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Verfassungsreferendum in Ägypten

Redaktion

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Ägyptens Bürger haben eine neue Verfassung gebilligt. Viele Wähler waren der Volksabstimmung am 14. und 15. Januar jedoch ferngeblieben. Die neue Verfassung soll die seit über einem halben Jahr außer Kraft gesetzte Verfassung von 2012 ersetzen.

Ägytischer Verkäufer verteilt Hefte über die neue Verfassung in Kairo (© picture alliance / AP Photo )

Am Samstag (18. Januar) hat die ägyptische Wahlkommission in Kairo das offizielle Endergebnis verkündet: 98,1 Prozent der an der Volksabstimmung teilnehmenden Ägypterinnen und Ägypter hatten für den Verfassungsentwurf der Übergangsregierung gestimmt. Der hohen Zustimmungsrate steht jedoch eine niedrige Wahlbeteiligung gegenüber: Nur etwas mehr als 20 Millionen der rund 53,4 Millionen Wahlberechtigten gaben ihre Stimme ab. Die Wahlbeteiligung lag bei 38,6 Prozent. Die oppositionelle Muslimbruderschaft hatte im Vorfeld zum Boykott der Volksabstimmung aufgerufen.

Die Volksabstimmung über die neue Verfassung bildete den Auftakt des ägyptischen Wahljahrs. Nach dem Referendum werden im Jahr 2014 auch noch Parlament und Präsident neu gewählt. Die Termine sollen in den nächsten Wochen bekannt gegeben werden.

Drittes Referendum in drei Jahren

Die Ägypter haben bereits zum dritten Mal seit dem Sturz des langjährigen Machthabers Mubarak über eine neue Verfassung abgestimmt. Im März 2011, kurz nach dem Umbruch, hatten die Bürger Interner Link: Ägyptens eine Verfassungserklärung des damals herrschenden Militärrates gebilligt. Bei den Interner Link: ersten freien Wahlen im Juni 2012 siegte Mohammed Mursi, der Kandidat der islamistischen Muslimbruderschaft. Das zweite Verfassungsreferendum wurde im Dezember 2012 abgehalten. Mursi hatte zuvor eine Interner Link: umstrittene neue Verfassung mit islamistischen Elementen ausarbeiten lassen. An der Volksabstimmung, die von massiven Betrugsvorwürfen begleitet worden war, beteiligten sich allerdings nur rund 33 Prozent der Wahlberechtigten. Rund 64 Prozent der teilnehmenden Wählerinnen und Wähler entschieden sich für die von den Muslimbrüdern geprägte Verfassung.

Mohammed Mursi (© picture-alliance/AP)

Nach Massenprotesten gegen Mursi und die neue Verfassung Interner Link: setzte das Militär den Präsidenten im Juli 2013 ab und den Verfassungsrichter Adli Mansur als Übergangspräsidenten ein. Zeitgleich mit dem Interner Link: Staatsstreich wurde die Verfassung annulliert. Eine von der Übergangsregierung eingesetzte Verfassungskommission unter dem ehemaligen Generalsekretär der Interner Link: Arabischen Liga und Ex-Außenminister Amr Mussa wurde mit der Ausarbeitung einer neuen Verfassung betraut.

Verfassungsgebende Versammlung in der Kritik

Bereits an der Zusammensetzung und der Arbeitsweise der 50-köpfigen verfassungsgebenden Versammlung gab es Kritik von Seiten der Opposition. Wer in dieser Kommission mitwirken durfte, hatte die Übergangsregierung per Dekret bestimmt. Sie wurde vor allem mit Vertretern staatlicher und semistaatlicher Institutionen besetzt. Die aus der freien Wahl 2012 siegreich hervorgegangene Muslimbruderschaft war vollkommen aus der Kommission ausgeschlossen.

Die Versammlung tagte zudem unter Ausschluss der Öffentlichkeit, ein transparenter gesellschaftlicher Diskurs konnte nicht stattfinden.

Neue Rechte, alte Privilegien

247 Artikel umfasst die neue Verfassung. Die islamistischen Bezüge wurden reduziert: Die Verfassung bekennt sich zwar zum Islam als Staatsreligion und erkennt die Scharia als Rechtsgrundlage der Gesetzgebung an, explizit religiöse Parteien werden jedoch nicht mehr erlaubt. Zudem müssen neue Gesetze nicht mehr der wichtigsten religiösen Einrichtung des Landes, der Al-Azhar-Universität, vorgelegt werden.

Die Verfassung sieht zudem eine Reihe von neuen Grundrechten und Freiheiten vor: Sie schreibt die Gleichstellung und Teilhabe von Frauen fest, soweit dies mit der Scharia übereinstimmt. Sie sichert Meinungs- und Gewissensfreiheit zu und verbietet Diskriminierung auf ethnischer, sozialer, geschlechtlicher, politischer und religiöser Basis – jedoch nur für die Anhänger des Judentums, des Christentums und des Islams, religiöse Minderheiten sind davon ausgeschlossen.

Umstritten sind insbesondere die weiterhin existierenden Sonderrechte des Militärs wie beispielsweise die Bestimmung, die Militärtribunale gegen Zivilisten ermöglicht, wenn diese für Angriffe auf die Streitkräfte verantwortlich gemacht werden. Unter anderem an diesen Prozessen hatten sich 2011 die Proteste gegen Mursi entzündet. Zudem darf die Armee den Verteidigungsminister ernennen, gänzlich an der zivilen Regierung vorbei. Und auch der Etat des Militärs bleibt der parlamentarischen Aufsicht weiter entzogen.

Aktuelle Lage

Ägypten kommt seit dem Sturz Mursis im Juli 2013 nicht zur Ruhe: Immer wieder kommt es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Mursis Anhängern, Mursi-Gegnern und dem Militär. Trauriger Höhepunkt der Proteste war der 14. August: Bei der gewaltsamen Räumung eines Protestlagers im August 2013 gab es mehrere Hundert Tote.

Im September 2013 wurde die Muslimbruderschaft und ihre Organisationen richterlich verboten, im Dezember stufte die Regierung sie als Terrororganisation ein. Hunderte Anhänger der Islamisten wurden verhaftet. Nach den Islamisten nimmt die ägyptische Regierung nun auch die säkulare Opposition immer stärker ins Visier. Zunehmend werden Aktivisten des Aufstands, der 2011 zum Sturz Mubaraks führte, inhaftiert und verurteilt – vor allem auf der Grundlage eines neuen, umstrittenen Versammlungsgesetzes. Danach sind Demonstrationen ohne ausdrückliche Erlaubnis der Polizei verboten.

Unterdessen muss sich der Ex-Präsident Mursi in mehreren Prozessen vor Gericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm unter anderem vor, Anfang Dezember 2012 Anhänger zur Gewalt gegen friedliche Demonstranten angestiftet zu haben, die mehrere Todesopfer gefordert habe. Zudem soll ihm wegen eines Gefängnisausbruchs, Spionage und Terrorismus der Prozess gemacht werden. Mursi und mehreren seiner Mitangeklagten drohen lebenslange Haftstrafen oder die Todesstrafe.

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