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1956: Das Wehrpflichtgesetz tritt in Kraft
Redaktion
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Am 21. Juli 1956 trat ein Gesetz in Kraft, das Männer in der Bundesrepublik Deutschland zum Dienst an der Waffe verpflichtete. Zuvor wurde heftig über die Einführung der Wehrpflicht gestritten.
Vor 60 Jahren – am 7. Juli 1956 – verabschiedete der Deutsche Bundestag das Wehrpflichtgesetz. Damit setzte sich der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) gegen große Widerstände aus Politik und Gesellschaft durch. Nach der Zustimmung des Bundesrates trat das Gesetz zwei Wochen später am 21. Juli 1956 in Kraft.
Die Bundesrepublik hatte bis 1955 keine eigene Armee. Doch mit dem Inkrafttreten der Interner Link: Pariser Verträge im Mai 1955 wurde die Bundesrepublik ein weitgehend souveräner Staat und Mitglied des westlichen Verteidigungsbündnisses NATO. Sie verpflichtete sich dabei internationale Verteidigungsaufgaben zu übernehmen. Die SPD, die Gewerkschaften und die Kirchen protestierten vehement gegen die Interner Link: Wiederbewaffnung der Bundesrepublik.
Die Wiederbewaffnung
Mit zwei Wehrergänzungsgesetzen wurden Interner Link: 1954 und Interner Link: 1956 die Grundlagen für eine neue deutsche Verteidigungspolitik geschaffen. Dafür wurde das Grundgesetz um mehrere Absätze zu Streitkräften, Wehrdienst und Grundrechten der Soldaten geändert und erweitert. Einer davon war Externer Link: Artikel 73 des Grundgesetzes, der den Bund nun befugte, über Verteidigungsfragen wie die Einführung einer Wehrpflicht junger Männer zu entscheiden. Er legte nicht fest, ob das in der Praxis der Fall sein sollte. Vor diesem Hintergrund wurde 1956 über das Interner Link: Wehrpflichtgesetz debattiert.
Seit November 1955 existierte die deutsche Armee, die Bundeswehr, bereits als sogenannte Interner Link: Kaderarmee, die zunächst nur aus Offizieren und Unteroffizieren der ehemaligen Wehrmacht bestand. Während die ersten freiwilligen Rekruten ab Januar 1956 in den Kasernen bereits ihren Dienst leisteten, wurde im Bundestag – und in der Bevölkerung – heftig darüber diskutiert, welche Form die Bundeswehr künftig annehmen sollte: Die einer Wehrpflichtarmee oder die einer Freiwilligenarmee. Die regierende CDU wollte die Wehrpflicht, die SPD sprach sich ausdrücklich dagegen aus. Die FDP war zwar grundsätzlich für eine "allgemeine nationale Verteidigungsdienstpflicht", lehnte den "in aller Eile" zur Verabschiedung vorgelegten Entwurf der Bundesregierung für die Wehrpflicht allerdings ab.
Zitate aus der Bundestagsdebatte zur Wehrpflicht 1956
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Ein Berufsheer steht immer in der Gefahr, ein "Staat im Staate" zu werden. Das militärische Eigenleben, wenn es nicht durch den laufenden Zustrom von Wehrpflichtigen aufgelockert wird, kann trotz allen guten Willens der politischen und militärischen Führung und der parlamentarischen Kontrolle zu einer Isolierung der Soldaten führen. Der unmittelbare Kontakt zum ganzen Volk [...] wird nur dann im wünschenswerten und notwendigen Ausmaß vorhanden sein, wenn alle Männer verpflichtet sind, in dieser Armee zu dienen.
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Wenn man von einem Verteidigungsbeitrag der Bundesrepublik in der Höhe von 500 000 Mann spricht - es dürfte Ihnen ja weithin unbenommen sein, diese Verpflichtung zu bezweifeln -, dann muß man sich auch darüber im klaren sein, daß dieser Beitrag nur auf der Grundlage der allgemeinen Wehrpflicht geleistet werden kann.
Zitat
Von uns kann es abhängen, ob wir dadurch, daß es auch drüben kein Wehrpflichtgesetz gibt, es Zehntausenden unserer Landsleute ermöglichen, nicht gegen ihr Gewissen in einer kommunistischen Armee dienen zu müssen.
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Gewiß, die Geschichte beweist uns, daß die allgemeine Wehrpflicht sich nicht immer und überall als das legitime Kind der Demokratie benommen hat. Aber der Mißbrauch einer Idee läßt nicht den Schluß zu, daß die Idee an sich falsch sei.
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Unser Volk lebt in einer tiefen Tragik. Zwei Armeen werden in den beiden Teilen Deutschlands aufgestellt. Das ist schon schlimm genug. Noch schlimmer ist es, daß diese beiden Armeen eingeschmolzen werden in feindlich einander gegenüberstehende Militärblöcke, und noch schlimmer ist es, wenn durch unser Zutun dafür gesorgt wird, daß es sich bei diesen zwei Armeen dann auch noch um Wehrpflichtarmeen handelt!
Zitat
Wir Freien Demokraten haben niemals das Prinzip der allgemeinen Verteidigungsdienstpflicht preisgegeben […]. Wir glauben aber, daß gewisse Prinzipien in den früheren Jahren Vorstellungen von der allgemeinen Wehrpflicht zwangsläufig überholt sind. […] Gerade im Hinblick auf unsere gegenwärtige Vollbeschäftigung, auf unseren Wiederaufbau werden wir große Berufszweige aus der Wehrpflicht ausklammern müssen. […] Für uns leistet der Bergmann […] im Rahmen des allgemeinen Verteidigungsdienstes bereits die Pflichten ab, die das Volk gerechterweise von ihm verlangen kann.
Aus Sicht der CDU/CSU ging der NATO-Beitritt der Bundesrepublik Deutschland mit der Verpflichtung einher, eine 500.000-Mann starke Armee aufzubauen. Sie nur aus Freiwilligen zu rekrutieren, hielt die CDU nicht für möglich. Sie ging daher davon aus, dass dafür eine Armee aus Wehrpflichtigen notwendig sei. Die SPD stellte die Notwendigkeit, eine große Armee zu unterhalten, hingegen in Frage und hielt eine kleinere Freiwilligenarmee für ausreichend.
Zwei deutsche Staaten – zwei Armeen
Die SPD ging davon aus, dass eine Wehrpflichtarmee die innerdeutsche Teilung vertiefen und die Chance auf eine Wiedervereinigung verringern würde. Würde die Bundesrepublik die Wehrpflicht einführen, werde die Deutsche Demokratische Republik (DDR) nachziehen. Im Falle eines Krieges müssten junge Männer aus der Bundesrepublik gegen ihre "Landsleute" aus der DDR kämpfen. Für die SPD ein "Gewissenskonflikt der jungen Generation", der unbedingt verhindert werden müsse.
Für die CDU hingegen war die Sicherung des Friedens durch eine starke Armee maßgeblich. Wenn es durch die Aufstellung der Bundeswehr zu einer tieferen Spaltung zwischen den beiden deutschen Staaten käme, so sei die Schuld nicht bei der Bundesrepublik oder den Westmächten zu suchen.
Die Berufsarmee: Ein Staat im Staate?
Die CDU sah bei einer Berufsarmee die Gefahr, dass sich die Berufssoldaten vom Volk abkapseln und – wie in der Weimarer Republik – eine Art "Staat im Staate" bilden würden. Kämen jedes Jahr neue Wehrpflichtige in die Armee, würden diese hingegen einen konstanten Austausch zwischen Volk und Armee garantieren. Die SPD war hingegen der Ansicht, dass das Wesen einer Armee vor allem von ihren Offizieren geprägt werde. Würden diese nicht im demokratischen Sinn ihre Berufs- und Freiwilligensoldaten anführen, wären sie auch für eine Wehrpflichtarmee eine schlechte Wahl.
Wehrpflicht für alle?
Die FDP sah im Wehrdienst die Pflicht eines Staatsbürgers sein Land zu verteidigen. Dennoch wollte sie keine allgemeine Wehrpflicht einführen, sondern diese an die Bedürfnisse des Staates anpassen, indem bspw. große Berufszweige ausgeklammert werden. So sollten Männer, die in anderen Bereichen des Staates (zum Beispiel im Bergbau) wertvolle Arbeit leisteten, nicht zum Wehrdienst verpflichtet werden. Auch junge Männer, die Verwandte ersten Grades in der DDR hatten, sowie die jüngsten Söhne einer Familie wollte die FDP vom Wehrdienst ausnehmen.
Die Abstimmung
Am 7. Juli 1956 stimmte der Bundestag über das Wehrpflichtgesetz ab. 269 Abgeordnete – hauptsächlich von CDU/CSU, sowie FVP (Freie Volkspartei) und DP (Deutsche Partei) – stimmten für die Einführung der Wehrpflicht, 166 dagegen – hauptsächlich aus den Fraktionen von SPD, Interner Link: GB/BHE (Gesamtdeutscher Block) sowie Teile der FDP-Fraktion. 20 Abgeordnete – hauptsächlich aus der FDP-Fraktion – enthielten sich.
Am 21. Juli trat das Wehrpflichtgesetz in Kraft. Alle Männer zwischen 18 und 45 Jahren (im Verteidigungsfall bis 60 Jahre) waren von nun an wehrpflichtig. Befreit waren nur Geistliche, Schwerkriegsbeschädigte und besondere Gruppen der Heimkehrer. Aus Gewissensgründen durfte der Wehrdienst laut Gesetz verweigert werden, Interner Link: als Ausgleich musste dafür aber Zivildienst geleistet werden. Auch ein waffenloser Dienst bei der Bundeswehr war vorgesehen.
Am 1. April 1957 zogen die ersten Wehrpflichtigen in die Kasernen ein. Ihr Grundwehrdienst war auf 12 Monate festgelegt worden. Zwischen 1962 und 1972 wurde er auf 18 Monate angehoben, danach wurde er schrittweise wieder verringert, bis er 2010 nur noch bei sechs Monaten lag.
Die Stärke von 500.000 Soldatinnen und Soldaten wurde in der bisherigen Geschichte der Bundeswehr nicht erreicht: Laut der Externer Link: Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke im Bundestag 2009 dienten im Jahr 1989 etwa 480.000 Berufs- und Zeitsoldaten sowie Wehrleistende in der Bundeswehr. 1962 hatte sie eine Stärke von knapp 375.000 Mann, die Zahl der Soldaten stieg in den Folgejahren weiter an und lag dann bis 1989 konstant bei etwa 480.000. Seit 1990 wurde die Truppenstärke schrittweise verringert, bis sie 2008 bei knapp 245.000 Soldatinnen und Soldaten lag. Die Zahl der Wehrdienstleistenden erreichte 1977 mit fast 250.000 Mann ihren Höchststand, 2008 lag sie nur noch bei 60.000 Mann.
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