Öffentliches Recht und Privatrecht
Man teilt das Recht ein in die beiden großen Rechtsgebiete Privatrecht und öffentliches Recht. Das Privatrecht regelt die Rechtsbeziehungen der einzelnen Bürger zueinander.
Sein Kern ist das bürgerliche Recht, das im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) niedergelegt ist. Es enthält Regelungen für den bürgerlichen Alltag, zum Beispiel für Kauf und Verkauf, für Pacht, Leihe und Schenkung, für Eheschließung und Ehescheidung, für Unterhaltsansprüche und Vormundschaft, für Erbschaft.
Zum Privatrecht gehören auch das Handelsrecht, das nur unter Kaufleuten gilt, und das Arbeitsrecht, soweit es die Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern (mit Ausnahme der Beamten) umfasst, sowie das Urheber- und Patentrecht.
Das öffentliche Recht regelt die Beziehungen des Einzelnen zur öffentlichen Gewalt (Staat, Land, Gemeinde, öffentliche Körperschaft) und die Beziehungen der öffentlichen Gewalten zueinander, zum Beispiel zwischen Bund und Ländern. Zum öffentlichen Recht gehören das Verwaltungsrecht, das Straf- und Prozessrecht sowie das Verfassungsrecht, das Staatsrecht und das Völkerrecht.
Zweige der Gerichtsbarkeit
Die Recht sprechende Gewalt ist in der Bundesrepublik Deutschland in fünf selbstständige Gerichtszweige gegliedert, die mit den Begriffen "ordentliche" und "besondere Gerichtsbarkeit" unterschieden werden.
Die "ordentliche Gerichtsbarkeit" umfasst die Zivil- und Strafgerichte, zur "besonderen Gerichtsbarkeit" zählen Verwaltungsgerichte, Arbeitsgerichte, Sozialgerichte und Finanzgerichte.
Die Bezeichnung "ordentliche Gerichtsbarkeit" erklärt sich historisch daraus, dass früher nur die Zivil- und Strafgerichtsbarkeit mit unabhängigen Richtern besetzt war. Dagegen wurde die Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit von weisungsgebundenen Beamten ausgeübt. Dies änderte sich mit dem Gerichtsverfassungsgesetz von 1877. Die Artikel 92 und 97 GG geben der richterlichen Unabhängigkeit Verfassungsrang.
Bundes- und Landesgerichte
In allen Gerichtszweigen gibt es jeweils Gerichte der Länder und des Bundes. Innerhalb der einzelnen Gerichtszweige bestehen mehrere Instanzen, das sind Stufen des gerichtlichen Verfahrens, die einander übergeordnet sind. In der Regel gibt es drei Instanzen, die ersten beiden sind Gerichte der Länder, die oberste Instanz ist ein Bundesgericht.
Die Instanzen der ordentlichen Gerichtsbarkeit sind Amtsgerichte, Landgerichte, die je nach Bedeutung eines Falles erste oder zweite Instanz sein können, Oberlandesgerichte und der Bundesgerichtshof.
Die Verwaltungs-, Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit ist dreistufig, die Finanzgerichtsbarkeit zweistufig. Die obersten Instanzen sind das Bundesverwaltungsgericht, das Bundesarbeitsgericht, das Bundessozialgericht und der Bundesfinanzhof.
Für Streitigkeiten bei der gewerblichen Nutzung von Patenten, die für Erfindungen beim Bundespatentamt beantragt und erteilt werden können, ist ein Bundesgericht, das Bundespatentgericht, eingerichtet.
Eine Sonderstellung nimmt die Verfassungsgerichtsbarkeit ein.
Zivilgerichte
Zivilgerichte sind für bürgerliche (zivile) Rechtsstreitigkeiten zuständig, das sind Streitigkeiten, die zum Bereich des Privatrechts gehören.
Sie werden angerufen, wenn es etwa Streit um einen Kaufvertrag gibt, wenn ein Schuldner seiner Zahlungspflicht nicht nachkommt, wenn ein Mieter eine Mieterhöhung für ungerechtfertigt hält. Sie scheiden Ehen und legen die Unterhaltszahlungen und das Sorgerecht für die Kinder fest. Sie entscheiden über Haftung und Schadensersatz, wenn jemand einem anderen einen Schaden zugefügt, ihn verletzt oder bestohlen hat, sie fällen aber auch ein Urteil, wenn ein öffentlicher Bediensteter seine Amtspflicht verletzt hat. Alle diese Streitigkeiten gehören zur "streitigen Gerichtsbarkeit".
Zur Zivilgerichtsbarkeit gehört auch die "freiwillige Gerichtsbarkeit". Sie ist vor allem für Vormundschaftssachen und Nachlassangelegenheiten zuständig (Vormundschafts- und Nachlassgerichte).
Zivilprozess
Ein Zivilprozess beginnt mit der Erhebung einer Klage. Kläger und Beklagter heißen Parteien. Die Parteien stehen sich gleichberechtigt gegenüber. Der Kläger begründet seinen Antrag, der Beklagte bestreitet die Behauptungen insgesamt oder teilweise. Beide Parteien können Beweismittel vorlegen und Zeugen beibringen. Das Gericht prüft nur, was die Parteien vorbringen, es ermittelt nicht selbst von Amts wegen. Man spricht deshalb im Zivilprozess von Parteiherrschaft.
Instanzen
Das Amtsgericht ist die erste Instanz bei einem Streitwert bis einschließlich 5000 Euro. Der Streitwert ist der Wert des Streitgegenstandes. Wenn nicht ohnehin eine bestimmte Geldsumme eingeklagt wird, setzt das Gericht ihn fest. Nach dem Streitwert bestimmen sich die Gerichtskosten und Anwaltsgebühren. Außerdem werden vom Amtsgericht Mietstreitigkeiten, Ehescheidungen und die sich daraus ergebenden Streitigkeiten verhandelt. Für alle übrigen Rechtsstreitigkeiten ist das Landgericht zuständig.
Das Verfahren in der ersten Instanz endet mit einem Urteil, soweit es nicht auf andere Weise abgeschlossen wurde, etwa durch Rücknahme der Klage oder durch gütliche Einigung, einen Vergleich. Das Urteil ist rechtskräftig, wenn die Parteien keine Rechtsmittel einlegen oder wenn die Einlegung von Rechtsmitteln nicht mehr zulässig ist. Unter Rechtsmitteln versteht man die Möglichkeit, eine gerichtliche Entscheidung anzufechten und ihre Nachprüfung durch ein höheres Gericht (höhere Instanz) zu verlangen.
Berufung und Revision
Die wichtigsten Rechtsmittel sind Berufung und Revision. Bei einer Berufung überprüft die höhere Instanz sowohl den Sachverhalt als auch die rechtliche Seite des Falles, der Prozess wird neu aufgerollt. Die Berufung gegen Urteile des Amtsgerichts wird vom Landgericht verhandelt, gegen Urteile des Landgerichts vom Oberlandesgericht. Berufung kann nur eingelegt werden, wenn der Beschwerdewert (der vom Streitwert abweichen kann) 600 Euro überschreitet.
Bei der Revision wird nur geprüft, ob die Vorinstanz das Recht richtig angewandt hat. Revision kann nur gegen Berufungsurteile des Oberlandesgerichts beim Bundesgerichtshof beantragt werden.
Die Revision ist im Allgemeinen nur zulässig, wenn der Fall grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn ein Urteil von der Entscheidung des Bundesgerichtshofes in einem ähnlich gelagerten Fall abweicht. Auf diese Weise soll die einheitliche Auslegung der Gesetze gesichert werden.
Strafgerichte
Strafgerichte sind für die Anwendung des Strafrechts zuständig, das im Strafgesetzbuch (StGB) niedergelegt ist. Strafrechtsvorschriften enthalten aber auch viele andere Gesetze, zum Beispiel das Betäubungsmittelgesetz, das Versammlungsgesetz, das das "Vermummungsverbot" enthält, und das Außenwirtschaftsgesetz, das Waffenexporte in bestimmte Länder verbietet.
Strafprozess
Ein Strafverfahren beginnt mit der Erhebung der Anklage durch die Staatsanwaltschaft. Vorausgegangen ist gewöhnlich eine Strafanzeige bei der Polizei, beim Amtsgericht oder bei der Staatsanwaltschaft. In dem nun einsetzenden Ermittlungsverfahren stellt die Staatsanwaltschaft in Zusammenarbeit mit der Polizei fest, ob ein hinreichender Verdacht auf eine strafbare Handlung vorliegt. Ist das der Fall, so muss Anklage erhoben werden. Die Staatsanwaltschaft handelt nach dem Legalitätsprinzip, sie ist zur Verfolgung einer Straftat verpflichtet. Ausgenommen sind so genannte Antragsdelikte (Beleidigung, leichte oder fahrlässige Körperverletzung, Hausfriedensbruch und andere). Ist das Antragsdelikt zugleich ein Privatklagedelikt, wird nur dann Anklage erhoben, wenn dies im öffentlichen Interesse liegt; andernfalls bleibt dem Verletzten nur die Möglichkeit einer Privatklage.
Ablauf des Strafverfahrens
Bei Verdacht auf eine Straftat wird ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Ist der Beschuldigte hinreichend verdächtig, wird das Hauptverfahren eröffnet.
Mit dem Eröffnungsbeschluss wird der Beschuldigte zum Angeklagten. Das Gericht hat den Sachverhalt zu ermitteln und dem Angeklagten seine Schuld nachzuweisen. Es ist dabei nicht an die vom Staatsanwalt vorgelegten Beweise gebunden, sondern kann selbst Beweise erheben, Zeugen vernehmen, Sachverständige heranziehen.
Der Angeklagte hat das Recht auf Verteidigung. Er kann sich durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, bei schweren Straftaten ist dies vorgeschrieben. Kann er den Verteidiger nicht bezahlen, bestellt das Gericht auf Staatskosten einen Pflichtverteidiger.
Das Strafverfahren endet mit einem Urteil. Sofern keine Rechtsmittel eingelegt werden, wird es rechtskräftig und wird vollstreckt.
Instanzen der Strafjustiz
In erster Instanz entscheidet
der Strafrichter als Einzelrichter bei Vergehen, wenn eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe zu erwarten ist;
das Schöffengericht beim Amtsgericht (ein oder zwei Richter, zwei Schöffen) bei Verbrechen und Vergehen mit Freiheitsstrafen bis zu vier Jahren;
die Große Strafkammer beim Landgericht (zwei oder drei Richter, zwei Schöffen) bei schweren Verbrechen, als Schwurgericht bei Tötungsverbrechen;
der Große Strafsenat beim Oberlandesgericht (fünf Richter) bei Staatsschutzsachen (Landesverrat, terroristische Gewalttaten).
Schöffen sind ehrenamtliche Richter, die nicht juristisch vorgebildet sind. Sie haben in der Verhandlung und bei der Beratung über das Urteil dieselben Rechte und Pflichten wie Berufsrichter. Durch ihre Mitwirkung soll die Lebens- und Berufserfahrung der Bürger bei der Rechtsprechung genutzt werden.
Rechtsmittel
Gegen das Urteil kann der Verurteilte Rechtsmittel einlegen. Berufung ist nur bei Urteilen der Amtsgerichte zulässig. Gegen erstinstanzliche Urteile der Landgerichte ist nur Revision beim Bundesgerichtshof zugelassen.
Ordnungswidrigkeiten
Von Straftaten zu unterscheiden sind Ordnungswidrigkeiten. Das sind Verstöße gegen staatliche Gebote und Verbote, die nicht so schwerwiegend sind, dass eine Strafe verhängt werden müsste. Sie werden von Verwaltungsbehörden geahndet, die per Bußgeldbescheid ein Bußgeld auferlegen. Geringfügige Ordnungswidrigkeiten, deren häufigste die Geschwindigkeitsüberschreitung im Straßenverkehr und das Falscheparken sind, werden mit einem Verwarnungsgeld belegt.
Jugendgerichte
Für Straftaten Jugendlicher (14–18 Jahre) gilt das Jugendstrafrecht. Es wird häufig auch bei Heranwachsenden (18–21 Jahre) angewandt. Das Jugendstrafrecht sieht Erziehungsmaßregeln vor, zum Beispiel die Weisung, eine gemeinnützige Arbeit zu verrichten, oder das Verbot, Gast- und Vergnügungsstätten zu besuchen, bis hin zur Anordnung der Fürsorgeerziehung. Reicht das nicht aus, können Zuchtmittel verhängt werden, zum Beispiel die Auflage, den Schaden wieder gutzumachen, oder Jugendarrest. Wegen besonders schweren oder wiederholten Straftaten wird Jugendstrafe verhängt. Sie wird in einer Jugendstrafanstalt verbüßt und beträgt mindestens sechs Monate, höchstens zehn Jahre.
Über straffällige Jugendliche entscheiden Jugendgerichte, und zwar je nach Schwere des Falles der Jugendrichter als Einzelrichter, das Jugendschöffengericht (ein Jugendrichter, zwei Jugendschöffen) oder die Jugendkammer beim Landgericht (drei Jugendrichter, zwei Jugendschöffen).
Verwaltungsgerichte
Verwaltungsgerichte sind zuständig für Streitigkeiten zwischen den Bürgern und der Staatsgewalt. Sie bieten dem Bürger Rechtsschutz, wenn er sich durch eine Maßnahme der Verwaltung in seinen Rechten verletzt glaubt. Verwaltungsgerichte entscheiden beispielsweise, wenn gegen die Versagung einer Baugenehmigung geklagt wird.
Sie können gegen die als ungerecht empfundene Benotung eines Schülers ebenso angerufen werden wie etwa bei Auseinandersetzungen über den Bau eines neuen Flughafens, einer Autobahn oder eines Hochtemperaturreaktors.
Gegen einen als rechtswidrig empfundenen Verwaltungsakt muss der Betroffene zunächst Widerspruch einlegen. Im Widerspruchsverfahren soll die Behörde noch einmal prüfen, ob ihre Entscheidung rechtmäßig und zweckmäßig ist. Wird der Widerspruch abgelehnt, kann das Verwaltungsgericht angerufen werden.
Erste Instanz ist das Verwaltungsgericht, Berufungsinstanz das Oberverwaltungsgericht, in einigen Bundesländern Verwaltungsgerichtshof genannt, Revisionsinstanz das Bundesverwaltungsgericht. Bei Streitigkeiten über technische Großprojekte und bei Vereinsverboten ist das Oberverwaltungsgericht die erste Instanz.