Er galt als einer der heftigsten Kritiker der islamistischen Regierungspartei Ennahda. Der 48-jährige Jurist Chokri Belaid, Vorsitzender der oppositionellen "Bewegung der demokratischen Patrioten" wurde vor seinem Haus erschossen und verstarb kurz darauf im Krankenhaus. Heute bekommt er auf Anweisung von Präsident Moncef Marzouki ein Staatsbegräbnis in Tunis. Tausende Menschen werden zur Beisetzung erwartet. Das Verteidigungsministerium kündigte an, den Trauerzug mithilfe der Streitkräfte schützen zu wollen.
Mord an Belaid löste Proteste und Regierungskrise aus
Seit Mittwoch kommt es zu neuen Proteste in Tunesiens Städten – den schwersten seit der Revolution vor zwei Jahren. Landesweit gingen tausende Menschen auf die Straße. In mehreren Städten des nordafrikanischen Landes kam es zu teils gewalttätigen Protestaktionen. Demonstranten attackierten die Zentrale der regierenden islamistischen Ennahda-Partei in Tunis und legten dort Feuer.
Noch am Mittwoch hatte Tunesiens Premierminister Hamadi Jebali deshalb in einer Fernsehansprache mitgeteilt, eine "Regierung der nationalen Kompetenz ohne politische Zugehörigkeit" zu bilden und Neuwahlen ausschreiben zu wollen. Die überparteiliche Expertenregierung solle ein "beschränktes Mandat zur Führung der Geschäfte des Landes bis zur Abhaltung von Wahlen binnen kürzester Frist" haben. Doch seine Ennahda-Parteikollegen wandten sich am Donnerstag in Tunis gegen ihren Premier und lehnten eine Kabinettsneubildung ab: Jebali habe seinen Beschluss ohne Absprache gefasst.
Opposition beschuldigt regierende Ennahda
Belaids Angehörige sowie die Regierungsopposition machen die Ennahda und deren Umfeld für das Attentat an Belaid verantwortlich. Seit Monaten kommt es in Tunesien immer wieder zu Übergriffen gegen Oppositionelle, Gewerkschafter und Frauenorganisationen. Dahinter vermutet die Opposition die islamistischen Milizen der "Liga zum Schutz der Revolution". Im vergangenen Oktober war der Oppositionspolitiker Lotfi Naguedh nach einem Angriff von Regierungsanhängern ums Leben gekommen.
Der Ennahda wird von Kritikern immer wieder mangelnder Wille, das staatliche Gewaltmonopol zu gewährleisten und die Gewalt der Islamisten zu stoppen, vorgeworfen. Regierungspolitiker der Partei wiesen in Stellungnahmen jegliche Verantwortung für das Attentat zurück. Die Polizei werde alles dafür tun, den Mörder so schnell wie möglich zu fassen.