Im Rahmen einer feierlichen Zeremonie im Krönungssaal des Aachener Rathauses haben Angela Merkel und Emmanuel Macron am 22. Januar ihre Unterschriften unter den Vertrag "über die deutsch-französische Zusammenarbeit und Integration" gesetzt. Der Aachener Vertrag soll an den Interner Link: Élysée-Vertrag von 1963 (Deutsch-Französischer Vertrag) anknüpfen. Dieser gilt bis heute als Meilenstein der deutsch-französischen Freundschaft.
Élysée-Vertrag – Meilenstein deutsch-französischer Aussöhnung
Am 22. Januar 1963 hatten der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer sowie der damalige französische Präsident Charles de Gaulle mit ihren Unterschriften im Pariser Élysée-Palast Geschichte geschrieben: 18 Jahre nach Kriegsende wurden das Ende der über zwei Jahrhunderte währenden "Erbfeindschaft" besiegelt und die Interner Link: politische Zusammenarbeit beider Staaten vereinbart. Seit Jahrzehnten gilt die Allianz zwischen Berlin und Paris als eine treibende Kraft der europäischen Integration.
Der neue Vertrag soll die Beziehungen zwischen den beiden EU-Ländern in vielen Bereichen stärken. Frankreichs Präsident Macron hatte bereits im September 2017 bei seiner Europa-Rede in der Pariser Sorbonne-Universität eine Neuauflage des Vertrags ins Spiel gebracht. Beide Länder hatten sich schließlich im Juni 2018 in der gemeinsamen Erklärung von Meseberg darauf verständigt, bis Ende des Jahres einen neuen Élysée-Vertrag auszuarbeiten. Der Externer Link: vorliegende 16-seitige Aachener Vertrag besteht vor allem aus Bekräftigungen und politischen Absichtserklärungen, beinhaltet aber einige konkrete Maßnahmen. Der alte Élysée-Vertrag bleibt in vollem Umfang in Kraft.
Gemeinsamer Wirtschaftsraum und bessere Abstimmung in der Europa- und Sicherheitspolitik
Insbesondere die Zusammenarbeit in den Bereichen der Europa-, Außen- und Sicherheitspolitik sowie in der Wirtschaftspolitik, der Kultur- und Bildungspolitik, der Forschungs- und Technologiepolitik, der Klima- und Umweltpolitik und zwischen den Grenzregionen sowie den Zivilgesellschaften soll ausgebaut werden.
Frankreich und Deutschland wollen zum einen darauf hinwirken, dass die EU außen- und sicherheitspolitisch handlungsfähiger wird und zum anderen die Wirtschafts- und Währungsunion vertiefen. Ein "deutsch-französischer Wirtschaftsraum mit gemeinsamen Regeln" soll gezielt gefördert, das Wirtschaftsrecht harmonisiert und wirtschaftspolitische Maßnahmen enger abgestimmt werden.
Durch den Vertrag wird z.B. auch die bereits stattfindende enge Abstimmung im Vorfeld von EU-Gipfeln vertraglich festgeschrieben. Außenpolitisch streben beide Länder an, die Interessen der EU innerhalb internationaler Organisationen besser und einheitlicher zu vertreten – z.B. im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Dass die Bundesrepublik dort als ständiges Mitglied aufgenommen wird, ist laut Vertrag eine "Priorität der deutsch-französischen Diplomatie".
Gemeinsame Standards und engere Zusammenarbeit bei Verteidigung und Rüstung
Im Aachener Vertrag vereinbaren beide Länder zudem eine stärkere militärische Zusammenarbeit innerhalb und außerhalb der EU-Strukturen, da "ihre Sicherheitsinteressen untrennbar miteinander verbunden" seien. Interner Link: Damit wird ein Ansatz weiterverfolgt, der 2018 bereits mit der sogenannten Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit (PESCO) der EU und der vom französischen Präsidenten Macron ins Leben gerufenen "Europäischen Interventionsinitiative" vorangetrieben wurde.
Beide Länder versichern sich zudem gegenseitig ihrer (auch aber nicht nur) militärischen Beistandspflichten im Falle eines bewaffneten Angriffes auf den jeweils anderen, die sich auch aus den Mitgliedschaften in EU und NATO ergeben. Auch in der Rüstungspolitik sowie bei Rüstungsexporten wollen beide Staaten "engstmöglich" zusammenarbeiten und einen "gemeinsamen Ansatz" entwickeln. Damit das funktioniert soll ein deutsch-französischer Verteidigungsrat eingerichtet werden, der diese Bemühungen steuert.
Vor allem bei der Rüstungspolitik gilt eine Zusammenarbeit beider Länder als schwierig. In Deutschland gelten Interner Link: besondere Beschränkungen bei Waffenexporten z.B. in Kriegs- und Krisengebiete, Frankreich kennt solche Beschränkungen bislang nicht.
Grenzregionen, Bildung und Klimawandel
Einen besonderen Fokus legt der Vertrag auch auf die alltäglichen Beziehungen zwischen den Bürgerinnen und Bürgern beider Länder, vor allem in den deutsch-französischen Grenzregionen. So sollen die dortigen Kommunen mit finanziellen Mitteln und rechtlichen Kompetenzen ausgestattet werden, um grenzüberschreitende Vorhaben zu erleichtern, z.B. bei der Gesundheitsversorgung oder zwischen Bildungsinstitutionen. Auch der gegenseitige Spracherwerb sowie die Zweisprachigkeit sollen gefördert und die Bildungs- und Forschungssysteme beider Länder enger verknüpft werden, z.B. bei der Finanzierung und der gegenseitigen Anerkennung von Schul- und Berufsabschlüssen.
Austauschprogramme wie das Deutsch-Französische Jugendwerk, das im Zuge des Élysée-Vertrags 1963 gegründet wurde, sollen ausgebaut werden. Ein von Deutschland und Frankreich finanzierter Bürgerfonds soll Bürgerinitiativen und Städtepartnerschaften zwischen beiden Staaten fördern. Zudem verpflichten sich beide Länder auf das UN-Klimaschutzabkommen von Paris und dem Kampf gegen den Klimawandel.
Symbolpolitik oder Einschränkung der Souveränität?
Während die Regierungen beider Länder und andere Befürworter den Aachener Vertrag als Fundament einer vertieften Zusammenarbeit loben, gibt es auch kritische Stimmen. Einige französische Politiker, wie Marine Le Pen, die Vorsitzende der rechtsradikalen "Rassemblement National" (vormals Interner Link: Front National), behaupten, dass durch den Vertrag die französische Souveränität in den grenznahen Gebieten Elsass und in Lothringen gefährdet sei. Auch in Deutschland wird der Vertrag kritisiert: Während die Partei Alternative für Deutschland der Meinung ist, dass vor allem Frankreich von ihm profitiere, befürchtet Die Linke eine Militarisierung der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik.
Anderen Externer Link: Kommentatoren in der europäischen Presse und Experten wie dem Politik- und Wirtschaftswissenschaftler Henrik Enderlein geht der Vertrag dagegen nicht weit genug. Im Externer Link: Interview mit dem Deutschlandfunk schreibt Enderlein ihm eher "symbolische Kraft" zu, da die Verabredungen nicht konkret genug seien und man sich in vielen Punkten auf den kleinsten gemeinsamen Nenner geeinigt habe.
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