Im November 2014 formierte sich in Paris eine bemerkenswerte Allianz: Nicht nur Nationalisten aus ganz Europa probten in Frankreich den Schulterschluss, sondern begrüßten in ihrer Runde auch die Partei Einiges Russland, die den russischen Präsidenten Wladimir Putin unterstützt und jahrelang von ihm angeführt wurde. Eingeladen hatte der französische Front National. Partei-Chefin Marine Le Pen umarmte auf der Bühne den niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders. Auf dem Podium nahmen Nationalisten aus einem halben Dutzend EU-Staaten Platz, darunter Heinz-Christian Strache von der österreichischen FPÖ und Matteo Salvini von der Lega Nord aus Italien.
Issajews Auftritt an der Seite von Le Pen, Wilders & Co. verdeutlichte einen scharfen Kursschwenk der russischen Führung. Über Jahre hatte sich Einiges Russland um Partnerschaften mit etablierten konservativen Parteien in der EU bemüht. In Deutschland zum Beispiel gab es gute Kontakte zur CDU, russische Delegationen besuchten Parteitage der Unions-Parteien und den Deutschlandtag der "Jungen Union"
Diese Wende wurde beschleunigt durch zwei Krisen: Im Inland sah sich der Kreml zur Jahreswende 2011/2012 vor allem in der Hauptstadt Moskau Massendemonstrationen gegenüber, an der neben breiten Teilen der eher liberal gesinnten großstädtischen Mittelschicht auch Beamte der Kreml-Verwaltung und sogar der erst kurz zuvor entlassene wirtschaftsliberale Finanzminister Alexej Kudrin teilnahmen.
Die Verbindungen sind sehr unterschiedlichen Charakters: Zum einen gibt es Kontakte der Rechtsaußen-Kräfte zu staatlichen oder den russischen Staat tragenden Organisationen. Darunter fallen etwa Treffen und Kooperationen mit der Kreml-Partei Einiges Russland, aber auch die Unterstützung durch vom russischen Staat finanzierte Auslandsmedien wie den Sender Russia Today. Davon zu unterscheiden ist eine große Zahl an Kontakten über inoffizielle Kanäle, bei denen eindeutige Belege für eine Einflussnahme des russischen Staates fehlen, diese aber naheliegt. So erhielt der französische Front National, wie 2014 bekannt wurde, ein Millionendarlehen von einer russischen Bank
Wer sind Russlands Partner in Europa?
Russland unterhält vielfältige Kontakte zum rechten Rand, in Deutschland etwa zum rechtspopulistischen Publizisten Jürgen Elsässer. Schon 2013 hatten die russischen Politikerinnen Olga Batalina und Jelena Misulina – beide sitzen für Einiges Russland im Parlament und gehören zu den Urhebern des umstrittenen russischen Gesetzes gegen "homosexuelle Propaganda gegenüber Minderjährigen" – eine Konferenz des von Elsässer geleiteten Magazins Compact in Berlin besucht.
Auch zur AfD gibt es Beziehungen. Der Brandenburgische Landesvorsitzende Alexander Gauland war mehrfach zu politischen Gesprächen in Moskau, unter anderem auf Einladung einer Stiftung des Unternehmers Malofejew; auf einer Reise nach St. Petersburg traf er den Ideologen Dugin und einen persönlichen Referenten Putins
Marine Le Pen, bei der Präsidentschaftswahl 2017 Kandidatin des Front National, wurde kurz vor dem ersten Wahlgang in Moskau von Wladimir Putin empfangen.
Die FPÖ aus Österreich hat sogar ein förmliches Kooperationsabkommen mit Einiges Russland unterzeichnet. Laut österreichischen Medienberichten hat es eine Laufzeit von zunächst fünf Jahren und sieht unter anderem einen "Erfahrungsaustausch" vor zu Bereichen wie Parteiaufbau und Gesetzgebung. Bemerkenswerte ideologische Nähe lässt beispielsweise der Punkt 6 der Vereinbarung erkennen: Er kündigt eine Zusammenarbeit bei "Jugend-, Frauen-, Bildung-, Hilfs- und anderen gesellschaftlichen Organisationen" an – mit dem Zweck der "Erziehung der jungen Generation im Geiste von Patriotismus und Arbeitsfreude".
Vertraute Kontakte nach Moskau pflegt auch der Chef der griechischen Rechtspopulisten, Panos Kammenos. Der Vorsitzende der Partei "Unabhängige Griechen" war in einer Koalition mit dem Premierminister Alexis Tsipras der linken "Syriza" zwischenzeitlich Verteidigungsminister in Athen. Kontakte zu Kammenos unterhält sowohl der rechtsextreme Universitätsprofessor Dugin als auch der Unternehmer Malofejew, wie Zeit Online unter Verweis auf gehackte E-Mails berichtete. Dugin sah in dem griechischen Minister demnach einen Kandidaten für einen von ihm geplanten "Eliteklub" von Verbündeten in Europa, die dort Informationen "im Sinne Russlands" verbreiten sollten. Auf Dugins Liste stand auch der rechtspopulistische, deutsche Publizist Jürgen Elsässer.
Rechte Sympathien für Putin
In Ungarn gilt sowohl die Regierungspartei Fidesz von Premier Viktor Orban als russland-nah als auch die rechtsextreme Partei Jobbik. Deren Chef Gabor Vona sieht Russland als Wächter der "wahren europäischen Werte" und als Gegengewicht zur "verräterischen EU".
Auch am rechten Rand in Deutschland sind Sympathien für Russlands Führung unübersehbar. Bei Kundgebungen von Pegida zum Beispiel tauchen seit einiger Zeit Demonstranten mit der russischen Trikolore auf.
Vielen Rechtspopulisten wie Rechtsextremen gilt Präsident Putin als Gegenentwurf zu den meist liberal und transatlantisch geprägten politischen Kernströmungen in Europa. Ihnen gefällt sein oft martialisches Auftreten und der Eindruck, Putin habe in der Vergangenheit den damaligen US-Amtskollegen Barack Obama ein ums andere Mal düpiert, etwa in der Syrienpolitik. "Europas Rechtspopulisten bewundern Putins autoritären Führungsstil ebenso wie sein aggressives Vorgehen auf der Krim. Russland erscheint ihnen als geopolitische Alternative zum Westen – Ideen von einem "Eurasien" und einem "Europa der Nationen" machen die Runde", analysiert der Politologe Florian Hartleb. "Auch in weltanschaulicher Hinsicht ist man sich einig, in der Ablehnung von Homosexualität und der Kultivierung eines sozialen Konservatismus sowie handfester Identitätspolitik."
Moskau verbreitet seit einigen Jahren ähnlich antiliberale Positionen, wie man sie auch an Europas rechtem Rand findet. In einer Grundsatzrede 2013 etwa warf er dem Westen, die eigenen "Wurzeln abzulehnen, einschließlich der christlichen Werte, die die Grundlage der westlichen Zivilisation bilden". Sie [die westlichen "Eliten"] verleugnen moralische Prinzipien und alle traditionellen Identitäten: nationale, kulturelle, religiöse und selbst sexuelle. Sie setzen eine Politik durch, die die Familie mit gleichgeschlechtlichen Partnerschaften gleichsetzt, den Glauben an Gott mit dem Glauben an Satan." Putin kritisierte auch den "sogenannten Multikulturalismus", ein – wie er sagte – "in vielerlei Hinsicht künstlich eingepflanztes Modell".
"Mann, tut Putin gut", heißt es etwa in einem Facebook-Post der NPD Bayern: "Der russische Präsident Putin ist immer wieder erfrischend und zeigt, wie Politiker eigentlich sein sollten: er tritt ohne Wenn und Aber für Leben, Zukunft und Traditionen seines Volkes ein und verachtet Schwule und Nihilisten. Kein Wunder, daß sich der Abschaum des Westens auf ihn eingeschossen hat."
Russlands Ziele
Die Allianz zwischen Russland und dem rechten Rand schürt in Europa Befürchtungen. So heißt es in einem Bericht des tschechischen Geheimdienstes BIS, Moskau knüpfe gezielt an Seilschaften, um europäische Staaten zu unterminieren: "Russland baut eine Struktur ähnlich dem Konzept der Kommunistischen Internationale auf". Zu dieser hatten sich 1919/1920 zahlreiche kommunistische Parteien zusammengeschlossen
In einem russischen Strategiepapier aus dem Jahr 2013 ist die Rede von einer möglichen Etablierung Putins "als Anführer eines neuen, globalen Konservatismus"
Das Institut hat "Massenmigration und Konflikte zwischen den Volksgruppen" als Schwachpunkte der EU ausgemacht – lange bevor sich die Flüchtlingsbewegung nach Europa im Herbst 2015 zuspitzte. Diese seien "die Basis der Ängste des EU-Bürgers", heißt es in dem Papier. Ausdrücklich erwähnt wird Deutschland. Dort gebe es "Nachfrage nach einem starken rechten Politiker".
Für den Kreml gehe es bei der Unterstützung von EU-feindlichen Rechtsaußen-Kräften um "reine Machttechnik", formuliert es der Publizist Jörg Himmelreich. Es gehe darum, die Europäische Union von innen heraus zu schwächen und die Westbindung an die USA zu unterminieren.
Warum Nationalisten den Schulterschluss mit Russland suchen
Umgekehrt haben auch die europäischen Rechtsaußen-Bewegungen – neben der teils deutlichen ideologischen Nähe – sehr pragmatische Gründe für die Zusammenarbeit mit Russland. Gruppierungen wie der Front National oder Geert Wilders' PVV sind in ihren Heimatländern (bislang) Außenseiter. Die anderen politischen Kräfte von Gewicht schließen meist eine Zusammenarbeit mit ihnen aus und arbeiten in den Parlamenten gemeinsam gegen sie. Potenzielle Spender riskieren, öffentlich geächtet zu werden.
Die zum Teil hochrangigen politischen Kontakte in Moskau und häufige Auftritte bei russischen Auslandsmedien geben also oft randständigen Rechtsaußen-Politkern die Möglichkeit, sich ihren Wählern daheim staatsmännisch zu präsentieren. In Deutschland trifft das beispielsweise auf die AfD zu. Zu Beginn des Bundestagswahljahrs 2017 etwa flog Partei-Chefin Frauke Petry nach Moskau. Sie bekam dort sogar einen Termin beim Parlamentspräsidenten Wjatscheslaw Wolodin (Einiges Russland).
AfD, Front National und andere profitieren zudem von der "Gegenöffentlichkeit", die russische Medien organisieren, allen voran Russlands 2005 gestarteter Auslands-Sender Russia Today (heute: RT). Der Kanal sendet auf Englisch, Arabisch und Spanisch. 2014 startete ein Spartenprogramm auf Deutsch sowie 2017 – just zu Beginn der heißen Phase des französischen Präsidentschaftswahlkampfs – RT en français.
RT wird vom russischen Staat finanziert. Chefredakteurin Margarita Simonjan sieht ihren Kanal als eine Art mediales Verteidigungsministerium. Wenn Russland Krieg führe, "ziehen wir mit in die Schlacht", sagt sie.
RT hat von Putin den Auftrag, "das Monopol der angelsächsischen Massenmedien zu brechen".
Das hat Methode: RT stellt immer wieder hartgesottene Rechtsextreme als vermeintlich neutrale Experten dar. Als Kronzeuge für die These, der deutsche Auslandsgeheimdienst BND sei eine "Filiale der CIA", kam so etwa 2014 ein deutscher Rechtsextremer zu Wort: Manuel Ochsenreiter, Chefredakteur von "Zuerst!", einem Monatsblatt deutscher Rechtsextremer.
2009 verkaufte RT seinen Zuschauern den Compact-Mann Elsässer unverfänglich als "Politiker und Historiker".
Den rechten Rand im eigenen Land aber enttäuscht Putin
Doch ausgerechnet die ultrarechte Szene in Russland selbst enttäuscht Putin – ihre Hoffnung auf einen vollständigen Kurswechsel in der Innenpolitik hat sich nicht erfüllt. Putin hält weiter seine Hand über den in rechten Kreisen verhassten Ministerpräsidenten Dmitrij Medwedew und dessen wirtschaftsliberales Team. Den von rechts geforderten militärischen Durchmarsch bis nach Odessa in der Südostukraine hat es bislang ebenso wenig gegeben wie einen ersehnten vollständigen Abbruch aller Beziehungen mit dem Westen.
Das wird auch deutlich anhand des Schicksals der von russischen Nationalisten betriebenen russischen Nachrichtenseite "Sputnik & Pogrom". Das Portal wurde zur Jahreswende 2013/2014 einem breiteren Publikum in Russland bekannt, im staatlichen "Ersten Kanal" erwähnt (die Moderatorin entschuldigte sich nach Protesten später via Facebook)
Selbst vom rechten Vordenker Alexander Dugin kommt deshalb beißende Kritik am Präsidenten. Putin wolle sich nicht recht entscheiden zwischen einem "russischen Thron" und dem "westlichen Stuhl eines korrekten europäischen Managers".
Das sind bemerkenswerte Äußerungen aus dem Mund eines Mannes, der von westlichen Medien gelegentlich (und fälschlich) als "Putins Ideologe" vorgestellt wird, der aber selbst keinen direkten Zugang zum Präsidenten hat. Dugin ist gleichwohl ein wichtiges Bindeglied zwischen rechten Kreisen in Russland und im Westen. 2014 nahm er an einem Treffen mit der Nichte der Front-National-Vorsitzenden, Marion Maréchal-Le Pen, und FPÖ-Chef Strache in Wien teil.
Bei der Wahl seiner Partner im Westen ist Russland ideologisch flexibel
Anders als zu Sowjetzeiten agiert die russische Führung bei der Auswahl ihrer Partner heute ideologisch sehr flexibel. Moskaus Unterstützung beschränkt sich nicht auf den rechten Rand, sondern erstreckt sich auf zahlreiche populistische Bewegungen im Westen, die sich als Alternative zu den etablierten politischen Kräften positionieren. Als in Griechenland Anfang 2015 die linke Partei Syriza die Wahl gewann, war das erste Treffen mit dem angehenden Premierminister Alexis Tsipras dem russischen Botschafter in Athen vorbehalten.
Mit der Unterstützung der Kräfte an den Rändern des politischen Spektrums verbindet der Kreml Hoffnungen, die etablierten, weitgehend Putin skeptisch gegenüber eingestellten Parteien in Europa langfristig schwächen zu können - und in der Folge auch die EU und die Nato. Noch im Jahr 2000 hatte Putin einen Beitritt seines Landes zur Nato in einem Interview mit der BBC ausdrücklich nicht ausgeschlossen.
Die extreme ideologische Spannbreite von Russlands Partnern im Westen wurde augenfällig, als der Sender RT im Dezember 2015 in Moskau sein zehnjähriges Bestehen feierte: Nicht nur Michael Flynn, später kurzzeitig Nationaler Sicherheitsberater von US-Präsident Donald Trump, nahm da am Tisch von Präsident Putin Platz – direkt daneben saß Jill Stein, 2016 Präsidentschaftskandidatin der US-amerikanischen Grünen.