Seit 1871 stellte der Paragraf 218 des Strafgesetzbuches jeden Abbruch einer Schwangerschaft grundsätzlich unter Strafe. Frauen die trotzdem abtrieben, drohte zwischen sechs Monaten Gefängnis und fünf Jahren Zuchthaus. Ab 1927 nahm die Justiz zumindest Abtreibungen aus medizinischen Gründen von der Strafe aus. Eine weitergehende Regelung blieb aber aus – bis das Thema 1971 große Aufmerksamkeit in der westdeutschen Öffentlichkeit fand: Im Magazin Stern bekannten damals 374 Frauen, darunter Prominente wie Senta Berger und Romy Schneider, dass sie abgetrieben hatten – ein Tabubruch.
Kampf der Frauenbewegung für eine Strafrechtsreform
Die Aktivistinnen der Frauenbewegung der 1970er-Jahre setzten sich für die Selbstbestimmung von Frauen über ihre eigenen Körper ein. Die existenzielle und persönliche Entscheidung für oder gegen eine Schwangerschaft sollte
Parteienstreit: "Fristenregelung" und "Indikationsmodell"
Die Regierungskoalition aus SPD und FDP reagierte im Juni 1974 mit einem Externer Link: Gesetz zur Reform des Paragrafen 218. Künftig sollten Frauen in den ersten drei Monaten einer Schwangerschaft straffrei abtreiben dürfen, wenn sie sich vorher zu gesundheitlichen und sozialen Fragen hatten beraten lassen ("Fristenregelung").
Gegen die Reform bezogen CDU und CSU Stellung. Sie argumentierten, die Reform missachte den von der Verfassung gebotenen Schutz des menschlichen Lebens. Der CDU-Abgeordnete Heinz Eyrich beispielsweise vertrat die Position, dass der Staat nicht auf die Möglichkeit zurückgreifen dürfe, "das ungeborene Leben töten zu können". Stattdessen müssten soziale und finanzielle Nöte gelindert werden, die Frauen davon abhielten, sich für das Kind zu entscheiden. Die Konservativen wollten das Strafrecht höchstens im Rahmen eines eng gefassten "Indikationsmodells" einschränken. Straffrei sollte eine Abtreibung nur sein, wenn nachweislich eine schwere gesundheitliche Gefährdung oder außergewöhnliche seelische Belastung der Schwangeren vorlag.
Verfassungsgericht verwirft Neuregelung
Schließlich klagten 193 Abgeordnete aus der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sowie fünf konservative Landesregierungen beim Bundesverfassungsgericht gegen die Gesetzesreform. Externer Link: Dieses entschied am 25. Februar 1975, dass die von SPD und FDP ausgearbeitete Fristenregelung der Verpflichtung des Gesetzgebers zum Schutz menschlichen Lebens nicht gerecht werde. Jenes Schutzrecht ergebe sich aus dem Grundgesetz (Externer Link: Artikel 2, Absatz 2, Satz 1: "Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit." in Verbindung mit Externer Link: Artikel 1, Absatz 1: "Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.")