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Internationaler Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen

Redaktion

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Körperliche oder sexuelle Gewalt gehört vielerorts zur alltäglichen Erfahrung von Frauen. Am 25. November machen die Vereinten Nationen mit dem "Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen" weltweit auf diesen Missstand aufmerksam.

Am 22. November prangerten Menschen vor dem Brüsseler Hauptbahnhof Feminizide, Gewalt gegen Frauen und das Patriarchat an und nutzten unter anderem das sogenannte Venussymbol als Protestzeichen. (© picture alliance/dpa/MAXPPP | Nicolas Landemard / Le Pictorium)

Egal ob in Indien, Argentinien oder Deutschland: Körperliche und seelische Verletzungen von Frauen sind weltweiter Alltag – ebenso wie der Kampf von Frauen dagegen. Allein in Europa wurde Externer Link: jede dritte Frau irgendwann in ihrem Leben Opfer von körperlicher und/oder sexueller Gewalt. Weltweit sind es laut Zahlen der WHO (2017) sogar 35 Prozent der Frauen.

Glossar

Gewalt gegen Frauen: wird "als eine Menschenrechtsverletzung und eine Form der Diskriminierung der Frau verstanden und bezeichnet alle Handlungen geschlechtsspezifischer Gewalt, die zu körperlichen, sexuellen, psychischen oder wirtschaftlichen Schäden oder Leiden bei Frauen führen oder führen können, einschließlich der Androhung solcher Handlungen, der Nötigung oder der willkürlichen Freiheitsentziehung, sei es im öffentlichen oder privaten Leben".

Geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen: jegliche "Gewalt, die gegen eine Frau gerichtet ist, weil sie eine Frau ist, oder die Frauen unverhältnismäßig stark betrifft".

Häusliche Gewalt "[bezeichnet] alle Handlungen körperlicher, sexueller, psychischer oder wirtschaftlicher Gewalt, die innerhalb der Familie oder des Haushalts oder zwischen früheren oder derzeitigen Eheleuten oder Partnerinnen beziehungsweise Partnern vorkommen, unabhängig davon, ob der Täter beziehungsweise die Täterin denselben Wohnsitz wie das Opfer hat oder hatte."

Quelle: Übereinkommen zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, Europarat, 2011.

Die Interner Link: Weltgesundheitsorganisation (WHO) benennt Gewalt als eines der größten Gesundheitsrisiken für Frauen. Neben körperlicher und sexueller Gewalt haben auch psychische und emotionale Gewalt gravierende Folgen. Viele Frauen, die Gewalt erleben, haben danach Schwierigkeiten, am öffentlichen Leben teilzunehmen. Sie leiden unter Depressionen, vereinsamen, verarmen – emotional und materiell. Häufig hat die Gewalt generationenübergreifende Auswirkungen auf die ganze Familie. In Deutschland, das sich bei der Anzahl von gewalttätigen Übergriffen auf Frauen im europäischen Vergleich im Mittelfeld befindet, werden rund 35 Prozent der Frauen nach ihrem 15. Lebensjahr irgendwann Opfer von körperlicher und/oder sexueller Gewalt.

Gewalt in der Partnerschaft

Weltweit ist die Form der sogenannten häuslichen Gewalt gegen Frauen am meisten verbreitet – also zwischen Personen die in einer familiären oder partnerschaftlichen Beziehung zusammenwohnen. Das Bundeskriminalamt (BKA) hat im November 2024 das Externer Link: „Bundeslagebild 2023 – Geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichtete Straftaten“ veröffentlicht. Daraus geht hervor, dass in Deutschland fast jeden Tag eine Frau oder ein Mädchen Interner Link: aufgrund ihres Geschlechts ermordet wird. In 2023 kam es zu 360 Morden an Frauen und 578 versuchten Taten. Damit sind die Zahlen erneut auf einem Höchststand. Die Täter sind in erster Linie (Ex-)Partner, oder Familienmitglieder.

Im selben Jahr haben insgesamt 180.715 Frauen häusliche Gewalt erlebt. Gleichzeitig verwies das BKA auf die hohe Dunkelziffer, da sich die Opfer häufig nicht an die Polizei wenden. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Anstieg um 5,6 Prozent – und zu 2019 sogar um 17,1 Prozent. Innerhalb häuslicher Gewalt kommt es am häufigsten zu Partnerschaftsgewalt. 132.966 Frauen wurden 2023 von ihren Partnern oder Ex-Partnern bedroht, ihrer Freiheit beraubt, gestalkt, verletzt, sexuell genötigt, zur Prostitution gezwungen, vergewaltigt oder gar ermordet. Im gleichen Zeitraum waren auch 34.899 Männer davon betroffen. In 2023 waren somit etwa 79 Prozent der statistisch erfassten Opfer von Partnerschaftsgewalt weiblich. Die verbreitetsten Straftaten waren einfache Körperverletzung (100.848 Frauen), gefolgt von Bedrohung, Stalking und Nötigung (47.437 Frauen), gefährliche Körperverletzung (17.722 Frauen) sowie Vergewaltigung, sexuelle Nötigung und sexueller Übergriff (4.689 Frauen).

Häusliche Gewalt betrifft in Deutschland Frauen aus allen gesellschaftlichen Schichten und Milieus. Eine Studie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend aus dem Jahr 2013 betont, dass "auch Frauen in mittleren und hohen Bildungs- und Sozialschichten in einem viel höheren Maß Opfer von Gewalt [werden], als dies bislang bekannt war". Die Gewalt trete dabei häufig in Trennungssituationen auf.

Global weisen die Vereinten Nationen darauf hin, dass Frauen statistisch besonders dann von Gewalt bedroht werden, wenn sie eine niedrige formelle Bildung haben, sie oder ihre Mütter bereits während ihrer Kindheit häuslicher Gewalt ausgesetzt waren oder in ihren Einstellungen etwa dazu neigen, einer Unterordnung der Frau oder dem Mann zuzustimmen.

Häusliche Gewalt rückte auch im Kontext der Kontaktbeschränkungen zur Eindämmung des COVID-19-Virus in den Mittelpunkt der Forschung. Laut einer Externer Link: Studie der Technischen Universität München aus dem Jahr 2020 wurden 3,1 Prozent der befragten Frauen in nur einem Monat, zur Zeit der strengsten Kontaktbeschränkungen, zu Hause Opfer körperlicher Gewalt. 3,6 Prozent der Frauen wurden von ihrem Partner vergewaltigt.

Frauenfeindliche Straftaten

Aus dem Bundeslagebild geht zudem hervor, dass frauenfeindliche Straftaten im Bereich der Politisch motivierten Kriminalität deutlich zugenommen haben. In 2023 wurden 322 Delikte erfasst und somit ein Anstieg um 56,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Taten sind am häufigsten rechts motiviert (45 Prozent) und werden insbesondere von Männern begangen (92,5 Prozent). Meist handelt es sich um Beleidigungen. Weitere Delikte sind Volksverhetzung, Propagandadelikte sowie Nötigung/Bedrohung. Auch physische Gewalttaten werden in der Kategorie erfasst.

Sexuelle Gewalt

In Deutschland haben zwei von drei Frauen in ihrem Leben sexuelle Belästigung erlebt, jede siebte Frau ist in ihrem Leben schon mal Opfer schwerer sexualisierter Gewalt geworden. Zu sexueller Gewalt gehören Vergewaltigung, versuchte Vergewaltigung und unterschiedliche Formen von sexueller Nötigung. Externer Link: Einer EU-weiten Studie aus dem Jahr 2014 zufolge haben geschätzte 45 % bis 55 % der Frauen in der EU seit dem 15. Lebensjahr sexuelle Belästigung erlebt. Allerdings sind die Übergänge von sexueller Belästigung hin zu strafrechtlich definierter sexueller Nötigung oder Vergewaltigung fließend und Grenzen daher schwer zu ziehen.

Experten gehen zudem von einer hohen Dunkelziffer aus. Dies zeigen etwa Studien in Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern. Deren Ergebnisse weisen darauf hin, dass nur ein geringer Teil von deutlich unter zehn Prozent der sexuellen Übergriffe behördlich gemeldet wird.

Wie aus dem Bundeslagebild hervorgeht, wurden 52.330 Frauen und Mädchen in 2023 Opfer einer Sexualstraftat: Sie wurden sexuell belästigt (36,1 Prozent), vergewaltigt, sexuell genötigt oder einem sexuellen Übergriff ausgesetzt (34 Prozent) sowie sexuell missbraucht (29,4 Prozent). Etwa die Hälfte von ihnen ist jünger als 18 Jahre. Die überwiegende Mehrheit der Tatverdächtigen ist männlich (ca. 99 Prozent bei Vergewaltigungen sowie sexuellem Übergriff und Belästigung). Ausnahmen stellen die Vermittlung sexueller Kontakte mit Minderjährigen (ca. 40 Prozent weibliche Tatverdächtige) sowie Zuhälterei (ca. 19 Prozent weibliche Tatverdächtige) dar. In der Kategorie Zuhälterei wurden mehr nichtdeutsche als deutsche Tatverdächtige erfasst. Auch die weiblichen Opfer von Zuhälterei, Menschenhandel oder Zwangsprostitution sind größtenteils nichtdeutsch.

Kriminologen kritisieren, dass die Kategorie „Nichtdeutsche Tatverdächtige“ in den polizeilichen Kriminalstatistiken ungenau sei, da sie unterschiedliche Gruppen ausländischer oder keiner Staatsangehörigkeit zusammenfasst, darunter Asylbewerber, Flüchtlinge oder Touristen. Zudem könne es irreführend sein, wenn die Zahlen nicht in Relation zur Gesamtbevölkerung gesetzt werde. Weitere Kritik zielt auf die fehlende Abbildung sozioökonomischer Faktoren, wie Einkommen, Bildung oder Beschäftigungsstatus, in den Statistiken ab. Geschlechtsspezifische Gewalt selbst hat ihre Ursprung im ungleichen Machtverhältnis zwischen den Geschlechtern.

Aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der AfD zur Entwicklung von Gruppenvergewaltigungen geht hervor, dass es in Deutschland nach Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) in 2023 zu 761 Fällen gekommen ist (2022: 789, 2021: 677). 48 Prozent waren nichtdeutsche Tatverdächtige. Weiter antwortet die Bundesregierung, dass der Großteil der Tatverdächtigen eine deutsche Staatsangehörigkeit haben (520 Tatverdächtige), gefolgt von der syrischen (71) und afghanischen (49).

Vergewaltigung als Waffe im Krieg

Während Frauen auch in friedlichen Umgebungen Opfer von Gewalt werden können, ist die Situation in Kriegsgebieten verheerend. Externer Link: Sexuelle Gewalt wird von den Konfliktparteien oft bewusst als Instrument der Kriegstaktik eingesetzt, um den Gegner zu demoralisieren und die Bevölkerung einzuschüchtern. Betroffen sind auch hier hauptsächlich Frauen und Mädchen, aber auch Männer. Gezielt eingesetzte Vergewaltigungen, wie in den Kriegen in Bosnien und Herzegowina in den 1990er-Jahren, in Kongo, Ruanda, der Ukraine und Israel oder vielen anderen Ländern, haben dazu geführt, dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen seit 2008 mehrere Resolutionen verabschiedet hat, die sich mit sexueller Gewalt gegen Zivilisten in Kriegsgebieten befassen. Außerdem hat die UN das Amt eines Externer Link: Sonderbeauftragten für sexuelle Gewalt in Konflikten geschaffen.

Aktuelle Schutzmaßnahmen

Sechs Jahre nach der Unterzeichnung der ersten europäischen Konvention zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen hat der Deutsche Bundestag im Juni 2017 einstimmig einem Gesetzesentwurf der Bundesregierung zugestimmt, die sogenannte "Externer Link: Istanbul-Konvention" ("Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt") zu ratifizieren. Seit Februar 2018 gilt die Konvention damit auch in Deutschland.

Außerdem hat der Bundestag bereits Interner Link: im Juli 2016 das deutsche Sexualstrafrecht reformiert. Nach Paragraf 177 StGB macht sich nun einer Vergewaltigung im strafrechtlichen Sinne schuldig, wer sich erkennbar über den Willen des Opfers hinwegsetzt. Eine strafbare Handlung liegt also nicht erst dann vor, wenn der Sex durch Gewalt oder Gewaltandrohung erzwungen wird. Der Paradigmenwechsel hin zu dem Grundsatz „Nein heißt Nein“ gilt als wichtigste Errungenschaft der Konvention.

Gemäß einem Beschluss des Bundeskabinetts vom 13. November 2019 werden zukünftig auch das heimliche Fotografieren unter den Rock oder in den Ausschnitt von Frauen auch im öffentlichen Raum mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren strafbar sein. Der Bundestag nahm Anfang Juli 2020 das Gesetz zur „Externer Link: Verbesserung des Persönlichkeitsschutzes bei Bildaufnahmen“ an. Zuvor war das sogenannte "Upskirting" oder "Downblousing" nur strafbar, wenn es in einer Wohnung oder Umkleidekabine gemacht wurde.

Neben dem gesetzlichen Schutz gibt es in Deutschland auch praktische Unterstützung. So gibt es bundesweit rund 400 Frauenhäuser und 40 Schutzwohnungen. Allerdings bleiben die verfügbaren Plätze deutlich hinter dem aktuellen Bedarf zurück. Bei der Bewältigung krisenhafter Lebenssituationen bieten in jedem Bundesland Frauenberatungsstellen weitere Unterstützung. Zu den Beratungsschwerpunkten gehören Gewalt in Beziehungen, Trennung/Scheidung, Krisenintervention und allgemeine Lebensberatung. Abhängig von örtlichen Angeboten bieten die Frauenberatungsstellen auch Hilfe in Fällen von sexueller Gewalt an.

Derzeit plant die Bundesregierung ein Gewalthilfegesetz. Aufgrund des Koalitionsbruchs der Ampel-Regierung ist der Fortgang allerdings ungewiss.

Bundesweites Hilfetelefon

Kostenlose Telefonhotline für Betroffene 08000 116 016
Die Nummer ist kostenlos und bundesweit rund um die Uhr erreichbar. Sie kann auch ohne Handyguthaben genutzt werden.
Mehr Informationen unter: Externer Link: www.hilfetelefon.de

Aktionstag der Vereinten Nationen

Auf internationaler Ebene widmen die Interner Link: Vereinten Nationen (United Nations, UN) seit 20 Jahren den 25. November der Beseitigung von Gewalt gegen Frauen. Die Interner Link: UN-Generalversammlung hatte Externer Link: den internationalen Aktionstag im Dezember 1999 beschlossen. Das Datum geht auf die Ermordung der Schwestern Mirabal zurück. Diese wurden am Interner Link: 25. November 1960 in der Dominikanischen Republik vom militärischen Geheimdienst getötet, weil sie sich gegen den damaligen Diktator Rafael Trujillo zur Wehr gesetzt hatten.

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