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Vor 30 Jahren: Revolution in Rumänien | Hintergrund aktuell | bpb.de

Vor 30 Jahren: Revolution in Rumänien

Redaktion

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Am 16. Dezember 1989 begannen in Timișoara Massenproteste gegen das Regime von Nicolae Ceaușescu. Schnell griff die Protestbewegung auf Bukarest über, am 25. Dezember wurden Ceaușescu und seine Frau hingerichtet. Über die Umstände des politischen Wechsels in Rumänien gibt es heute Kontroversen.

Während der Revolution im Dezember 1989 kam es zu Straßenkämpfen in Bukarest (Foto) und anderen Städten Rumäniens. Über tausend Menschen wurden getötet, die meisten davon nach dem Sturz von Nicolae Ceaușescu. (© picture-alliance/dpa)

Während im Sommer und Herbst 1989 in den sozialistischen Staaten Interner Link: Polen, Interner Link: Ungarn, der Interner Link: DDR und der Interner Link: Tschechoslowakei erste Demokratisierungsprozesse angestoßen wurden, lehnte der rumänische Diktator Nicolae Ceaușescu politische Reformen kategorisch ab. Ausgehend von der westrumänischen Stadt Timişoara protestierten ab dem 16. Dezember 1989 zehntausende Menschen in verschiedenen Städten des Landes gegen das Ceaușescu-Regime. Am 22. Dezember floh das Ehepaar Ceaușescu aus Bukarest und wurde am 25. Dezember in einem Schauprozess zum Tode verurteilt und anschließend erschossen. Offiziellen Angaben zufolge kamen 1.165 Menschen während der Ereignisse im Dezember 1989 ums Leben, die meisten davon bei Straßenkämpfen nach der Flucht der Ceauşescus.

Das Regime Ceaușescu: Personenkult und Unterdrückung

Nicolae Ceaușescu wurde im Jahr 1965 zum Generalsekretär des Interner Link: Zentralkomitees der Rumänischen Kommunistischen Partei (Partidul Comunist Român, PCR) gewählt und war ab 1967 Vorsitzender des Staatsrates. Indem er sich außenpolitisch von der Interner Link: Sowjetunion distanzierte und die rumänische Unabhängigkeit betonte, sicherte er sich zunächst Anerkennung innerhalb Rumäniens und durch den Westen. Die Bundesrepublik ehrte ihn 1971 mit dem höchsten Verdienstorden des Bundes. Ab 1974 amtierte Ceaușescu zusätzlich als rumänischer Staatspräsident. Auch seine Frau Elena spielte zunehmend eine wichtige Rolle, übernahm hohe politische Ämter und stieg zur stellvertretenden Ministerpräsidentin auf.

Ceaușescu etablierte in den folgenden Jahren einen starken Personenkult und schuf gleichzeitig ein brutales Terrorregime, um seine politischen Gegnerinnen und Gegner zu verfolgen. Der Geheimdienst "Interner Link: Securitate" wurde dabei zu seinem wichtigsten Instrument der Machtsicherung.

Die wirtschaftliche Situation in Rumänien verschlechterte sich in den 1970er Jahren zunehmend. Besonders die Ölpreiskrisen trafen die rumänische Wirtschaft hart. Von 1979 bis 1981 stieg die Verschuldung im westlichen Ausland um über 50 Prozent an. Zur Devisenbeschaffung ließ Ceaușescu Lebensmittel ins Ausland exportieren, im Gegenzug wurden im Inland Nahrungsmittel und der private Energiekonsum stark rationiert. Auch die Ausreise von etwa 226.000 Interner Link: Rumäniendeutschen zwischen 1968 und 1989 diente als Einnahmequelle: Die Bundesregierung zahlte für sie sogenannte Kopfprämien, Schätzungen zufolge insgesamt wohl über eine Milliarde D-Mark.

Zunehmende Proteste gegen Ceaușescu

Der Führungsstil Ceaușescus und die dramatische wirtschaftliche Lage riefen immer mehr Unmut in der Bevölkerung hervor. Am 15. November 1987 demonstrierten tausende Menschen in Brașov gegen das kommunistische Regime. Der Protest wurde gewaltsam niedergeschlagen. Im März 1989 wandten sich sechs Altkommunisten in einem offenen Brief an Ceaușescu, in dem sie unter anderem die sogenannte "Systematisierung" – also die Zwangsumsiedlung der ländlichen Bevölkerung aus Dörfern in Wohnblockviertel agroindustrieller Städte – und den Zustand der rumänischen Planwirtschaft kritisierten. Im September 1989 veröffentlichten Unbekannte einen Aufruf, der die Parteitagsdelegierten zur Abwahl Ceaușescus auf dem kommenden Parteitag im November aufforderte, um ein "Blutvergießen zu vermeiden".

Eine besondere Bedeutung für das Aufkommen der Demokratiebewegung in Rumänien kam auch den ethnischen Minderheiten zu. Bei einer Volkszählung im Jahr 1977 bezeichneten sich acht Prozent der Bevölkerung in Rumänien als Ungarn, 1,6 Prozent als Deutsche. Unter Ceaușescus Assimilierungspolitik wurden sie systematisch unterdrückt. Als konkreter Auslöser der Massenprotestes und der dann folgenden Revolution in Rumänien gilt die Zwangsversetzung des ungarisch-reformierten Pfarrers László Tőkés.

Demonstrationen in Timișoara und weiteren Städten des Landes

Tőkés galt als einer der bekanntesten Interner Link: Dissidenten des Landes und übte immer wieder Kritik am Ceaușescu-Regime. Er sollte aus der westrumänischen Stadt Timișoara in ein abgelegenes Dorf in Siebenbürgen versetzt werden. Dagegen regte sich Protest, der am 15. Dezember 1989 schließlich in einer Blockade seines Pfarrhauses mündete. Aus den Demonstrationen vor dem Pfarrhaus erwuchs ab dem 16. Dezember eine Protestbewegung gegen das Ceaușescu-Regime.

Am 15. und 16. Dezember gingen tausende Menschen in Timișoara auf die Straße. Das Regime antwortete mit Gewalt: Dutzende Menschen wurden am 17. Dezember von den Sicherheitskräften erschossen, Hunderte verletzt. Doch die Demonstrationen gingen weiter. Berichte darüber konnten über die Auslandsmedien, zum Beispiel Radio Free Europe, in weiten Teilen Rumäniens empfangen werden. Auch in anderen Städten des Landes, darunter Arad, Braşov und Cluj-Napoca, kam es in den Folgetagen zu Protestbekundungen.

Die Nachrichten über die Unruhen erreichten auch die Hauptstadt Bukarest. Dort hielt Ceaușescu am 21. Dezember vom Balkon des Sitzes des Zentralkomitees eine Rede vor etwa 100.000 Menschen. Anfangs applaudierte die Menge, die Stimmung schlug jedoch bald um. Ein hilflos wirkender Ceaușescu rief immer wieder "Hallo! Hallo!" ins Mikrofon. Die Kundgebung wurde abgebrochen. Noch am gleichen Tag kam es in Bukarest und in anderen Städten des Landes zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und bewaffneten Sicherheitskräften, die Tote und Verletzte zur Folge hatten.

Hinrichtung der Ceaușescus und Straßenkämpfe

Am Morgen des 22. Dezember ließ Ceaușescu den Notstand über das ganze Land verhängen. Am Mittag versuchte er ein letztes Mal, vom Gebäude des Zentralkomitees zur Menge zu sprechen, wurde jedoch erneut ausgebuht. Kurz darauf flüchtete er zusammen mit seiner Frau per Hubschrauber vom Dach des Gebäudes. Am Nachmittag des gleichen Tages wurde das Ehepaar Ceaușescu in der Stadt Târgoviște festgenommen. In der Zwischenzeit war das Gebäude des nationalen Rundfunks von Demonstrierenden besetzt worden. Um 14 Uhr erreichte der frühere Minister Ion Iliescu den Sender und rief kurze Zeit später in einer Fernsehansprache die Gründung der "Front der Nationalen Rettung" (Frontul Salvării Naționale, FSN) aus. Ein "Rat der Front der Nationalen Rettung" sollte die Regierungsgeschäfte übernehmen.

An Heiligabend beschloss die neue Führung um Iliescu, das Ehepaar Ceaușescu vor ein Militärtribunal zu stellen. In einem Schauprozess wurden Nicolae und Elena Ceaușescu am 25. Dezember zum Tode verurteilt. Das Todesurteil wurde sofort vollstreckt. Am gleichen Tag wählte die FSN Iliescu zum Interimspräsidenten.

Auch nach dem Sturz Ceaușescus am Mittag des 22. Dezember dauerten die Straßenkämpfe und Schießereien in Bukarest und anderen Städten Rumäniens an. Den Angaben des Instituts der Rumänischen Revolution vom Dezember 1989 (Institutul Revoluției Române din Decembrie 1989, IRRD) zufolge wurden während der Rumänischen Revolution insgesamt 1.165 Menschen getötet, davon 895 nach dem 22. Dezember. Tausende Menschen wurden verletzt.

Unvollendete Revolution?

Die neue reformkommunistische Regierung stellte viele Rumäninnen und Rumänen nicht zufrieden. Zwischen Januar und Juni 1990 gab es mehrere regierungskritische Proteste in Bukarest. Um diese niederzuschlagen, wurden tausende Bergarbeiter aus dem Schiltal (Valea Jiului) zur Hilfe gerufen. Die brutalen Einsätze der Bergarbeiter werden als Mineriaden bezeichnet. Im Juni 1990 wurden dabei offiziellen Angaben zufolge mindestens sechs Menschen getötet und Hunderte verletzt. Umstritten ist, inwiefern Iliescu die Bergarbeiter dazu motiviert hat, nach Bukarest zu kommen. Iliescu amtierte bis 1996 und von 2000 bis 2004 als rumänischer Präsident.

Um die Frage, ob es sich bei den Ereignissen in Bukarest vom Dezember 1989 um eine Interner Link: Revolution oder einen Staatsstreich handelte, sind in den vergangenen Jahren Kontroversen entbrannt. Ohne Zweifel ist belegt, dass es in der Bevölkerung Unmut gegen das Ceaușescu-Regime gab. In Zweifel steht jedoch, unter welchen Umständen Iliescu zu seiner Führungsrolle kam. Bereits 1996 liefen erste Untersuchungen dazu. 2016 nahm die rumänische Generalstaatsanwaltschaft nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte die Ermittlungen wieder auf. Im April 2019 wurde bekannt, dass gegen Iliescu Anklage erhoben wird. Am 29. November 2019 hat die Verhandlung gegen Iliescu in Bukarest begonnen. Ihm wird vorgeworfen, den Umsturz in einem Staatsstreich geplant und die blutigen Unruhen in den Straßen von Bukarest vom Dezember 1989 mit einer Desinformationskampagne gezielt geschürt zu haben, um seine eigene Macht zu legitimieren. Der mittlerweile 89-Jährige bestreitet die Vorwürfe.

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