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Einkommen im Alter und Altersarmut | Rentenpolitik | bpb.de

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Einkommen im Alter und Altersarmut

Gerhard Bäcker Ernst Kistler

/ 5 Minuten zu lesen

Welche Einkommensquellen gibt es im Alter? Ab wann ist jemand in Deutschland als arm zu bezeichnen? Sagen die aktuellen Daten etwas über das gegenwärtige Ausmaß der Altersarmut und über die zukünftigen Entwicklungen aus? Können zunehmende Versorgungslücken in der Altersvorsorge ausgeglichen werden?

Gemalte Figuren auf einer Mauer in Berlin-Kreuzberg stellen einen Menschen mit Rucksack, einen Mann mit Basecap und eine Frau dar, die einer alten Frau mit Rollator hilft. @ picture alliance / ZB

Ein ausreichendes Alterseinkommen ist die grundlegende Voraussetzung dafür, dass auch ältere Menschen aktiv und gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilnehmen und teilhaben können. Es bedarf ausreichender Finanzmittel, um auch im Alter so lange wie möglich unabhängig und selbstständig zu leben, eine angemessene Wohnung zu unterhalten, soziale Kontakte anzuknüpfen und aufrechtzuerhalten sowie die freie Zeit aktiv zu gestalten.

Will man beurteilen, wie sich die Einkommenslage im Alter in Deutschland gestaltet, reicht es nicht aus, nur auf die Höhe der Renten aus der Gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) Bezug zu nehmen. Zwar sind die Renten aus der Gesetzlichen Rentenversicherung die wichtigste Einkommensquelle im Alter, aber nicht die einzige. Das System der Alterssicherung in Deutschland ist äußerst komplex. Zu unterscheiden ist zwischen drei Säulen der Alterssicherung:

  1. Regelsysteme (dazu zählt die Rentenversicherung, aber auch die Beamtenversorgung),

  2. Betriebliche Altersversorgung,

  3. Private Altersvorsorge

  4. Grundsicherung

Die Renten aus der Rentenversicherung können durch Betriebsrenten oder private Vorsorge aufgestockt werden. Bei Bedürftigkeit besteht Anspruch auf die Grundsicherung im Alter. Verwitwete Versicherte können neben der eigenen Rente auch noch eine Hinterbliebenenrente (Witwen-/Witwerrente) erhalten.

Haushaltseinkommen im Alter

Auch Einkünfte aus einem Nebenerwerb oder aus Gewinnen und Zinsen sowie Sozialleistungen wie das Wohngeld zählen zum Einkommen älterer Menschen. Von großem Gewicht für die soziale Lage im Alter ist die Frage, ob die Älteren mietfrei im Wohneigentum leben oder nicht. Bei älteren Menschen, die gemeinsam leben − dies sind in der Regel Ehepaare – muss außerdem das gemeinsame Einkommen, also das Haushaltseinkommen betrachtet werden. Hier gilt es zu überprüfen, welche Höhe das Haushaltseinkommen hat und wie viele Personen im Haushalt leben. Entscheidend ist hierbei das Netto-Haushaltseinkommen, das sich nach dem Abzug von direkten Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen ergibt.

Da alle Einkommen(-sarten) berücksichtigt werden müssen, die in einem Haushalt zusammenfließen, lässt sich aus einer niedrigen Rente noch nicht zwingend ablesen, dass die Einkommens- und Versorgungslage schlecht ist. Womöglich wird die niedrige Rente, die ein Selbstständiger (aus einer vormaligen Angestelltentätigkeit) erhält, durch hohe Einkünfte aus einer Lebensversicherung und durch Gewinn- und Vermögenseinkünfte ergänzt/aufgewertet. Beamte, die eine hohe Pension erhalten, haben womöglich aufgrund einer kurzen Tätigkeit als Angestellte vor ihrer Verbeamtung auch Anspruch auf eine niedrige Rente erworben. Bei Frauen, die in der Regel nur geringe Altersrenten erhalten, ist zu berücksichtigen, dass das Haushaltseinkommen im Wesentlichen durch das höhere Alterseinkommen des Ehemannes gespeist wird.

Empirische Befunde weisen darauf hin, dass in den alten Bundesländern ein Drittel der älteren Bevölkerung eine − überwiegend sehr niedrige − Betriebsrente (Privatwirtschaft und Öffentlicher Dienst) erhält; in den neuen Bundesländern sind dies nur 5 Prozent. Vor allem die Älteren, die lediglich über eine niedrige gesetzliche Rente verfügen, erhalten am seltensten Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung. Betrachtet man die Gesamteinkommen der älteren Bevölkerung lässt sich feststellen, dass niedrige Einkommen (unter 700 Euro) vor allem bei alleinstehenden Frauen zu finden sind. Höhere Einkommen (über 2.500 Euro) fallen weit überwiegend bei den Ehepaaren an (53 Prozent), nicht aber bei den alleinstehenden Männer (16 Prozent) oder den alleinstehenden Frauen (7 Prozent).

Armutsdefinition und Armutsmessung

Die Frage, ab welchem Grenzwert ein niedriges Alterseinkommen bei einer alleinstehenden Person oder bei einem Paar-Haushalt mit "Armut" zu bezeichnen ist, lässt sich nicht wissenschaftlich "objektiv" beantworten. Die Bestimmung des Einkommensgrenzwertes, der "arm" von "nicht arm" unterscheidet, ist letztlich immer abhängig von normativen Vorstellungen. Gängig ist es einerseits, die Bezieher von Grundsicherung im Alter als arm zu bezeichnen, da ihr Gesamteinkommen unterhalb des politisch definierten Existenzminimums liegt und durch die Grundsicherung aufgestockt werden muss. Auf der anderen Seite kann aber auch argumentiert werden, dass gerade durch die Aufstockungsleistung der Grundsicherung Armut vermieden wird. Allerdings ist der Anteil der Betroffenen an der jeweiligen Gesamtbevölkerung mit knapp drei Prozent recht niedrig. Manche Beobachter interpretieren das als Zeichen, dass Altersarmut − zumindest zum jetzigen Zeitpunkt − kein besonders großes Problem sei.

Anders sehen die Befunde jedoch aus, wenn man die Einkommen der älteren Menschen am Durchschnittseinkommen bemisst (relative Armut), wie es EU-weit üblich und vereinbart ist. Bei dieser Methodik, die auf Daten zur Einkommensverteilung zurückgreift, werden die Haushaltseinkommen der Älteren in bedarfsgewichtete Pro-Kopf-Einkommen umgerechnet und mit dem durchschnittlichen bedarfsgewichteten Pro-Kopf Einkommen der Gesamtbevölkerung verglichen. Wer über weniger als 60 Prozent des Mittelwerts (Median) verfügt, gilt hiernach als arm bzw. armutsgefährdet. Die auf dem Mikrozensus beruhenden Daten des Statistischen Bundesamtes weisen aus, dass die Armutsrisikoquoten der Älteren seit 2005 kontinuierlich angestiegen sind. Im Jahr 2021 lagen sie bei 17,4 Prozent, in den alten Ländern waren sie höher als in den neuen Ländern sowie bei westdeutschen Frauen höher als bei Männern.

Steigende Altersarmut in der Zukunft

Die aktuellen Daten über das gegenwärtige Ausmaß der Altersarmut sagen allerdings wenig über die zukünftigen Entwicklungen aus. Interessant ist deswegen vor allem, ob die in den nächsten Jahren ins Rentenalter nachrückenden Kohorten zunehmend mit einer Alterssicherung rechnen müssen, die nicht mehr die Armutsrisikoschwelle erreicht. Hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung ist zwischen externen und internen Risikofaktoren zu unterscheiden: Bei den externen Faktoren stellt sich die Frage, ob sich die Erwerbsbiografien und damit die individuellen Rentenanwartschaften der in den Rentenbezug nachrückenden Jahrgänge verschlechtern werden. Die zukünftigen Rentenhöhen hängen entscheidend von der Struktur und Entwicklung des Arbeitsmarktes ab, konkret vom Ausmaß der Erwerbsbeteiligung und Arbeitslosigkeit sowie von den Strukturveränderungen von Arbeitsverhältnissen und Arbeitsentgelten. Bei den internen Faktoren geht es um die Auswirkungen der Leistungsverschlechterungen in der Rentenversicherung. Um den zu erwartenden demografisch bedingten Anstieg des Beitragssatzes zu begrenzen, folgen die Renten und die Rentenanpassungen der allgemeinen Entwicklung der Arbeitnehmereinkommen nur noch abgeschwächt, was ein kontinuierliches Absinken des Rentenniveaus zur Folge hat. Im Ergebnis werden die Renten im Zeitverlauf schwächer steigen als der Regelbedarf der Grundsicherung einschließlich der Kosten für die Unterkunft. Die Anzahl der älteren Menschen, deren Rente diesen Schwellenwert trotz langjähriger Beitragszahlung unterschreitet, wird zunehmen. Zugleich ist nicht davon auszugehen, dass die betriebliche und private Altersvorsorge die zunehmende Versorgungslücke ausgleichen können.

Allerdings ist es verkürzt, nur die Risiken zu betrachten. Denn im Zuge der Verbesserung der Arbeitsmarktlage ist zu erwarten, dass sich für viele Versicherte die Zahl der Entgeltpunkte erhöhen wird. Vor allem die steigende Frauenerwerbstätigkeit und die Verkürzung der erziehungsbedingten Unterbrechungszeiten lassen erwarten, dass sich die Rentenanwartschaften von Frauen zukünftig erhöhen werden. Auch die rentenrechtliche Anrechnung von Kindererziehungszeiten und Pflegezeiten trägt dazu bei. Zugleich hat sich die Betroffenheit von Arbeitslosigkeit merklich verringert und die Erwerbsbeteiligung von Älteren hat sich deutlich erhöht. Schließlich sind durch die Einführung des Mindestlohns Stundenlöhne unterhalb des gesetzlichen Niveaus nicht mehr möglich.

Auf einen Blick: Einkommen im Alter und Altersarmut

Stand: 2021/2022

Verfügung über unterschiedliche Einkommensquellen (West) Männer Frauen
gesetzliche Rentenversicherung 85 %88 %
betriebliche Altersversorgung 28 %9 %
Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst 11 %13 %
Beamtenversorgung12 %3 %
Verfügung über unterschiedliche Einkommensquellen (Ost)MännerFrauen
gesetzliche Rentenversicherung97 %98 %
betriebliche Altersversorgung7 %3 %
Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst10 %14 %
Gesamteinkommen (Deutschland)Ehepaarealleinst. Männeralleinst. Frauen
unter 700 Euro2 %4 %4 %
über 2.500 Euro53 %16 %7 %
Empfänger von Grundsicherung 2022
im Alter659.000
bei Erwerbsminderung531.000
im Alter in % der Bevölkerung3,7 %
Armutsrisikoquote (Median)
Gesamtbevölkerung16,6 %
65 und älter17,4 %

Weitere Inhalte

Gerhard Bäcker, Prof. Dr., geboren 1947 in Wülfrath ist Senior Professor im Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen. Bis zur Emeritierung Inhaber des Lehrstuhls "Soziologie des Sozialstaates" in der Fakultät für Gesellschaftswissenschaften der Universität Duisburg-Essen. Forschungsschwerpunkte: Theorie und Empirie des Wohlfahrtsstaates in Deutschland und im internationalen Vergleich, Ökonomische Grundlagen und Finanzierung des Sozialstaates, Systeme der sozialen Sicherung, insbesondere Alterssicherung, Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik, Lebenslagen- und Armutsforschung.

Ernst Kistler, Prof. Dr., geboren 1952 in Windach/Ammersee, verstorben 2021, war Direktor des Internationalen Instituts für Empirische Sozialökonomie, INIFES gGmbH in Stadtbergen bei Augsburg. Forschungsschwerpunkte: Sozial- und Arbeitsmarktberichterstattung, Demografie, Sozialpolitik, Armutsforschung.