Online-Konsultationen gibt es auch zwischen den Mitgliedstaaten: Die Interessengruppen aus den alten und großen EU-Mitgliedstaaten Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien sind insgesamt deutlich stärker vertreten als Gruppen aus den südlichen oder den neuen östlichen EU-Mitgliedsländern (Quittkat 2008, 2010). Sowohl für die unterschiedliche Beteiligung von NRO im Vergleich zu Wirtschaftsverbänden wie auch von Interessenvertretern aus den alten und wirtschaftlich starken Mitgliedstaaten im Vergleich zu den südlichen und östlichen EU-Mitgliedsländern gilt, dass diese vor allem auf Unterschiede bei der finanziellen, personellen und zeitlichen Ressourcenausstattung zurückgeführt werden kann (Quittkat 2008, 2010).
Das Problem der unterschiedlichen Ressourcenausstattung versucht die Kommission über Fördergelder für NRO abzumildern. Eine neuere Studie macht deutlich, dass die Fördergelder der Kommission durchaus an die Vertreter/-innen unterrepräsentierter Interessen gelangen, aber das Fördersystem berücksichtigt auch solche Interessengruppen, die im Konsultationsregime überrepräsentiert sind (Persson/Edholm 2017). Somit wirkt sich das Fördersystem negativ auf eine gleichgewichtige Teilnahme an den Konsultationen der Kommission aus, obwohl die Wahrscheinlichkeit, Zugang zu den formalen Beteiligungsverfahren zu haben mit dem Erhalt von Fördergeldern der EU zunimmt.
Es zeigt sich am Beispiel der EU, dass die Bemühungen um mehr Transparenz und die Entwicklung neuer Konsultationsinstrumente durchaus zu einer breiteren Beteiligung vertretener Interessen führen kann. Allerdings wird auch deutlich, dass die Konsultationsinstrumente alleine nur bedingt Ungleichgewichte ausgleichen können, solange das Problem der unterschiedlichen Ressourcenausstattung nicht systematisch zugunsten derjenigen Interessengruppen, die tatsächlich im Konsultationssystem der Kommission unterrepräsentiert sind, angegangen wird. Zudem bilden die Konsultationsinstrumente nur den formalen Zugang zu politischen Entscheidungsträgern ab. Welche informellen Kontakte und Beziehungsmuster bestehen und wie sie wirken, lässt sich nur schwer untersuchen. Schließlich sagt das zahlenmäßige Wachstum (neuer) NRO oder deren Präsenz in Konsultationen nicht viel über ihren Einfluss aus. Beispiel Finanzmarkt: Den mehr als 100 internationalen und nationalen Verbänden und Unternehmen im Finanzsektor steht die in Finance Watch gebündelte Lobby von Gewerkschaften und NGO mit zwölf finanzkritischen Lobbyistinnen und Lobbyisten gegenüber (Plehwe 2012, 25-28). Neuere Studien zeigen jedoch, dass die relative Stärke der konkurrierenden Koalitionen (Klüver 2013) wichtiger ist als die Stärke der einzelnen Interessengruppen. Das Konfliktpotential, das Interesse der Öffentlichkeit an einem politischen Thema, die Möglichkeit von Allianzen und das spezifische politische Entscheidungsverfahren entscheiden mit darüber, ob Interessenvertreter ihre Interessen durchsetzen können oder nicht (Dür/Bernhagen/Marshall 2015). Der Einfluss großer wirtschaftlicher Interessenvertreter/-innen kann durch Lobbykräfte beschränkt werden, die sich großer Unterstützung in der Bevölkerung (potenzielle Wählerstimmen) erfreuen, besondere Expertise zu bieten haben und sich frühzeitig in den politischen Prozess einschalten.
Schlussbetrachtungen
Für moderne pluralistische Demokratien sind die Existenz von Interessengruppen und die Einflussnahme von Interessengruppen auf politische Entscheidungen kennzeichnend und tragen wesentlich zu ihrem Funktionieren bei. Problematisch ist Lobbying dann, wenn einzelne Interessengruppen sehr stark zu Lasten anderer Interessen oder auf Kosten des Gemeinwohls Einfluss gewinnen und/oder systematisch das Interesse einer Gruppe stärkere Berücksichtigung im politischen Entscheidungsprozess findet, als das Interesse anderer Gruppen. Seit Mitte der 1990er Jahre entstanden vor dem Hintergrund gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Veränderungen immer mehr Nichtregierungsorganisationen, die eine stärkere Bürgerbeteiligung an politischen Entscheidungen und/oder eine größere Transparenz politischer Entscheidungsverfahren einfordern. Organisationen wie Transparency International oder LobbyControl übernehmen dabei oftmals eine Kontrollfunktion. Gleichzeitig wurden zahlreichen NRO gegründet, die gesellschaftlichen Interessen wie Umweltschutz-, Verbraucherschutz-, Menschenrechts- und Minderheitenschutz zu größerer Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit und gegenüber politischen Institutionen auf nationaler wie europäischer Ebene verhelfen.
Die demokratischen Prinzipien Transparenz, Rechenschaftspflicht und Inklusion, die möglichst vollständige Einbeziehung aller, werden durch neue Transparenzinstrumente und Konsultationsverfahren auf EU-Ebene, die die gesamte Bandbreite gesellschaftlicher Interessen berücksichtigen, durchaus gestärkt. Allerdings lässt sich der Prozess der politischen Willensbildung aufgrund der Komplexität (gesellschaftlich-)politischer Prozesse nur bedingt durch solche Instrumente steuern. Faktoren wie die einer Interessengruppe zur Verfügung stehenden Ressourcen, ihre Expertise, mögliche Allianzpartner oder die aktuelle politische Stimmung in der Bevölkerung bilden Rahmenbedingungen, die sich gleichfalls auf Erfolg oder Misserfolg von Lobbyingaktivitäten auswirken. Nicht einmal die oft proklamierte eindeutige Trennung zwischen den "Guten" und den "Bösen" (Interessen) lässt sich im wachsenden Feld der Interessengruppen ohne weiteres ausmachen: Unternehmensinteressen sind nicht per se schlecht, wie die Bereitstellung oder Schaffung von Arbeitsplätzen verdeutlicht, und es strebt auch nicht jeder Unternehmer nach Gewinnmaximierung um jeden Preis. Nicht jede NRO ist eine "gute" NRO: Zum einen gibt es Organisationen, deren tatsächliche Mitglieder, Förderer und Ziele unklar bleiben (Stichwort Astroturfing); zum anderen hängt auch in pluralistischen Demokratien die Akzeptanz einzelner NRO als "Wachhunde" von der spezifischen politischen Kultur und dem spezifischen gesellschaftspolitischen Kontext ab, wie das Beispiel Transparency International zeigt.
Während die Diskrepanz zwischen Wirtschafts- und anderen Interessen im Hinblick auf die Ressourcen nach wie vor generell groß ist, steckt der Teufel bei vielen einzelnen Lobbyingthemen im Detail. Häufig stehen sich Wirtschaftsinteressen und NRO auf verschiedenen Seiten in mehr oder weniger engen Koalitionen gegenüber. Auch bei NRO ist eine kritische Perspektive erforderlich, denn mitunter spielen andere Interessen eine Rolle als jene in der Selbstbeschreibung.