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Vor 30 Jahren: Gorbatschow tritt als Generalsekretär der KPdSU zurück | Hintergrund aktuell | bpb.de

Vor 30 Jahren: Gorbatschow tritt als Generalsekretär der KPdSU zurück

Redaktion

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Am 24. August 1991 trat Michail Gorbatschow vom Amt des Generalsekretärs der KPdSU zurück und forderte zugleich die Auflösung des Zentralkomitees. Wenige Monate später wurde die Sowjetunion aufgelöst.

Der russsische Präsident Boris Jelzin (r) zwingt den sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow (l) auf einer Dringlichkeitssitzung des russischen Parlaments am 23. August 1991, das Protokoll der geheimen Sitzung seines Ministerkabinetts vom ersten Putschtag vorzulesen, das er selber noch gar nicht kennt. Am nächsten Tag tritt Gorbatschow als Vorsitzender der KPdSU zurück. (© picture-alliance/dpa, RIA Nowosti Boris Babanov)

Am 24. August 1991 trat Michail Gorbatschow als Generalsekretär der Interner Link: Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) zurück. Er sah sich zu diesem Schritt gezwungen, nachdem führende Parteikader am 17. August den Notstand ausgerufen hatten, um Gorbatschow zum Rücktritt zu zwingen und anschließend in den Tagen vom 19. bis 21. August versuchten, gegen ihn zu putschen. Der Umsturzversuch scheiterte zwar am Widerstand der russischen Regierung und Bevölkerung, leitete aber das Ende der politischen Laufbahn des Reformers Gorbatschow ein und führte letztlich zur Auflösung der Sowjetunion.

Verbot der KPdSU

Am 23. August 1991 unterzeichnete Boris Jelzin ein Dekret, das die KPdSU in der sowjetischen Teilrepublik Russland verbot. Anlässlich seines darauffolgenden Rücktritts kritisierte Gorbatschow am 24. August, dass sich sowohl das Sekretariat als auch das Politbüro der KPdSU nicht gegen den Staatsstreich gestellt hatten: "Unter den Verschwörern waren Mitglieder der Parteiführung; eine Reihe von Parteikomitees und Massenmedien unterstützten die Handlungen der Staatsverbrecher". Das Zentralkomitee der KPdSU müsse deshalb eine Entscheidung über eine Selbstauflösung treffen. Das Schicksal, die Zukunft der Parteiorganisationen in den Republiken und vor Ort müssten diese selbst bestimmen, so Gorbatschow. Letzteres erübrigte sich allerdings: Am 29. August 1991 wurde für die gesamte Sowjetunion ein einstweiliges Verbot der Tätigkeit der KPdSU verhängt.

Michail Gorbatschows Öffnungspolitik

Michail Gorbatschow wurde am Interner Link: 11. März 1985 mit 54 Jahren Generalsekretär der KPdSU. Außenpolitisch setzte er auf eine Entspannungspolitik gegenüber dem Westen. Bereits 1986 begann er Abrüstungsgespräche mit dem damaligen US-Präsidenten Ronald Reagan. Im Dezember 1987 unterzeichneten sie den INF-Vertrag (Intermediate-Range Nuclear Forces, dt.: Vertrag über nukleare Mittelstreckensysteme): alle in Europa stationierten nuklearfähigen bodengestützten Mittelstreckenraketen bzw. Flugkörper kürzerer und längerer Reichweite (zwischen 500 und 5500 km) sollten abgebaut und vernichtet werden. 1988 kündigte Gorbatschow den Interner Link: Abzug der sowjetischen Truppen aus Afghanistan an. Im gleichen Jahr wurde er Vorsitzender des Obersten Sowjets und damit Staatsoberhaupt der UdSSR. Im Oktober 1990 erhielt Gorbatschow für seine Bemühungen um die Beendigung des Kalten Krieges den Friedensnobelpreis.

Die Reformvorhaben Gorbatschows

Gleich nach seinem Amtsantritt als Generalsekretär im Jahr 1985 setzte Gorbatschow unter dem Schlagwort Interner Link: Perestroika (Umgestaltung) auf politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Reformen der Sowjetunion. In den sowjetischen Betrieben sollte etwa die Eigenverantwortung gestärkt und die Produktion stärker an die Nachfrage angepasst werden. Unter dem Begriff Glasnost (Offenheit) versprach er Transparenz bei der Führung des Staates und eine offenere und kritische Diskussionskultur. So setzte er auf der 19. Parteikonferenz 1988 ein Programm durch, das eine Stärkung parlamentarischer Elemente im politischen System vorsah und die Macht der KPdSU beschränken sollte.

Die von Gorbatschow forcierten wirtschaftlichen Reformen brachten letztlich nicht die erhoffte Wirkung: Die anhaltende Mangelwirtschaft sorgte in weiten Teilen der sowjetischen Bevölkerung für großen Unmut. Auch der von Gorbatschow propagierte Kampf gegen Korruption und Alkoholismus erzielte nicht den gewünschten Erfolg.

Durch das Zugeständnis von mehr Autonomie wiederum hoffte er, die Unabhängigkeitsbestrebungen einzelner Teilrepubliken zu beruhigen. Doch viele fühlten sich durch Gorbatschows Kurs dazu ermuntert, sich aus dem sowjetischen Bündnis zu lösen. Bereits im März 1990 erklärte Litauen seine Unabhängigkeit. In anderen Regionen brachen ethnische Konflikte erneut aus, die teilweise bis heute anhalten, so etwa zwischen Armenien und Aserbaidschan in der Region Interner Link: Berg-Karabach im Jahr 1988 .

Verlust sowjetischer Einflussnahme und Unabhängigkeitsbestrebungen

Gorbatschow brach mit der Interner Link: Breschnew-Doktrin, die seit Ende der 1960er Jahre eine eingeschränkte Souveränität der sozialistischen Bruderstaaten bedeutet hatte. So hatte sich die sowjetische Führung seit dem Interner Link: Prager Frühling das Recht vorbehalten, politisch missliebige Entwicklungen in den Mitgliedstaaten des Interner Link: Warschauer Pakts notfalls mit Gewalt niederzuschlagen. Gorbatschows Vorgabe hingegen sah vor, dass jede Nation ihren Weg selbst wählen sollte. In der Folge kam es zunächst in Ungarn und Polen zu weitgehenden Reformen, im Juni 1989 wurde in Polen das Zweikammerparlament wiederhergestellt.

Auch in der DDR gingen im Herbst 1989 immer mehr Menschen auf die Straße, um gegen die SED-Führung zu protestieren. Die Interner Link: Friedliche Revolution im Herbst 89 und den Mauersturz am 9.11.1989 ließen die Sowjetunion gewähren. Damit war der Weg frei für die deutsche Wiedervereinigung.

Auch in Tschechien, der Slowakei und Bulgarien gab es im Sommer 1990 die ersten freien Wahlen. Interner Link: Im Juli 1991 löste sich der Warschauer Pakt auf. Der Verlust des sowjetischen Einflusses sowie die von Gorbatschow eingeleiteten demokratischen Reformen stießen bei vielen Hardlinern in der KPdSU-Führung auf Widerstand.

Gorbatschows Rettungsversuch der Sowjetunion durch neuen Unionsvertrag

Beim 28. Parteitag der KPdSU im Juli 1990 wurde Gorbatschow erneut zum KP-Chef gewählt. In den folgenden Monaten wurde seine innenpolitische Position aufgrund der zunehmenden separatistischen Tendenzen in verschiedenen Teilrepubliken geschwächt.

Von April bis August 1991 verhandelte Gorbatschow mit neun Republiken über einen neuen Unionsvertrag, der das Streben nach Selbstständigkeit ausreichend berücksichtigen sollte. Interner Link: Die drei baltischen Länder Estland, Lettland und Litauen sowie Aserbaidschan, Armenien und Georgien nahmen an diesen Gesprächen allerdings schon nicht mehr teil.

Am 20. August 1991 sollte der neue Unionsvertrag unterzeichnet werden. Die verbliebenen Teilrepubliken wären dann autonome Mitglieder einer Föderation, mit gemeinsamer Außen- und Verteidigungspolitik geworden.

Gescheiterter August-Putsch

Einer Gruppe innerhalb der sowjetischen Führung ging dieser Schritt ebenso wie die demokratischen Reformen Gorbatschows zu weit. Am 17. August wurde der Notstand ausgerufen, am 18. August wurde Gorbatschow in seinem Feriendomizil unter Hausarrest gestellt und von der Außenwelt abgeschnitten. Am Tag darauf teilte der sowjetische Vize-Präsident Gennadij Janajew über die amtliche Nachrichtenagentur TASS mit, Gorbatschow könne seine Pflichten als Präsident nicht weiter wahrnehmen. Ein "Staatskomitee für den Ausnahmezustand", bestehend aus dem Verteidigungsminister Dmitri Jasow, dem Innenminister Boris Pugo und dem KGB-Chef Vladimir Krjutschkow, wollte die Macht an sich reißen.

Das Archivbild vom 19.08.1991 zeigt den damaligen russischen Präsidenten Boris Jelzin (2.v.l.), der auf einem Panzer stehend vor dem russischen Regierungsgebäude in Moskau die Bevölkerung mit geballter Faust zum Generalstreik aufruft. Vor 20 Jahren schaute die Welt voller Angst nach Moskau. In der Sowjetunion versucht ein achtköpfiges Notstandskomitee Staatspräsident Michail Gorbatschow zu stürzen. Der russische Präsident Boris Jelzin ruft die Bevölkerung zum zivilen Ungehorsam auf. Der Putsch bricht am 21. August zusammen. (© picture-alliance/dpa, AFP)

In Moskau marschierten vor dem Weißen Haus und dem Kreml schon am ersten Putschtag Soldaten auf. Der am 12. Juni 1991 per Direktwahl zum russischen Präsidenten gewählte Boris Jelzin rief die Bevölkerung zum Widerstand auf. Tausende Menschen demonstrierten daraufhin vor dem Weißen Haus. Auch weite Teile der eingesetzten Truppen solidarisierten sich mit Jelzin und der sich widersetzenden Bevölkerung. Am 21. August gaben die Putschisten schließlich den Befehl zum Abzug der Soldaten. Die Drahtzieher des Putsches wurden in der Folge verhaftet.

Auflösung der Sowjetunion

Der Putsch erschütterte das Vertrauen der Teilrepubliken der Sowjetunion. Am 20. und 21. August 1991 erklärten Estland und Lettland ihre Unabhängigkeit, am 24. August folgte die Ukraine, bis Ende August dann Belarus, die Republik Moldau sowie Kirgisistan und Usbekistan, im September und Oktober Tadschikistan, Armenien, Aserbaidschan und Turkmenistan, und am 16. Dezember Kasachstan.

Am 8. Dezember 1991 beschlossen Russland, Weißrussland sowie die Ukraine formal das Ende der Sowjetunion und die Gründung der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS). Am 21. Dezember 1991 traten Armenien, Aserbaidschan, Kasachstan, Kirgisistan, Moldawien, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan der GUS bei. Gorbatschow wurde für abgesetzt erklärt, die UdSSR aufgelöst. Am 25. Dezember 1991 trat Michael Gorbatschow offiziell als sowjetischer Präsident und Oberbefehlshaber der Streitkräfte zurück. Er übertrug die Kontrolle über die sowjetischen Atomwaffen an Russland. Am 31. Dezember 1991 löste sich die Sowjetunion formell auf.

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