Wahlergebnisse
Die AfD ist die erste erfolgreiche Neugründung einer Partei im Mitte-Rechts-Lager des bundesdeutschen Parteiensystems. Gemessen am Ausmaß und an der Schnelligkeit ihrer Etablierung stellt sie auch die beiden linken Neuankömmlinge - die Grünen in den 1980er- und die PDS/Linke seit den 1990er-Jahren - in den Schatten. Mit Ausnahme von Schleswig-Holstein, wo sie 2021 den Wiedereinzug verpasste, gelangte sie bei allen Landtagswahlen seit Mitte 2014 über die Fünfprozenthürde, bei der Bundestagswahl 2017 übertraf sie das bis dahin beste Ergebnis einer Rechtsaußenpartei aus dem Jahre 1969 (NPD: 4,3 Prozent) auf Anhieb um fast das Dreifache.
In Ostdeutschland (einschließlich des früheren Ost-Berlins) erreicht die AfD im Schnitt doppelt so hohe Stimmanteile wie im Westen. In absoluten Zahlen entfielen bei der Bundestagswahl 2017 dennoch fast zwei Drittel ihrer Stimmen auf die alten Bundesländer - das war fast derselbe Wert wie bei der Linken. In vier der fünf ostdeutschen Länder wurde die AfD mit Werten zwischen 18,6 und 22,7 Prozent zweitstärkste Kraft, in Sachsen landete sie mit 27,0 Prozent sogar knapp vor der CDU auf Platz eins. Hier konnte sie zugleich drei Direktmandate gewinnen. Im Schnitt noch etwas bessere Ergebnisse verbuchte sie seit 2016 in Ostdeutschland bei den Landtagswahlen, wo sie in allen Ländern auf Platz zwei liegt.
Im Westen erreichte die AfD ihre höchsten Landesergebnisse bei der Bundestagswahl 2017 in Bayern (12,4 Prozent), Baden-Württemberg (12,2 Prozent) und Hessen (11,9 Prozent), am schlechtesten schnitt sie in Hamburg und Schleswig-Holstein ab (7,8 bzw. 8,2 Prozent). Ihre besten Einzelergebnisse erzielte sie in den an der Grenze zu Tschechien gelegenen Wahlkreisen in Niederbayern, in Heilbronn und Pforzheim sowie im Main-Taunus-Kreis. Bei den seither stattgefundenen Landtagswahlen konnte die AfD lediglich in Hessen (Oktober 2019) mit 13,1 Prozent nochmals leicht zulegen, während sie in den übrigen westdeutschen Ländern hinter ihre dortigen Bundestagswahlergebnisse zurückfiel. Erst Im Oktober 2022 gelang ihr in Niedersachsen wieder ein Zugewinn. In Brandenburg, Sachsen und Thüringen, wo im September bzw. Oktober 2019 gewählt wurde, konnte sie ihre Ergebnisse schon vorher verbessern. das Europawahlergebnis (Mai 2019) blieb mit 11,0 Prozent dagegen gemessen an den eigenen Erwartungen enttäuschend.
Der Trend einer weiteren Verschiebung der Wählerschwerpunkte nach Osten bestätigte sich bei der Bundestagswahl 2021. Während die AfD in Sachsen trotz Verlusten mit 24,6 Prozent erneut stärkste Partei wurde und in Thüringen sogar um 5,7 Prozentpunkte zulegte, bewegten sich die Ergebnisse in ihren süddeutschen Hochburgen nur noch zwischen acht und zehn Prozent. Am schlechtesten war das Resultat in Hamburg (5,0 Prozent). Auf der Habenseite verbuchen konnten die Rechtspopulisten den Gewinn von 13 Direktmandaten (zehn mehr als 2017) in Sachsen und Thüringen, der allerdings weniger auf eigene Zugewinne zurückzuführen war als den dramatischen Einbruch der CDU.
Wählerschaft
Bei der Bundestagswahl 2017 hatten von den Männern 16,3 Prozent die AfD gewählt, von den Frauen nur 9,2 Prozent. 2021 waren es 13,0 bzw. 7,8 Prozent. Fast zwei Drittel der AfD-Wähler sind damit männlich, wobei es zwischen dem Osten und Westen in der Verteilung keine Unterschiede gibt. Bezogen auf die Altersgruppen ist die AfD am erfolgreichsten bei den mittleren Jahrgängen der zwischen 35- und 59-Jährigen, wo sie 2017 gut 15 und 2021 13 Prozent erreichte. In der jüngsten (18 bis 24) und ältesten Gruppe (über 70 Jahre) schneidet sie dagegen mit jeweils acht bzw. sechs Prozent deutlich schlechter ab (Zahlen der repräsentativen Wahlstatistik).
Bezogen auf die Sozialstruktur der AfD-Wählerschaft kommen die vorliegenden Untersuchungen zu teilweise disparaten Befunden, was darauf hindeutet, dass monokausale Erklärungsversuche hier zu kurz greifen. So führen z.B. weder eine hohe Arbeitslosenquote noch ein höherer Ausländeranteil per se zu einer größeren Wahlbereitschaft der AfD. Im Westen scheint die AfD vor allen dort zu punkten, wo die Wähler ein unterdurchschnittliches Haushaltsaufkommen aufweisen und/oder einer Tätigkeit in der Industrie nachgehen. Im Osten ist sie in ländlichen Regionen stark, die unter Abwanderung leiden und ökonomisch abgehängt zu werden drohen. Arbeiter und Arbeitslose sind unter den Wählern zwar überdurchschnittlich vertreten, machen aber nur ein Viertel der AfD-Gesamtwählerschaft aus, während die übrigen drei Viertel auf Angestellte, Beamte und Selbständige entfallen. Auch bei den formalen Bildungsabschlüssen dominieren die mittleren Ränge (Niedermayer / Hofrichter 2016).
Ein klareres Profil ergibt sich, wenn man die Einstellungsmerkmale der Wählerschaft betrachtet. Die AfD-Wähler weisen hier zum einen im Vergleich zu den anderen Wählern ein wesentlich höheres Unzufriedenheitsniveau, zum anderen eine größere Nähe zu rechtsextremen Überzeugungen auf. Protest- und Einstellungswahl gehen bei der AfD insofern Hand in Hand und decken sich mit dem Selbstverständnis einer "Anti-Establishment-Partei". Am deutlichsten ablesbar sind die Unterschiede zur politischen Konkurrenz bei der Bewertung der Migrations- und Flüchtlingspolitik, wo die rigorose Ablehnungshaltung der AfD von ihren Wählern nahezu einhellig geteilt wird (Hambauer / Mays 2018). Wie die seit 2016 bei vielen Wahlen angestiegene Wahlbeteiligung zeigt, konnte die AfD damit auch viele frühere Nichtwähler mobilisieren.