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Corona-Krise: Welche Folgen hat die Pandemie für unser Gesundheitssystem?

Susanne Busch

/ 9 Minuten zu lesen

Die Corona-Pandemie droht die Gesundheitssysteme betroffener Länder zu überlasten. Auch in Deutschland gibt es diese Sorge. Wie ist unser Gesundheitswesen darauf vorbereitet? Und wie schlägt es sich in der Pandemie? Ein Interview mit der Gesundheitsökonomin Susanne Busch.

Überlastung verhindern: Es kommt vor allem auf das Krankenhaus- und Pflegepersonal an, um in Zeiten einer Pandemie mit den gesundheitlichen Folgen fertig zu werden. (© picture-alliance/dpa)

bpb.de: Wann ist ein Gesundheitssystem überlastet?

Susanne Busch: Ein Gesundheitssystem ist überlastet, wenn es Bedarfe gibt, die nicht mehr befriedigt werden können. Wenn das, worauf ich im Rahmen einer solidarisch abgesicherten Gesundheitsversorgung einen Anspruch habe, nicht mehr gewährleistet werden kann. Das kann vorkommen, wenn die Ressourcen fehlen – z.B. Ärztinnen und Ärzte, Pflegefachkräfte, Betten, Medikamente. Entweder gibt es grundsätzlich zu wenig oder sie reichen in bestimmten Krisensituationen nicht aus. Das äußert sich dann beispielsweise durch längere Wartezeiten für notwendige Behandlungen.

Die Gesundheitsökonomin Susanne Busch (© Susanne Busch / HAW Hamburg)

Ist das Gesundheitssystem in Deutschland aktuell überlastet?

Wäre die Zunahme der Infektionsfälle exponentiell weitergestiegen, dann wären wir ziemlich sicher auf eine Überlastung zugelaufen. Zum Glück hat sich die Verdopplungszeit – also in welchem Zeitraum sich die Infektionszahlen verdoppeln – relativ schnell gestreckt. Auch die Reproduktionszahl – also vereinfacht gesagt, die Zahl der Menschen, die ein infizierter Mensch wiederum ansteckt – liegt derzeit deutlich unter 1 (Stand: 7. Mai 2020). Insofern ist unser Gesundheitswesen aktuell nicht überlastet. Im Gegensatz zum Beispiel zu den USA hatten wir bis dato auch zu keinem Zeitpunkt Probleme, genügend Beatmungsplätze zur Verfügung zu stellen.

Das liegt auch daran, dass der Gesetzgeber dagegen gesteuert hat. Beispielsweise wurden die Krankenhäuser angewiesen, medizinische Eingriffe, die nicht zwingend zeitnah erfolgen müssen, zu verschieben. Selbst Tumoroperationen wurden, sofern dies medizinisch und ethisch vertretbar war, ausgesetzt. Bisher waren diese Maßnahmen nur präventiv, weil man Angst hatte, dass das Gesundheitssystem überlastet werden könnte. Ein weiterer Grund, warum wir aktuell Kapazitäten frei haben, ist auch, dass viele Menschen von sich aus nicht mehr zu ihrem Hausarzt, in eine Therapiepraxis oder ins Krankenhaus gegangen sind aus Angst vor einer Ansteckung.

Engpässe vor der Pandemie hatten wir beispielsweise bei der Schlaganfallbehandlung auf spezialisierten Stationen. Im Moment sind dort ausreichend Kapazitäten vorhanden. Das heißt aber nicht, dass die Menschen seltener daran erkranken. Es wird erforscht werden müssen, ob vielleicht einige Menschen vorverstorben sind, weil sie Angst hatten, ins Krankenhaus oder in eine Praxis zu gehen.

Unser Gesundheitssystem hat also auch vor der Pandemie schon Überlastungen gezeigt?

Teilweise ja. Zum Beispiel in den Notaufnahmen. Vor Corona standen die Menschen dort Schlange und mussten stundenlang warten. Aber nicht, weil wir zu wenig Kapazitäten haben, sondern weil Menschen teilweise auch mit leichten Erkrankungen in die Notaufnahme gegangen sind. Die Überlastung resultiert in diesem Fall aus einer falschen Inanspruchnahme.

In anderen Bereichen kann man von einem Mangel an Kapazitäten sprechen. Das Problem mit der hausärztlichen Versorgung auf dem Land ist bekannt, aber wir haben z.B. einen Hebammenmangel, Therapeutenmangel und viel zu wenig Pflegekräfte. Das liegt nicht unbedingt daran, dass zu wenig Menschen ausgebildet werden, sondern dass zu wenig Menschen in diesen Berufen bleiben. Im Vergleich zu anderen Ländern haben wir hohe Kapazitäten, die müssen teilweise besser verteilt werden und wir brauchen Menschen, die in diesen Berufen dauerhaft arbeiten wollen. Für diese Berufsgruppen dürfen wir gerne – wie aktuell geschehen – am Fenster klatschen, aber allein damit wird sich die Situation nicht ändern. Die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung dieser Berufe müssen deutlich besser werden.

Welche Teile unseres Gesundheitssystems sind bei einer Pandemie wie Corona besonders anfällig?

Das sind natürlich die Krankenhäuser, die für die Schwererkrankten zur Verfügung stehen müssen. Selbst wenn nicht alle Corona-Patienten beatmet werden, brauchen wir genügend Isolierstationen. Es betrifft auch die Hausarztpraxen und den öffentlichen Gesundheitsdienst. Dieser wird bei den Aufgaben, die er jetzt hat, bzw. die noch auf ihn zukommen, massiv überlastet sein. Und natürlich sind alle Bereiche betroffen, in denen ein unmittelbarer Kontakt mit Menschen unvermeidbar ist, dazu zählen alle Dienstleistungen im Gesundheitswesen.

Woran fehlt es denn in Deutschland ganz konkret?

Es fehlt in Deutschland massiv an Schutzkleidung und Masken. Das war vor allem zu Beginn der Ansteckungswelle ein riesengroßes Problem, das wir aber so langsam lösen. Was wir jetzt erleben ist, dass es zum Beispiel an bestimmten Arzneimitteln fehlt. Das hat damit zu tun, dass es in Europa fast keine Produktionsstätten für Arzneimittel mehr gibt, sie werden zu einem großen Teil in China und Indien für den Weltmarkt produziert.

Wir haben große Engpässe, was z.B. die Hebammenversorgung angeht. Die Mütter mit ihren Neugeborenen wollen schnellstmöglich nach der Geburt wieder nach Hause gehen. Dort steht ihnen theoretisch Hebammenhilfe in Form der Wochenbettbetreuung zu. Gerade in Corona-Zeiten kommt dieser Betreuung noch mal eine höhere Bedeutung zu, wenn Kinderarztpraxen nur eingeschränkt geöffnet haben. Dieser erhebliche Engpass war vorher schon da und wird jetzt deutlicher. Ähnliches sehen wir beim ambulanten Pflegepersonal. Auch hier hatten wir Engpässe, die jetzt noch einmal verschärft worden sind.

Welche Gruppen sind in der Pandemie besonders betroffen? Gibt es da auch regionale Unterschiede?

Ich glaube nicht, dass es per se ein Stadt-Land-Gefälle gibt. Auch auf dem Land waren Erbringer von Gesundheitsdienstleistungen sehr kreativ und haben beispielsweise mobile Messstationen oder Zubringerdienste für Medikamente auf die Beine gestellt. Genaueres kann man aber erst später an den Zahlen ablesen.

Was ich befürchte ist, dass sozial benachteiligte und insbesondere sozial benachteiligte ältere Menschen stärker betroffen sind – auch von Engpässen. In Deutschland gibt es zwar laut Sozialgesetzbuch 5 (SGB5) theoretisch einen gleichen Anspruch auf Gesundheitsleistungen, wenn man in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert ist. Ich glaube aber, dass es eine Ungleichverteilung gibt, weil man seine Ansprüche teilweise sehr deutlich formulieren muss. Wenn Therapiepraxen sagen, du bist über 60 und gehörst zur Risikogruppe, wir können dich aktuell nur behandeln, wenn es medizinisch dringend notwendig ist, also komm erstmal nicht in die Praxis – da gibt es dann wohl auch Menschen, die Alternativen finden und welche, denen dies nicht so leicht möglich ist.

Wie wird sichergestellt, dass es nicht zu einer Überlastung des Gesundheitssystems kommt? Und wer macht das?

Die Bettenkapazitäten in den Krankenhäusern wird von den Landesbehörden gesteuert. Da gibt es Planungseinheiten jeweils auf Landesebene, die auf der Basis von Hochrechnungen überlegen, wie viele Betten brauchen wir und für welche Fachabteilung.

Im Fall einer Pandemie hat auch der Bund gemeinsam mit den Ländern gewisse Eingriffsmöglichkeiten. Es gab beispielsweise die Ansage, dass die Krankenhäuser sogenannte elektive Eingriffe – das sind Eingriffe, die eine gewisse Flexibilität hinsichtlich des Zeitpunktes der Durchführung haben – verschieben mussten.

Solche Eingriffsmöglichkeiten werden im Pandemieplan der Bundesregierung beschrieben. Was sind Ihrer Meinung nach darin die wichtigsten Punkte?

Der Pandemieplan legt zunächst Methoden fest, wie das Krankheitsgeschehen zu beobachten ist. Darunter fallen Meldepflichten und das Monitoring von bestimmten Erkrankungen. Das ist wichtig, da so Daten erhoben werden, auf deren Basis weitere Maßnahmen ergriffen werden können. Ein weiterer Teil beschäftigt sich mit Maßnahmen der Diagnostik, also zur Entwicklung und Durchführung von Testverfahren, und infektionshygienischen Maßnahmen, wie Kontaktreduzierung oder Schutzkleidung, und der medizinischen Versorgung bis hin zu Impfungen. Der Pandemieplan gibt vor allem Empfehlungen und macht Vorgaben für die konkrete Umsetzung durch Länder und Kommunen. Daraus werden auch die Pandemiepläne etwa von öffentlichen Einrichtungen abgeleitet.

Der Nationale Pandemieplan

Der nationale Pandemieplan (NPP) skizziert für Behörden und Institutionen des Bundes, der Länder und der Kommunen, wie sie sich auf den Ausbruch einer Influenzapandemie vorbereiten und reagieren sollen. Den ersten NPP entwickelte 2005 eine Expertengruppe des Robert-Koch-Instituts im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG). Seitdem wird der Plan kontinuierlich aktualisiert und ergänzt – zuletzt im Externer Link: März 2020.

Der NPP besteht aus zwei Teilen. Externer Link: Teil eins nennt politische, medizinische und infektionshygienische Maßnahmen, wie eine Pandemie überwacht, kontrolliert und eingedämmt werden kann. Externer Link: Teil zwei erklärt, auf welchen wissenschaftlichen Annahmen die Maßnahmen basieren.

Oberstes Ziel des Plans ist die Ausbreitung der Krankheit zu verlangsamen, um so Erkrankte angemessen zu versorgen ohne das Gesundheitswesen – bspw. das Pflegepersonal – zu überlasten und dabei die Grundversorgung der Bevölkerung – wie die Versorgung mit Nahrungsmitteln – aufrechtzuerhalten. Auch legt er fest, wie Informationen zum Pandemieverlauf gesammelt, ausgewertet und an die Bevölkerung weitergegeben werden sollen.

Wurden diese Punkte auch umgesetzt?

Was ich zunächst persönlich kritisch sehe ist, dass uns wochenlang gesagt wurde, wir wären bestens vorbereitet. Das war etwa bei Schutzkleidung und Desinfektionsmittel jedoch nicht der Fall. Hier konnte der Plan nicht umgesetzt werden. Dass sich reihenweise Menschen in Gesundheitsinstitutionen angesteckt haben, hat auch damit zu tun, dass die Masken, die für den einmaligen Gebrauch vorgesehen waren, teilweise tagelang getragen werden mussten, weil nicht genügend Material vorrätig war. Das gleiche gilt für Schutzbekleidung.

Man hätte ganz anders Bestände vorhalten müssen. Das ist aber auch schwierig, weil es ein Produkt ist, dass ein Mindesthaltbarkeitsdatum hat und man nicht zu viele Ressourcen verschwenden sollte. Aber dass wir innerhalb von nicht einmal vier Wochen schon an unseren Grenzen waren, liegt nicht nur an den Hamsterkäufen der Bevölkerung. Viele Krankenhäuser haben sich auf kurzfristige Lieferungen verlassen – das kann eigentlich nicht sein, und wird so, denke ich, auch nicht mehr auftreten.

Bezüglich der anderen Vorgaben des Pandemieplanes wurde entsprechend gehandelt: man hat die Daten gesammelt, Testverfahren entwickelt und infektionshygienischen Maßnahmen, wie die Kontaktreduzierung, umgesetzt.

Sie würden also sagen, in diesem Punkt haben wir aus unseren Fehlern gelernt?

Auf jeden Fall. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich das deutsche Gesundheitswesen zukünftig nicht mehr auf die ausschließliche Zulieferung, insbesondere aus Asien, verlassen wird. Ich glaube, dass wir auch wieder Arzneimittelproduktion vor Ort in Deutschland oder Europa haben werden. Durch die Abhängigkeiten, die wir durch die Globalisierung haben und durch den immer größeren Kostendruck, der an die Anbieter von Gesundheitsleitungen weitergegeben worden ist, mussten Produkte immer günstiger beschafft und daher auch produziert werden. Da den letzten Cent zu sparen, hat sich jetzt gerächt.

In Deutschland wurden die Kapazitäten zum Beispiel an Intensivbetten schrittweise ausgebaut. Wie konnte das so schnell gelingen?

Es wurden Betten umgewidmet und Operationen verschoben, dadurch konnte man relativ schnell mehr Kapazitäten schaffen. Das hat auch damit zu tun, dass wir in Deutschland eine relativ hohe Bettendichte haben. Bei uns hat es nicht an Betten gefehlt, wenn es zu Engpässen gekommen wäre, dann eher beim Personal. Das war einer der wesentlichen Gründe, warum man entschieden hat, andere medizinische Bereiche herunterzufahren. Insbesondere wenn man das Risiko berücksichtigt, dass bei einem Corona-Fall unter der Belegschaft eines Krankenhauses, gleich eine ganze Anzahl von Kolleginnen und Kollegen in Quarantäne gehen müssen.

Auch hat unser Gesundheitswesen die letzten Jahre immer Vorhaltekapazitäten mitfinanziert. Das bedeutet, dass beispielsweise Krankenhäuser nicht mit einer Vollauslastung ihrer Betten planen müssen, um wirtschaftlich arbeiten zu können. Momentan werden diese Kapazitäten quer finanziert: Ein Krankenhaus kalkuliert seine Gesamtkosten so, dass diejenigen, die Behandlungen in Anspruch nehmen, die Vorhaltekapazitäten ein Stück weit solidarisch mitfinanzieren. Das spiegelt sich dann natürlich in den Gesamtausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung wieder.

In Deutschland werden Klinken und Pflegeeinrichtungen sowohl durch den Staat als auch durch privatwirtschaftliche Träger und kirchliche bzw. karitative Einrichtungen betrieben. Welche Vor- und Nachteile hat das aus Ihrer Sicht in der aktuellen Situation?

Diese Frage kann man nur schwer beantworten. Wenn das Gesundheitssystem auf mehreren Beinen steht, hat das den Vorteil, dass es möglicherweise weniger krisenanfällig ist. Wenn der Staat aus irgendeinem Grund in eine finanzielle Schieflage gerät oder Prioritäten ändert, kann es natürlich sinnvoll sein, wenn die Verantwortung auf mehreren Schultern verteilt ist. Gleichzeitig kann man sich mit Blick auf privatwirtschaftliche Träger die Frage stellen, ob man mit Gesundheit Geld verdienen darf, ob Kliniken Dividenden ausschütten, ob Anteilseigner einer Klinikkette von Krisensituationen wie Corona profitieren dürfen.

Allerdings haben die privatwirtschaftlichen Träger auch neue Gedanken etwa zur Qualitätssicherung oder zur Patientenzufriedenheit mit ins System gebracht, die sinnvoll sind. Zudem können kommunalen Krankenhäusern, die am Jahresende ihre Verluste aus Steuergeldern erstattet bekommen, Anreize fehlen, nachhaltig mit ihren Ressourcen umzugehen. Insofern finde ich einen Mix im Gesundheitswesen recht krisensicher, wobei ich persönlich die Gewinnabschöpfung in privatwirtschaftlichen Krankenhäusern durchaus bedenklich finde. Das ist aber eine komplexe Diskussion, die auch auf individuellen Moralvorstellungen basiert. Ich glaube da gibt es nicht eindeutig richtig oder falsch.

Wird die Pandemie diese Debatte verändern?

Ich denke, dass wir zukünftig einerseits anders über Bettenkapazitäten und auch die Produktion von bestimmten Arzneimitteln, Medizinprodukten und Schutzkleidung diskutieren werden. Auf der anderen Seite ist noch gar nicht absehbar, wie hoch die finanziellen Belastungen der Pandemie auch für das Gesundheitswesen sein werden. Wir werden uns als Gesellschaft deshalb auch fragen müssen, ob und an welcher Stelle unserer sozialen Sicherungssysteme wir zukünftig sparen wollen und was wir bereit sind, zu bezahlen – beispielsweise an Krankenkassenbeiträgen. Entscheidend könnte zudem die Frage nach der Rolle des Staates werden: Es könnte sein, dass wir vor dem Hintergrund der globalen Herausforderungen stärker darüber diskutieren werden, ob unser Gesundheitswesen zukünftig stärker vom Staat gesteuert werden soll.

Das Interview führte Lisa Santos. Redaktion: Eva Hochreuther, Thomas Fettien

Interner Link: Wie verändert die Corona-Pandemie unsere Gesellschaft? Hier finden Sie alle Beiträge unserer Interview-Reihe zu den gesellschaftspolitischen Folgen der Corona-Krise.

Fussnoten

Dr. Susanne Busch ist Professorin für Gesundheitsökonomie und Gesundheitspolitik an der Fakultät für Wirtschaft und Soziales der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) Hamburg. Sie forscht unter anderem zu gesundheits- und pflegepolitischen Entwicklungen und zu aktuellen Versorgungskonzepten im Gesundheitsbereich.