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Segregation und Integration – ein Gegensatz?

Andreas Farwick

/ 14 Minuten zu lesen

Migrantisch geprägte Stadtquartiere werden als Ressource der Stadtgesellschaft oder als Hindernis für Integration gesehen. Andreas Farwick über Segregation und Integration.

(@ Meike Fischer)

Seit jeher ist die Entwicklung der Städte mit dem Phänomen der Migration verbunden. Zuwanderung und die damit einhergehende Diversität der städtischen Bevölkerung bilden damit zentrale Elemente einer urbanen Lebensweise. Innerhalb der Städte sind es bestimmte Gebiete, in denen sich die Migranten konzentrieren. Derartige Quartiere bilden für die Neuankömmlinge quasi das „Eingangstor“ in die städtische Gesellschaft. Während ein großer Teil der Migranten nach einiger Zeit diese Ankunftsgebiete zugunsten anderer Wohnstandorte wieder verlässt, verbleibt ein Teil der Migranten dauerhaft in diesen Quartieren. Eine Verfestigung der residentiellen Segregation, das heißt der räumlichen Ungleichverteilung der Migranten und ihrer Nachkommen in den Städten, ist die Folge.

Angesichts der Persistenz migrantisch geprägter Wohnquartiere in Städten wird seit längerem kontrovers über die Frage nach den Folgen der räumlichen Konzentration von Migranten für deren Chancen auf eine gelingende Integration diskutiert. So wird einerseits auf die binnenintegrative Wirkung der lokal verankerten solidarischen Netzwerke innerhalb der Migrantengruppen verwiesen. Andererseits werden Prozesse der Abschottung der Migranten gegenüber der ansässigen deutschen Bevölkerung vermutet.

Nach einer kurzen Beschreibung des Phänomens der räumlichen Konzentration von Migranten innerhalb der Städte geht dieser Beitrag näher auf die Frage des Einflusses migrantisch geprägter Quartiere auf die Integration der Migranten in diesen Gebieten ein. Er stellt zudem Perspektiven einer quartiersbezogenen Integrationspolitik heraus, die sowohl die migrantische als auch die nicht-migrantische Bevölkerung innerhalb der betroffenen Quartiere einbezieht.

Unter Integration soll in diesem Zusammenhang die gleichberechtigte Chance der Teilhabe an den zentralen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens wie etwa Erziehung, Bildung, Ausbildung, Arbeitsmarkt, Recht und soziale Sicherheit verstanden werden.

Ausprägung und räumliche Konzentration der Migration in Städten

Seit den 1960er Jahren ist die Bundesrepublik Deutschland durch Zuwanderung geprägt. Im Jahr 2015 lebten 17,1 Mio. Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland – dies entspricht rund 21 Prozent der Gesamtbevölkerung. In Bezug auf die Frage der Integration der Migranten ist von Belang, dass diese in vielerlei Hinsicht keine homogene Gruppe darstellen. So haben 11,4 Mio. (66 Prozent) der Migranten eine tatsächliche Zuwanderungsgeschichte. Von diesen leben allein 53 Prozent bereits 20 Jahre und länger in Deutschland. Mit einer Zahl von 5,6 Mio. ist jede dritte Person mit Migrationshintergrund in Deutschland geboren und mit 9,3. Mio. (54 Prozent) besitzt der überwiegende Teil der Migranten die deutsche Staatsbürgerschaft.

Bedingt durch die zwei großen Zuwanderungswellen – der Arbeitsmigration seit Beginn der 1960er Jahre und der Zuwanderung der (Spät-)aussiedler seit dem Ende der 1980er Jahre – sind es vor allem die Türkei, Polen und die Russische Föderation, aus denen ein Großteil der Migranten stammt. Allerdings differenziert sich seit Ende der 1990er Jahre das Wanderungsgeschehen zunehmend aus, mit der Folge einer nationalen sowie ethnischen Diversifizierung der nach Deutschland kommenden Migranten.

Über das Herkunftsland, die Dauer des Aufenthalts in Deutschland sowie die Staatsbürgerschaft hinaus unterscheiden sich die Migranten – auch innerhalb der einzelnen nationalen Herkunftsgruppen – nach Merkmalen des sozio-ökonomischen Status (z. B. Bildung, Beruf und Einkommen) sowie nach Werten, Normen und Konsumgewohnheiten. So stellen Halm und Sauer innerhalb der türkeistämmigen Bevölkerung eine deutliche Pluralisierung von Einstellungen und Wertorientierungen insbesondere bei der zweiten und dritten Generation der Einwanderer gegenüber der ersten Generation fest. Auf der Basis unterschiedlicher Lebensstile und Verhaltensweisen identifiziert das Sinus-Institut acht unterschiedliche Milieus innerhalb der migrantischen Bevölkerung, die quer zu den Herkunftsländern der Migranten zu verorten sind.

Räumlich konzentrieren sich die Migranten insbesondere auf Westdeutschland und dort wiederum auf die Städte: Mit 55 Prozent lebt die Mehrzahl der migrantischen Bevölkerung in Städten über 50.000 Einwohner. Allein in den 14 größten Städten mit mehr als 500.000 Einwohnern leben 24 Prozent aller Personen mit Migrationshintergrund in Deutschland. Das entspricht einem Anteil von 30 Prozent an der Gesamtbevölkerung dieser Städte. Den höchsten Anteil an Migranten hat die Stadt Frankfurt am Main, die damit auch aufgrund ihrer globalen Verflechtungen im Finanzsektor ein Alleinstellungsmerkmal besitzt: Dort bilden die Bewohner mit Migrationshintergrund mit einem Anteil von 51 Prozent im Jahr 2015 die Mehrheit an der Gesamtbevölkerung. Nachfolgende Städte mit hohen Migrantenanteilen sind Stuttgart (44 Prozent, 2016), Nürnberg (44 Prozent, 2015) und München (41 Prozent, 2014).

Auch innerstädtisch betrachtet zeigen sich deutliche Ungleichverteilungen der Migranten in den Stadtteilen. Herauszustellen ist hier, dass das Ausmaß der residentiellen Segregation in deutschen Städten bei weitem nicht die Ausmaße annimmt, wie in anderen europäischen Städten. Nur in wenigen Stadtgebieten deutscher Städte stellen die Migranten die Mehrheit der Bevölkerung dar. Eine Ausnahme bildet hier wiederum Frankfurt am Main: Von den 47 Stadtteilen haben dort 27 einen Migrantenanteil von über 50 Prozent. Der höchste Prozentanteil liegt bei 70 Prozent. Demgegenüber bildet zum Beispiel in der Stadt Essen – mit einem Migrantenanteil von insgesamt 23 Prozent – die migrantische Bevölkerung in lediglich 2 von 50 Stadtteilen die Mehrheit. Der höchste Anteil liegt dort bei 57 Prozent.

Auch innerhalb der Quartiere zeigt sich die Heterogenität der Migranten nach nationaler Herkunft. Zwar überwiegen einzelne Migrantengruppen in bestimmten Stadtgebieten. Ausschließlich durch eine Herkunftsgruppe bewohnte Quartiere existieren in Deutschland – im Gegensatz zur Situation in anderen europäischen Städten – nicht. Als Beispiel kann hier wieder die Stadt Essen angeführt werden: Selbst in dem Stadtteil, in dem die Bewohner mit türkischem Migrationshintergrund mit Abstand die größte Migrantengruppe bilden, stellen sie lediglich einen Anteil von 44 Prozent an der gesamten Bevölkerung mit Migrationshintergrund dar.

Die Zahlen verdeutlichen insgesamt, dass – zumindest auf der Ebene von Stadtteilen – in deutschen Städten kaum von einer vollständigen Abschottung einzelner Migrantengruppen gegenüber der restlichen Bevölkerung auszugehen ist. Bei den meisten innerstädtischen Gebieten mit hohen Migrantenanteilen handelt es sich somit um gemischte Gebiete, in denen die ansässige deutsche Bevölkerung die Mehrheit bildet.

Ursachen der residentiellen Segregation von Migranten in städtischen Gebieten

Häufig wird schon allein die Tatsache der räumlichen Konzentration der Migranten in bestimmten städtischen Gebieten als ein Indikator der mangelnden Integration und der bewussten Abschottung dieser Bevölkerungsgruppe von den restlichen Mitgliedern der städtischen Gesellschaft gewertet. Dabei wird verkannt, dass die residentielle Segregation der Migranten in bedeutsamer Weise durch ökonomische und soziale Restriktionen verursacht ist. So verfügt ein Großteil der Migranten – insbesondere bei der Ankunft in das Zielland – nur über ein geringes Einkommen. Dieser Teil ist damit in Bezug auf die Wohnstandortwahl vor allem auf die preiswertesten Segmente des Wohnungsmarkes verwiesen. Zudem engen diskriminierende Vermietungspraktiken die Wohnstandortwahl noch zusätzlich ein. Als Folge der Restriktionen sowie Diskriminierungen müssen sich viele der Migranten – auch wenn sie sich einen besseren Wohnstandort leisten könnten – mit Wohnungen in den weniger attraktiven Lagen der Altbauquartiere und in den Beständen des sozialen Wohnungsbaus der 1960er und 1970er Jahre begnügen. In der Mehrzahl sind dies auch die Quartiere, in denen sich die einkommensarme ansässige deutsche Bevölkerung aufgrund von Prozessen der sozio-ökonomischen Segregation in zunehmendem Maße konzentriert. Es findet dort also eine deutliche Überlagerung der residentiellen Segregation nach dem Migrationshintergrund sowie nach sozio-ökonomischen Ungleichheiten statt.

Eine Vielzahl an Studien bestätigt zudem, dass von einer eindeutigen Präferenz des Wohnens in der Nähe von Mitgliedern der eigenen Herkunftsgruppe kaum die Rede sein kann. Im Gegenteil äußern sich viele der Migranten sogar deutlich unzufrieden über die starke räumliche Konzentration der Migranten in der Wohnumgebung. So besteht nur ein geringer Grad an Identifikation mit der Lebensweise der übrigen Mitglieder ihrer nationalen Herkunftsgruppe. Eher noch wird deren soziale Kontrolle gefürchtet. Allerdings möchte ein Großteil der Migranten in der Nähe zu Familienmitgliedern, Freunden und Bekannten wohnen. Die räumliche Konzentration der Migranten in bestimmten Stadtgebieten kann somit zu einem gewissen Grad auch als unbeabsichtigte Folge des Wunsches, in der Nähe von Verwandten und Bekannten zu wohnen, gewertet werden. Festzuhalten ist aber, dass es insbesondere die sozio-ökonomische Segregation ist, die als Hauptursache der Konzentration von Migranten in bestimmten städtischen Gebieten angesehen werden muss.

Effekte der residentiellen Segregation von Migranten auf Integration

(@ Meike Fischer)

Innerhalb der Stadt- und Migrationsforschung hat die kontrovers geführte Debatte über die Auswirkungen der räumlichen Konzentration von Migranten in städtischen Gebieten auf deren Integration eine lange Tradition. So heben bereits die Begründer der Migrationssoziologie, Anfang des 20. Jahrhunderts in Chicago, die positive Wirkung der lokal verankerten Gemeinschaft von Mitgliedern gleicher Herkunft hervor. Im Rahmen des durch vielfältige Verunsicherungen gekennzeichneten Migrationsprozesses kommt dieser Gemeinschaft eine herausragende Bedeutung für die soziale und psychische Stabilisierung der Persönlichkeit kurz nach der Einwanderung zu. Insbesondere die Netzwerke und die migrantische Infrastruktur helfen, den Neuankömmlingen das Leben zu erleichtern.

Auch Portes und Rumbaut betonen für den US-amerikanischen Kontext die positiven Wirkungen lokal verankerter migrantischer Gemeinschaften. Besonders dann, wenn diese über ein hohes Maß an ökonomischen und sozialen Ressourcen verfügen, kann das in den migrantischen Netzwerken eingebundene soziale Kapital in Form von Hilfen und Informationen den Zugang zu gehobenen Segmenten des Arbeitsmarktes im Aufnahmeland sowie zu qualifizierter Beschäftigung innerhalb der ethnischen Ökonomie erleichtern. Darüber hinaus helfen die Vermittlung und Aufrechterhaltung der in den Gemeinschaften existenten aufstiegsorientierten Werte und Normen, eine Verbreitung dysfunktionaler Verhaltensweisen zu vermeiden. Sie tragen so mit dazu bei, ein Abgleiten der Mitglieder der ethnischen Gemeinschaften in die benachteiligten Schichten von Angehörigen des Aufnahmelands abzuwenden.

In Deutschland hat insbesondere Heckmann die große Bedeutung der von Migranten aufgrund ihrer spezifischen Bedürfnisse selbst geschaffenen Sozialstrukturen, Institutionen und Organisationen für die Eingliederung in das Aufnahmeland herausgestellt. Auch Elwert betont, dass erst die „Binnenintegration“ – vermittelt über die Solidarität der Migranten untereinander – eine wesentlichen Voraussetzungen für die sukzessive Aufnahme von Kontakten mit der Bevölkerung des Aufnahmelandes schafft und somit einen wichtigen Ausgangspunkt für den Integrationsprozess der Migranten bildet.

Negative Aspekte der räumlichen Konzentration von Migranten wurden demgegenüber insbesondere von Esser herausgestellt. Seiner Ansicht nach kommt es aufgrund des Wohnens in migrantisch geprägten Quartieren zu einer Verfestigung der auf die Kultur des Herkunftslands gerichteten Orientierungen. Die durch die eigene Herkunftsgruppe geprägten Netzwerke, Infrastrukturen und Institutionen im Quartier können zudem die Herausbildung von Kontakten und den Austausch mit der übrigen Bevölkerung beeinträchtigen. Ein erhöhtes Ausmaß an sozialer Isolation der Migranten behindert zudem die Übernahme aufnahmelandspezifischer Fähigkeiten (z. B. der Sprache) und trägt so zu einer mangelnden strukturellen Integration in den Arbeitsmarkt bei. Fehlende gruppenübergreifende Kontakte können darüber hinaus die Erreichbarkeit von spezifischem sozialen Kapital der ansässigen deutschen Bevölkerung beeinträchtigen, das die Integration in wichtige gesellschaftliche Bereiche des Aufnahmelands begünstig. So sind Kontakte zu ansässigen Deutschen für die Suche eines Arbeitsplatzes oder einer Wohnung oftmals von Vorteil und können bei Problemen im Alltag wertvolle Hilfestellungen geben.

Ein weiterer mittelbar negativer Effekt der räumlichen Konzentration von Migranten lässt sich aus der starken Überlagerung der migrantischen und sozio-ökonomischen Segregation ableiten. So verdeutlichen Untersuchungen, dass insbesondere in Gebieten mit hohen Migrantenanteilen die häufig durch Armut geprägte ansässige deutsche Bevölkerung ein erhebliches Maß an sozialer Distanz gegenüber den Migranten entwickelt. Diese Distanz basiert vor allem auf Gefühlen einer Bedrohung der eigenen Gruppe durch die Fremdgruppe der Migranten. Für die Migranten ist die Herausbildung sozialer Beziehungen zur ansässigen Bevölkerung unter derartigen Bedingungen selbst dann erschwert, wenn diese, nach eigenem Bekunden, immer wieder große Anstrengungen unternehmen, Kontakten zur ansässigen deutschen Bevölkerung aufzunehmen.

Empirische Befunde

Es liegen mittlerweile unterschiedliche empirische Analysen vor, die den Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der räumlichen Konzentration von Migranten auf Aspekte der Integration in bedeutende Bereiche der Gesellschaft im Aufnahmeland untersuchen. Studien, die sich dabei auf das Ausmaß an Kontakten der Migranten auf die ansässige Bevölkerung beziehen, zeigen dabei keine eindeutigen Befunde.

So können insbesondere Studien aus den Niederlanden zunächst deutlich negative Effekte des Anteils der Migranten in einem Wohnquartier auf das Ausmaß von Beziehungen zur ansässigen niederländischen Bevölkerung belegen: Je höher der Anteil der Migranten, desto geringer die sozialen Beziehungen zu den ansässigen Niederländern. Differenziert nach der Stärke der Beziehungen stellt sich dieser Effekt besonders bei den engen Kontakten dar. Demgegenüber zeigen Analysen aus Deutschland wiederum keinen Einfluss der räumlichen Konzentration der Migranten auf das Ausmaß der Kontakte zu ansässigen deutschen Bewohnern.

Als eine Ursache für die im Vergleich zu den Niederlanden unterschiedlichen Befunde können die als vergleichsweise moderat einzustufenden Migrantenanteile in deutschen Städten gewertet werden. Unter derartig gemischten Bevölkerungsstrukturen bieten sich offenkundig immer noch genügend Gelegenheiten, mit der ansässigen deutschen Bevölkerung in Kontakt zu treten.

Analysen, die einen direkten Einfluss des Migrantenanteils auf das Ausmaß struktureller Eingliederung – etwa auf die Bildungs- oder Erwerbsbeteiligung sowie auf das Einkommen – messen, sind rar und existieren für den deutschen Kontext bisher nicht. Eine jüngere und methodisch sehr anspruchsvolle Untersuchung stammt aus Schweden. Auf der Basis sehr kleinräumiger näherer Wohnumgebungen konnte hier der Einfluss der räumlichen Konzentration von Migranten auf das Einkommen analysiert werden. Insgesamt zeigt die Studie, dass mit einem erhöhten Anteil der Migranten in der näheren Wohnumgebung ein deutlich verminderndes Einkommen der Migranten verbunden ist.

Eine weitere Untersuchung aus Schweden verweist auf einen negativen Zusammenhang des Anteils der Migranten in der Wohnumgebung auf den Bildungserfolg in Form von Universitätsabschlüssen. Die Befunde stehen in Einklang mit einer Meta-Analyse von Untersuchungen zum Ausmaß der räumlichen Konzentration von Migranten auf den Bildungserfolg der Quartiersbewohner. Auch hier wurde über eine Vielzahl von Untersuchungen hinweg ein negativer Effekt des Anteils der Migranten in städtischen Gebieten festgestellt.

Aufgrund der starken Überlagerung der migrantischen und sozio-ökonomischen Segregation kann innerhalb der Untersuchungen allerdings nicht eindeutig differenziert werden, inwieweit allein die räumliche Konzentration der Migranten im Quartier für den negativen Einfluss auf verschiedene Aspekte der Integration dieser Bevölkerungsgruppe ausschlaggebend ist. Da aber die beschriebenen negativen Quartierseffekte sich immer sowohl auf die migrantische als auch auf die nicht-migrantische Bevölkerung beziehen, ist zu folgern, dass es insbesondere die Effekte der sozio-ökonomischen Segregation beider Gruppen sind, welche die Lebenslagen aller Bewohner in den Quartieren beeinflussen.

Ein negativ wirkender Effekt der sozio-ökonomischen Segregation kann sich aus der mangelnden Ausstattung der Beziehungsnetzwerke der Quartiersbewohner mit sozialem Kapital ergeben. Zudem kann eine überlastete soziale Infrastruktur, wie etwa der Bildungseinrichtungen, benachteiligend wirken. Auch können innerhalb der Quartiere Prozesse des sozialen Lernens abweichender Handlungsmuster eintreten. Insbesondere wenn sich Kontakte vorrangig auf Personen in gleich prekärer Lage beziehen, besteht die Gefahr begrenzter sozialer Erfahrungen und der Entwicklung abweichender Normen und Verhaltensweisen, die einem gelungenen Einstieg in die Bereiche der Bildung oder des Arbeitsmarktes entgegenstehen.

Schließlich besteht die Gefahr der Stigmatisierung und Diskriminierung der Quartiersbewohner. So kann die oftmals diskreditierende symbolische Bedeutung von Gebieten mit geringem sozialen Status, die sich aufgrund äußerer Anzeichen wie Leerstand von Gebäuden oder Vermüllung und Verwahrlosung der öffentlichen Räume oftmals noch verfestigt, die Selbstidentität und das Selbstwertgefühl der Bewohner nachhaltig negativ beeinflussen. Ein Rückzug der Bewohner in einen eng begrenzten Interaktionskreis ist häufig die Folge. Der Prozess des „Identifiziert-Werdens“ mit dem negativen symbolischen Gehalt von Problemgebieten vonseiten der außenstehenden Bevölkerung kann überdies zu Diskriminierungen führen, welche die sozialen Teilhabechancen der Quartiersbewohner, etwa bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz oder einer Arbeitsstelle, deutlich einschränken.

Schlussfolgerungen und Handlungsoptionen

Die empirischen Analysen haben gezeigt, dass die räumliche Konzentration der Migranten in bestimmten Quartieren deutscher Städte – für sich betrachtet – die Integration der in diesen Gebieten wohnenden Migranten nicht behindert. Die in den Medien oft verbreite Sichtweise einer Parallelgesellschaft der Migranten in bestimmten Quartieren trifft damit für deutsche Städte kaum zu. Folglich sollten die betroffenen Quartiere allein aufgrund ihres hohen Migrantenanteils nicht negativ konnotiert werden. Als Ankunftsorte haben diese Gebiete für die neu zugewanderten Bewohner eine wichtige integrierende Funktion, da sie die Orientierung und Stabilisierung in der ersten Phase des Aufenthalts im Zielland deutlich erleichtern.

Vielmehr ist es die sozio-ökonomische Segregation in den Städten, die einen negativen Einfluss auf die Lebenslagen der Bewohner in benachteiligten Quartieren und damit auch auf das Ausmaß der Integration der in diesen Gebieten lebenden Migranten hat. Infolgedessen sollte von Seiten der Stadtplanung und Wohnungspolitik alles unternommen werden, um das Ausmaß der räumlichen Konzentration einkommensarmer Bevölkerungsgruppen – zumindest in ihren extremen Formen – abzumildern. Von einem solchen Engagement würden alle Quartiersbewohner – mit und ohne Migrationshintergrund – hinsichtlich ihrer Teilhabechancen an wichtigen Lebensbereichen gleichermaßen profitieren.

Wie allerdings konkrete Strategien des Abbaus einer sozio-ökonomischen Segregation innerhalb der Städte auszugestalten sind, ist durchaus umstritten. So würde die schlichte Reglementierung des Zuzugs einkommensarmer Bevölkerungsgruppen in bestimmte Gebiete durch Quotierungen und Obergrenzen hochgradig diskriminierend wirken und den Bestand an erschwinglichen Wohnungen für die betroffene Bevölkerung nur noch weiter einschränken. Strategien der baulichen und sozialen Aufwertung der Quartiere, mit dem Ziel verstärkt auch Mittelschichtshaushalte an diese Gebiete zu binden, sind immer auch mit Effekten der Verdrängung der einkommensärmeren Quartiersbewohner in die noch unattraktiveren Gebiete der Städte verbunden. Eine sozial ausgeglichene Vorgehensweise wäre letztlich mit einem deutlich stärkeren Engagement des staatlich geförderten sozialen Wohnungsbaus verbunden, um einkommensschwächeren Haushalten die Versorgung mit preiswertem Wohnraum, kleinteilig gestreut, auch in weniger segregierten Lagen der Städte zu ermöglichen.

Es wäre aber naiv, anzunehmen, dass das gegenwärtige Ausmaß der sozio-ökonomischen Segregation, das zu großen Teilen auch durch den jahrzehntelang forcierten Rückzug des Staates aus dem sozialen Wohnungsbau verursacht ist, in absehbarer Zeit durch wohnungspolitische Maßnahmen grundlegend verändert werden könnte. Daher ist es nur folgerichtig, Strategien zu entwickeln, die die Lebenslage der Bewohner von Armut geprägter Stadteile und damit auch die Integrationschancen der Migranten – trotz sozio-ökonomischer Segregation – verbessern.

Derartige auf das Wohnquartier bezogene Strategien wurden von der Bundesregierung schon vor einiger Zeit im Nationalen Integrationsplan 2007 sowie im Nationalen Aktionsplan Integration 2012 festgeschrieben. Als wichtigste Handlungsfelder werden hier die Aspekte Bildung und Spracherwerb, lokale Ökonomie, Teilhabe- und Mitwirkungsmöglichkeiten, Sicherheitsempfinden, öffentliche Orte der Begegnung, Nutzungsmischung, Image und die Wohneigentumsbildung angeführt. Die genannten Bereiche werden seit längerem auch im Rahmen des Quartiersentwicklungsprogramms „Soziale Stadt“ bearbeitet. Damit kommt diesem Programm hinsichtlich der Förderung der Integration von Migranten vor Ort eine herausragende Bedeutung zu.

Zu betonen ist, dass unter all den hier genannten Maßnahmen einer quartiersbezogenen Integrationspolitik der Bereich der schulischen und beruflichen Bildung eine wesentliche Kernaufgabe darstellt. Insbesondere die Schulen und Kindertageseinrichtungen sollten als wichtige Integrationsorte der betroffenen Quartiere gefördert und ausgebaut werden. Dabei gilt es, neue Lernkonzepte zu entwickeln, die angemessen auf die besonderen strukturellen Bedingungen und sozialen Prozesse in den Gebieten reagieren. Werden die angesprochenen Aspekte der quartierlichen Entwicklung mit Nachdruck verfolgt, so muss die residentielle Segregation der Migranten in den Städten in keinem Gegensatz zur Integration dieser Bevölkerungsgruppe in wichtige Teilbereiche der Gesellschaft stehen.

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Fussnoten

Fußnoten

  1. Hier und im Folgenden sollen – aus Gründen der sprachlichen Vereinfachung – unter dem Begriff der „Migranten“ auch Personen gefasst werden, die keine eigene Migrationserfahrung im Sinne einer Zuwanderung nach Deutschland haben, bei denen es sich also um in Deutschland geborene Nachkommen von Migranten handelt.

  2. Diese Sichtweise auf Integration entspricht der Definition des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration, vgl. SVR 2017.

  3. vgl. hier und im Folgenden Statistisches Bundesamt 2017

  4. vgl. Reimann 2014: 226

  5. vgl. Gans/Schlömer 2014: 142 f.

  6. vgl. Farwick 2014: 222

  7. vgl. Halm/Sauer 2011

  8. vgl. Wippermann/Flaig 2009

  9. Quelle: Statistische Ämter der jeweiligen Städte, eigene Berechnungen

  10. vgl. Schönwälder u. a. 2016: 36

  11. vgl. Stadt Frankfurt 2016, eigene Berechnungen

  12. vgl. Stadt Essen 2017

  13. vgl. Schönwälder/Söhn 2007: 17

  14. Quelle: Stadt Essen 2017, eigene Berechnungen

  15. vgl. Farwick 2012: 398

  16. vgl. ebd.

  17. vgl. z. B. Hanhörster 2014; Lang/Schneider 2017

  18. vgl. Farwick 2012: 385

  19. vgl. auch BMVBS 2010: 18

  20. vgl. Farwick 2012: 397

  21. vgl. Farwick 2014: 224

  22. vgl. Farwick 2009: 34 ff.

  23. vgl. Portes/Rumbaut 2001

  24. vgl. Heckmann 1981

  25. vgl. Elwert 1982

  26. vgl. Esser 1980: 93, 2001: 23 f.

  27. vgl. Farwick 2009: 281 ff.

  28. vgl. Farwick 2009: 160 ff.

  29. ebd.: 210

  30. vgl. zusammenfassend Farwick 2012: 405 f.; eine Ausnahme bildet Boschman 2012

  31. vgl. Verwoort 2012: 907

  32. vgl. zusammenfassend Farwick 2012: 405 ff.; Schönwälder u. a. 2016: 220

  33. Eine Studie von Farwick 2009 verdeutlicht jedoch, dass sich auf der kleinräumigeren Ebene näherer Nachbarschaften (die zum Teil durch erheblich höhere Konzentrationen von Migranten geprägt sind als dies auf Quartiersebene der Fall ist) durchaus negative Effekte des Anteils der migrantischen Bevölkerung auf das Ausmaß an Beziehungen zur ansässigen deutschen Bevölkerung aufzeigen lassen. Dies umso deutlicher, je höher die tägliche Verweildauer der Migranten in der näheren Wohnumgebung ist; vgl. Farwick 2009: 238 f.

  34. vgl. Musterd u. a. 2008

  35. vgl. Andersson/Malmberg 2015

  36. vgl. Nieuwenhuis/Hooimeijer 2016

  37. vgl. Farwick 2014: 225 ff.

  38. vgl. zusammenfassend Farwick 2012: 390 ff.

  39. vgl. Häußermann/Kronauer 2009: 165

  40. vgl. Blokland 2008; Farwick 2001: 170

  41. vgl. Farwick 2012: 393 ff.

  42. vgl. Münch 2014

  43. vgl. Holm 2012: 673 f.

  44. vgl. Schnur u. a. 2013: 18; Reimann 2014: 232

  45. vgl. Kocks 2014: 263

  46. vgl. Reimann 2014: 233 ff.

  47. vgl. Kocks 2014: 269 ff.

  48. vgl. BMVBS 2010: 22

  49. vgl. Huxel/Fürstenau 2017

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Dr. Andreas Farwick, geboren 1962, studierte Geographie, Soziologie und Ökonomie an der Universität Bremen. Er ist seit 2009 Professor für Humangeographie am Geographisches Institut der Ruhr-Universität Bochum. Seine Forschungsschwerpunkte sind Stadtforschung, Demographischer Wandel, Migration und Integration.