BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (GRÜNE) waren bis zur Entstehung der AfD die erfolgreichste Neugründung einer Partei in der Geschichte der Bundesrepublik. Seit den 1980er-Jahren konnten sie sich neben Union, SPD und FDP als vierte Kraft im Parteiensystem dauerhaft etablieren. Dabei gelang es ihnen in den 1990er-Jahren, die FDP vom dritten Platz zu verdrängen. Auf der Landesebene bildeten die Grünen 1985 in Hessen die erste rot-grüne Koalition, die zum Vorbild für zahlreiche weitere Regierungsbeteiligungen und ihre siebenjährige Regierungszeit (1998 bis 2005) im Bund wurde. Ab 2008 begannen sie sich auch für Koalitionen mit der CDU zu öffnen und dadurch eine Scharnierfunktion bei der Regierungsbildung einzunehmen. Landeten die Grünen bei der Bundestagswahl 2017 noch auf Platz sechs, gelang es ihnen seit Ende 2018, nicht nur sämtliche Oppositionsparteien, sondern auch die SPD als bisher zweitstärkste Kraft in bundesweiten Umfragen zu überflügeln. Bei der Bundestagswahl 2021 blieb ihr Rekordergebnis von 14,8 Prozent hinter den Erwartungen zurück. Es reichte aber aus, um die Grünen zum zweiten Mal in die Regierung zu bringen, wo sie mit Annalena Baerbock als Außenministerin und Robert Habeck als Wirtschafts- und Klimaschutzminister seither wichtige Schlüsselressorts besetzen.
Geschichte
Die Grünen sind ein Produkt der Neuen Sozialen Bewegungen, die sich in den 1970er-Jahren aus Protest gegen die wachsende Umweltzerstörung, die Nutzung der Kernenergie und die atomare Hochrüstung gebildet hatten. Weitere Wurzeln liegen in der Studentenbewegung und der DDR-Bürgerrechtsbewegung. Seit Mitte der 1970er-Jahre waren in vielen Bundesländern grüne und sogenannte bunte Listen entstanden. Diese schlossen sich 1979 vor der Europawahl zur Wählergruppe "Sonstige Politische Vereinigung DIE GRÜNEN" zusammen. Am 12./13. Januar 1980 wurde daraus die bundesweite Partei "Die Grünen". 1993 vereinten sich die Grünen mit dem ostdeutschen Bündnis 90 und nennen sich seitdem offiziell: "Bündnis 90/Die Grünen".
In den 1980er-Jahren war die Entwicklung der neuen Partei von heftigen Richtungskämpfen begleitet. Die konservativ-bürgerlichen Vertreter, die mit zu ihrem Gründungsspektrum gehört hatten, kehrten den Grünen schon zu Beginn der 1980er-Jahre den Rücken. Im Zentrum der anschließenden Auseinandersetzungen stand die Frage einer möglichen Regierungsbeteiligung, die von den gemäßigt linken "Realpolitikern" ("Realos") prinzipiell angestrebt und von den radikal-linken "Fundamentalisten" ("Fundis") ebenso entschieden abgelehnt wurde. Bis 1991 sollte sich die realpolitische Linie dabei soweit durchsetzen, dass ein Großteil der fundamentalistischen Kräfte die Grünen verließ.
Programm
Programmatisch drückte sich die Entradikalisierung darin aus, dass die Grünen von systemfeindlichen Positionen Abstand nahmen. Sie akzeptierten die parlamentarische Demokratie vorbehaltlos und strebten nicht mehr nach der Überwindung der kapitalistischen bzw. marktwirtschaftlichen Ordnung, sondern nach deren ökologischer Reform. Die hierzu entwickelten Konzepte (Förderung erneuerbarer Energien, Atomausstieg, Agrarwende, Umbau des Steuersystems) leiteten ihr eigenes Regierungshandeln und bewirkten zugleich, dass sich die anderen Parteien für die Umweltschutzziele öffneten. Entgegen ihrer pazifistischen Tradition stimmten die Grünen später auch den Auslandseinsätzen der Bundeswehr zu.
Wahlergebnisse und Wählerschaft
Eine programmatische Herausforderung für die Partei stellt die veränderte Zusammensetzung ihrer Wählerschaft dar. Einerseits bewegen sich die Wähler, die den Grünen schon vor dreißig Jahren die Stimme gaben und ihnen seither treu geblieben sind, heute in überwiegend privilegierten Lebensumständen, sodass sie durch allzu linke Positionen in der Sozial- und Wirtschaftspolitik abgeschreckt werden könnten. Andererseits gelingt es den Grünen weiterhin, in der Gruppe der Jungwähler überdurchschnittliche Ergebnisse zu erzielen. Traditionell starken Zuspruch finden sie bei den Frauen.
Organisation
Gescheitert ist der Versuch der Grünen, eine basisdemokratische Alternative zu den "Altparteien" zu entwickeln. Mit der Trennung von Amt und Mandat und dem Prinzip der Doppelspitze hat sich die Partei dennoch manche Eigenarten bewahrt. Ob sich diese mit den Notwendigkeiten politischer Führung vereinbaren lassen, wird unterschiedlich bewertet. Die ideologischen Strömungen, die das Innenleben der Grünen in den 1980er-Jahren prägten, haben an Bedeutung stark eingebüßt. Fundamentalistische Positionen sind heute kaum noch vertreten. Auch deshalb zeichnet sich die Partei durch eine vergleichsweise hohe personelle und inhaltliche Geschlossenheit aus, die durch den Unmut vieler jüngerer Mitglieder und Aktivisten über die ihrer Ansicht nach unzulängliche Klimaschutzpolitik inzwischen allerdings bedroht ist.